Erwartungen

Datum: 12. Februar 2017 (Tag 128)
Position: Bocas del Toro (Panama)
Etmal: –
Wetter: bewölkt, Nieselregen, Luft 23° C
von Charlie

t_charlieZu einer Gruppe zu fliegen, die schon zwei Monate unterwegs ist, ist immer nicht so leicht. Da geht es den Jugendlichen wie den Erwachsenen. Man nimmt sich zwar vor, nichts zu erwarten, aber ganz ohne geht es natürlich nicht. Inwieweit haben sie sich schon weiter entwickelt? Wie wird die Gruppe mich aufnehmen? Was erwartet mich überhaupt, wenn ich an Bord komme? Klar habe ich den Törn irgendwie geplant, aber so ganz drin bin ich ja trotzdem nicht. Und was das Seglerische angeht, da wird mir die Gruppe ja eh meilenweit etwas voraushaben…

Was soll ich sagen, es war eine wunderbare Zeit, die ich sehr genossen habe. Keiner meiner an die beschriebenen Situationen Erwartungen hat sich nicht bewahrheitet. Die Gruppe ist eine Gruppe, die in Schwierigkeiten zusammenhält und füreinander einsteht, alle nehmen neue Leute herzlich in ihrer Gemeinschaft auf und geben ihnen eine Chance und seglerisch haben sie mir alle Einiges voraus. Aber auf solch einer Reise gibt es auch Momente, da hat man einfach keine Erwartungen dran, weil sie für einen selber wahrscheinlich selbstverständlich sind. Nehmen wir die Wunddesinfektion bei einer Entzündung der Haut als Beispiel. Würden wir in unseren heimischen Gefilden Octenisept oder Ähnliches draufsprühen bzw. schmieren, ein bisschen Zugsalbe drauf tun oder einfach erstmal nur ein Pflaster, damit kein weiterer Dreck rein kommt, so behandelt man das in kleineren Gemeinden nahe eines Regenwaldes anders.

In meinem Fall war es so, dass die betroffenen Stellen beim Auftreten der Entzündung erstmal mit einer Tinktur gewaschen wurden, die aus einem Sud einer bestimmten Pflanze, die am besten nach Einbruch der Dunkelheit gepflückt und anschließend aufgekocht wird, bestand. Als diese zwar keine Verschlimmerung aber auch keine Besserung beschwor, kam eine Creme dazu, die auf die betreffenden Hautstellen getupft wurde. Ich wusste zwar von Anfang an, dass ein Bestandteil Aloe Vera war, bei dem zweiten rätselte ich aber länger, größtenteils einfach nur, weil ich der spanischen Sprache nicht so gut mächtig bin, aber auf der anderen Seite auch, weil ich es einfach nicht glauben wollte, was ich da verstand… Piel de la Serpiente. Meine heranreifenden Spanischkenntnisse trogen mich aber nicht. Es handelte sich bei dem zweiten Bestandteil wirklich um die Haut einer Klapperschlange. Auch dies brachte irgendwo einen Erfolg, aber es kamen leider Gottes neue Stellen hinzu. Diese wurden dann einfach mal mit einer Tinktur bestehend aus Alkohol mit Marihuana desinfiziert. Mit all diesen Mitteln auf der Haut und einer nach Schulmedizin hergestellten Creme aus einer costaricanischen Apotheke in der Tasche machte ich mich also mit der Gruppe auf den Weg zurück zum Schiff bzw. gen ersten Abflugshafen – Ziel: Bocas del Toro.

Bisher hatte alles geklappt, was die Reise angeht, warum sollten sich also die Erwartungen meiner Reiseplanung beim letzten Stopp nicht bewahrheiten, zumal es andere Situationen der Reise gab, an die ich mit mehr Zweifeln herangegangen bin…aber wie sagt man so schön: „Unverhofft kommt oft“ oder „Leben ist das, was passiert, während du andere Pläne hast“. Was uns zu dem heutigen Tag bringt.

Nach einem Frühstück im Lost&Found Jungle Hostel machten wir uns in zwei Gruppen auf dem Weg bergab zurück zum Restaurant und Lädchen, wo uns der Bus vor zwei Tagen abgesetzt hatte. Um 9:0 Uhr hatten wir ein Date mit Luis Gracias und seinem Copiloten. Die Zeit, die wir zu früh da waren, nutzten wir um glückversprechende Fotos von einem panamesischen Bergzug mit Regenbogen zu machen. Nach Ankunft des Busses wurden die Sachen verstaut, wobei einige SchülerInnen dabei ein Gottvertrauen bewiesen, dass ihr Rucksack schon durch andere in den Bus getan wird, indem sie einfach ihren Rucksack vor den Bus schmissen, um sich die besten Plätze im Bus zu sichern. Und zum Glück gibt es diese SchülerInnen innerhalb der Gruppe, die beweisen, dass es eine Gruppe ist und dafür sorgen, dass alle Rucksäcke im Bus verstaut werden. Nichts wurde vergessen, selbst ein verloren geglaubter Pass wurde wieder gefunden und so nahm die Reise bis nach Bocas einen unbeschwerlichen Verlauf. Es kam sogar kurzes Quietschen auf, als wir bei der Überfahrt von Almirante nach Bocas del Toro – Isla Colon die Johnny sahen.

Kaum auf Bocas angekommen, kam dann der Moment, den ich nicht erhofft und eigentlich auch nicht erwartet hätte. Das Hotel, was ich reserviert hatte, welches ich auch nochmal vor Abreise nach Martinique bestätigt hatte, war zu, dunkel und augenscheinlich sehr unbewohnt. Das zweite ebenfalls reservierte und vor allem ebenso wie das andere bei booking.com bekannte Hostal kannte man noch nicht mal unter den Einheimischen im Städtchen. Auf Nachfragen in der Bocas- Gemeinde fanden wir schließlich heraus, dass man Luis und Magally (die Besitzer) zwar kannte, man aber nicht genau wisse, wo sie sich gerade aufhalten und man hätte auch schon länger keine Aktivitäten bei dem von mir reservierten Hotel wahrgenommen.

Nach zwei Stunden Warten vor dem Hotel gaben wir die Hoffnung dann auf, dass noch jemand kommt und machten uns auf die Suche nach einer alternativen Schlafmöglichkeit. Der Auftrag an die losgeschickte Kleingruppe von Schülerinnen hieß also eine Schlafmöglichkeit für 30 Personen zu finden, welche aus maximal fünf verschieden Einrichtungen bestehen durfte, so dass mindestens ein Betreuer immer mit dabei ist. Umso überraschter waren wir, als sie mit der Nachricht zurück kamen, dass sie ein Hotel für 17$ pro Person für alle 30 von uns gefunden hatten. Sofort wurden die Rucksäcke geschultert, der mitreisende Proviant verteilt und die Füße in die Hand genommen, wir sollten bis 15:00 Uhr da sein, sonst würde das Sonderangebot verfallen, was uns gemacht wurde, und es waren t-15 Minuten. Jedoch für einen Weg von drei Minuten keine schwierige Aufgabe zum meistern.

Die Dame an der Rezeption des neuen Hotels, die uns auch das super Angebot gemacht hatte, regelte alles, so dass wir in weniger als fünf Minuten endlich das machen konnten, woran sich Stunden vorher schon die Erwartungen geknüpft hatten: Einchecken, Unterkunft bezahlen, und in Kleingruppen die uns zur Verfügung gestellten Zimmer beziehen, um dann mit etwas Proviantgeld das Städtchen unsicher zu machen. Und somit kann ich dank der Mithilfe der Gruppe auch an diesen Tag ein Häkchen machen und entlasse die Gruppe somit morgen guten Gewissens in die Weiter- und irgendwo auch Heimreise zurück nach Deutschland, mit Zwischenhalten in der nördlichen Karibik, den Bahamas, Bermudas und den Azoren. Möge sich ihr weiterer Weg bei Schwierigkeiten ebenso leicht klären lassen wie der heutige Tag.
Charlie