Sieben Monate HSHS

Datum: 28. April 2017 (Tag 204)
Position: 48° 29,5′ N, 013° 02,5′ W
Etmal: 153 nm
Wetter: Luft 15°C, 1022 hPa, sonnig, Wind SW, 2 Bft.
von Mira

t_miraDie Reise nähert sich ihrem Ende, das merkt man nun ganz deutlich. Jeden Morgen hört man überall „Bald sind wir Zuhause“ oder „Nur noch acht Tage!“. Es wird überlegt, was man Zuhause als erstes macht oder isst und Pläne geschmiedet, wann man sich gegenseitig besuchen oder ganz einfach in Hamburg zum Döner-Essen treffen kann. Fotos werden ausgetauscht und aussortiert und Carlo arbeitet auf Hochtouren an seiner Diashow für den letzten Abend. Alle bereiten sich fleißig auf den Sportbootführerschein vor und wir Lehrer haben die letzten Tage damit verbracht, die Zeugnisse zu schreiben, damit diese pünktlich zur Ankunft überreicht werden können. Selbst die Wale und Delfine kommen im Moment täglich zum Schiff geschwommen, als wollten sie sich von uns verabschieden.

Obwohl sich alle auf Zuhause freuen, wird man dabei ein wenig emotional und wehmütig. Diese einmalige, tolle und aufregende Zeit, die vor ungefähr einem Jahr begann, geht bald zu Ende. Damals wurden 25 Schüler ausgewählt, um an diesem Abenteuer teilhaben zu können. 25 Jugendliche, die sich zuvor nicht kannten und aus ganz verschiedenen Ecken Deutschlands, ja sogar der Welt kommen. So unterschiedlich sie auch sein mögen, sind sie doch zu einer Gemeinschaft zusammengewachsen. Sie sind ein Team geworden und haben mehrfach bewiesen, dass sie gemeinsam verschiedenste Herausforderungen meistern und über sich hinauswachsen können. Sie haben zweimal den Atlantik überquert. Sie haben sieben Monate auf engstem Raum zusammengelebt und das aus meiner Sicht ziemlich gut hingekriegt. Dabei haben sie gelernt, dass jeder mal kürzer treten und seine eigenen Bedürfnisse zurückstellen muss, damit die Schiffsgemeinschaft als Ganzes funktionieren kann. Sie haben in Schülerversammlungen über Probleme beraten und tolle Lösungen oder Kompromisse erarbeitet, auf die wir Lehrer teilweise wahrscheinlich gar nicht gekommen wären. An Bord mussten sie viele Annehmlichkeiten, die Zuhause so ganz selbstverständlich sind, entbehren, wie ein eigenes Zimmer, eine funktionierende Waschmaschine und ein jederzeit einsatzbereites Handy.

Aber wenn man die Schüler bei der gemeinsame Handwäsche an Deck, Zahnputzparties im Pumakäfig und Spieleabenden in der Messe beobachtet, scheinen diese Entbehrungen ihnen gar nicht allzu schwer zu fallen. Sie haben am eigenen Leib erfahren, wie kostbar Trinkwasser ist und es gemeinsam geschafft, den Wasserverbrauch enorm zu reduzieren. Sie haben erkannt, dass frische Lebensmittel und ein prall gefüllter Kühlschrank keine Selbstverständlichkeiten sind und dass viel Arbeit hinter einem leckeren Essen steckt, besonders wenn es für 37 Personen und unter extremen Bedingungen zubereitet werden muss. Auch während der Landaufenthalte sind sie über sich hinausgewachsen: Sie sind von Wasserfällen gesprungen und bis in 18m Tiefe hinabgetaucht, sie haben Gipfel erklommen, Regenwälder durchwandert und dabei Tiere und Pflanzen gesehen, die andere Schüler bestenfalls aus dem Zoo kennen. Sie sind in Kleingruppen durch Panama und Costa Rica gereist und haben diese Tour auf Spanisch, was einige erst seit einem Monat lernten, komplett eigenverantwortlich organisiert. Sie sind dabei mit unterschiedlichsten Menschen aus verschiedenen Kulturen in Kontakt gekommen, haben Freundschaften geknüpft und immer wieder ihren Horizont erweitert.

Schließlich haben die Schüler es geschafft, den Schiffsbetrieb zu übernehmen. Auf diesem Schiff gibt inzwischen Amira die Kommandos und informiert über den Tagesablauf, den Kurs oder anstehende Segelmanöver. Diese Segelmanöver werden von Schülern angeleitet und durchgeführt. Damaris ruft regelmäßig die Backschaften der folgenden Tage zusammen und plant mit ihnen die nächsten Mahlzeiten, sodass wir auch noch bis Hamburg mit dem verfügbaren Proviant auskommen. Wenn es um technische Aspekte des Schiffbetriebes geht, wird Carlo hinzugerufen, der in seiner Rolle als Schülermaschinist total aufgeht.

Auch wenn das Ganze sich jetzt vielleicht nach einem Text aus einem HSHS-Prospekt anhört, wollte ich damit eigentlich nur eines ausdrücken: Die letzten sieben Monate haben uns alle, Schüler und Lehrer, geprägt und bereichert. Bereichert an Erfahrungen, Eindrücken, Wissen, Glücksmomenten, aber auch Situationen, in denen man an die eigenen Grenzen stößt. Wenn ich auf die letzten sieben Monate zurückblicke, bin ich sehr glücklich, dass ich die Schüler während dieser aufregenden Zeit begleiten, unterstützen und unterrichten durfte. Im Oktober kamen in Hamburg 25 tolle Schülerinnen und Schüler an Bord und in ein paar Tagen werden in Hamburg 25 tolle Schülerinnen und Schüler, die um viele Erfahrungen reicher, selbstbewusster, selbständiger und ein Stück reifer sind, von Bord gehen. Und so sehr ich mich auf Zuhause freue, bin ich jetzt schon ein bisschen traurig, mich dann von ihnen verabschieden zu  müssen.
Liebe Grüße und bis bald, Mira

P.S.: An alle Leute, die auf gegenderte Texte stehen: Mit Schüler sind natürlich Schülerinnen und Schüler gemeint!

P.P.S.: Amira wünscht ihrer Mama alles Gute zum Geburtstag!

Spanisch in Longo Mai

Datum: 31. Januar 2017 (Tag 116)
Position: Longo Mai, Costa Rica
Etmal: –
Wetter: sonnig
von Mira

t_miraHeute Vormittag stand unsere erste Spanischstunde mit unseren neuen Spanischlehrern auf dem Programm. Um acht Uhr trafen wir uns mit ihnen beim Rancho, dem Versammlungshaus in Longo Mai. Doch statt direkt mit dem Unterricht zu beginnen, führten sie uns zu unserer Überraschung zum angrenzenden Sportplatz. Dort spielten wir verschiedene Spiele, die trotz Erklärung auf Spanisch (zugegebenermaßen nach einigen Probedurchläufen) auch die Spanischanfänger verstanden. Fortgesetzt wurde der Spanischunterricht mit einer Führung durchs Dorf, auf welcher wir viel über die lokale Schule, den Wasserspeicher, die Kirchen und den Kaffeebohnensammelplatz von Longo Mai lernten.

Außerdem lernten wir die Vokabeln für die Tiere und Pflanzen, die uns auf unserem Spaziergang durch das Dorf begegneten, und durften die exotischen Früchte, die wir am Wegesrand entdeckten (Wassermelonen, Orangen, Kakao), auch direkt probieren. Mit einer kurzen Wiederholung des Gelernten durch die Schülergruppen endete auch schon der Spanischunterricht für diesen Tag und jeder ging zum Mittagessen zurück zu seinen Gastfamilien.

Am Nachmittag wurden wir von Wade, einem lokalen Bauern US-amerikanischer Herkunft, über seine Finca geführt. Er lebt dort mit seiner Familie (und zeitweise bis zu vier Voluntären) vollständig autark: er produziert nicht nur sein eigenes Obst und Gemüse, Eier, Fleisch und Fisch aus seinem Fischteich, sondern mithilfe von Wasserkraft und Solarzellen auch seinen eigenen Strom. Wade erklärte uns sehr viel über die nachhaltige Lebensweise auf seiner Finca: So baut er verschiedenste Obst- und Gemüsesorten an (auf seiner Finca wachsen alleine über 60 verschiedene Bananensorten!), die nicht nur zum sofortigen Verzehr, sondern auch als Viehfutter, zur Herstellung von Essig oder Trockenobst für den Verkauf verwendet werden. Zum Abschluss dieses bisher schon sehr informativen Tages hielt Immo bei unserem abendlichen Treffen im Rancho sein Referat über die Ananas, da hier in Longo Mai ein Großteil der Bevölkerung auf den Ananas-Plantagen von Del Monte arbeitet.
Mira