Wir sind wieder da

Datum: 6. Mai 2017
Ort: Hamburg
von Manuel

t_manuelWir sind wieder da. Mit anderen Worten: Irgendwie haben wir unseren Weg gefunden. Wir wollen ja nicht behaupten, daß es immer der klassische oder ideale Weg gewesen ist. Aber es war unserer. Wenn es z.B. keinen Passat gibt, dann hangelt man sich eben zwischen Flaute und Sturm an Tiefdruckgebieten entlang. Unterwegs muß man manchmal seinen Weg ändern, um einem Freund oder auch einem Fremden zu Hilfe zu kommen und ihn nach Hause zu bringen.

Manchmal muß man schnell vor einem Sturm davonsegeln, manchmal ihn großräumig umfahren und manchmal ist man gezwungen, ein Zickzackmuster oder Schleifen in den Atlantik zu zeichnen. So ist das nun mal, wenn man mit den Naturgewalten unterwegs ist. Da kommt man dann fast zu seinem eigenen Empfang zu spät.

Charlie6

Für die Schüler gab es viele Arbeiten zu tun, die neu waren (Brot für 36 Personen backen) und die man nicht gerne macht (Haare aus einem Abflußsieb entfernen). Wir hatten mit allerlei Schwierigkeiten und Unwägbarkeiten klarzukommen und lernten, mit Knappheiten umzugehen. Mal gab es zu wenig Wind, mal gab es zu wenig Käse, und immer gab es zu wenig Obst. Wir schafften es, unseren täglichen Wasserverbrauch auf 10 Liter pro Person zu beschränken, und stellten fest, daß man Haare, Geschirr, Kleidung und Menschen notfalls auch mit Salzwasser sauber kriegt. Und lernten nebenbei den Wert alltäglicher Dinge wie Trinkwasser ganz anders zu schätzen.

L1110034Auch an Land fanden wir unseren Weg sowohl durch den Dschungel der Großstadt als auch durch den des Waldes (zugegeben, mit ortskundiger Hilfe). Dabei liefen wir Vulkane hinauf, sprangen Wasserfälle hinunter, mußten an traumhaften Stränden baden und Kokosnüsse öffnen, überquerten Grenzen, verpassten Busse und kamen doch an, wo wir hinwollten.

Und was uns nicht alles begegnete unterwegs! Monsterwellen, wandernde Palmen, die WLAN-Boje, der transatlantische Nikolaus und der atlantische Osterhase, Ameisenautobahnen und berauschende Kröten, Inseln mit nur einer Palme darauf, Atlantis, Neptun, das Bermuda-Dreieck, Wale, Delfine und Orcas, fliegende Fische und segelnde Polypen – für manche klingt das wie Seemannsgarn. Wir wissen, was davon wahr ist und was nicht.

Irgendwie haben wir unseren Weg durch all das gefunden.

36 verschiedene Charaktere auf einem 36 Meter langen Schiff. Das ist ein Charakter pro Meter. Eine solche Charakterdichte hat man selten im Leben. Normalerweise sucht man sich die Menschen gut aus, mit denen man eng und lang zusammenleben will. Wir nicht. Wir sind mit Menschen auf ein Schiff und sogar in eine Kammer gezogen, die wir kaum kannten. Wir haben unseren Weg gefunden, mit ihnen zusammenzuleben, irgendwie mit allen. Mit einigen war es ganz einfach, hat es sofort Spaß gemacht und funktioniert. Mit andern vielleicht weniger. An einige mußten wir uns erst gewöhnen, und bei einigen fiel es uns vielleicht schwer. Aber wir wissen jetzt: Es geht. Wir können es. Wir können Konflikte, Meinungsverschiedenheiten, Andersartigkeiten innerhalb unserer jeweiligen Gruppe – Schüler, Lehrer, Stammcrew – und zwischen den Gruppen aushalten, besprechen, beilegen, manchmal sogar lösen. Es ist nicht immer einfach und schon gar nicht reibungslos, aber wir haben es irgendwie hinbekommen.

Irgendwie hat auch jeder einzelne, jeder für sich seinen Weg gefunden. Einen Weg, mit all dem umzugehen, was uns auf der Reise widerfuhr, begegnete und beschäftigte, mit Erlebnissen und Erfahrungen. Mit Enge, Ärger, Regeln, anderen Menschen, neuen Bekannten, Freude, Genervtheit, Begeisterung, Lärm, der Entfernung von zuhause, Schlafmangel, Sportmangel, fremden Sprachen, fremden Gewohnheiten, ungeliebtem Essen, ungewohntem aber leckerem Essen, Geschaukel, Nicht-Allein-Sein, Dauernd-unter-Beobachtung-stehen, Ständig-im-Dienst-sein. Jede und jeder für sich, und wir alle zusammen, haben diese innere Reise unternommen. Wir alle haben einen Weg gefunden, mit all dem zu leben, irgendwie.

L1110027Unser gemeinsamer siebenmonatiger Weg endet hier, heute, jetzt. Wir werden uns vermutlich wiedersehen, die einen öfter, die anderen seltener. Aber wie auch immer: Wir werden nun unseren jeweils eigenen Weg weitergehen, jede und jeder für sich. Nicht allein, wie man hier sieht. Aber ohne die Weggefährten der letzten sieben Monate, die uns oft so ans Herz gewachsen und manchmal so auf die Nerven gegangen sind. Und jede und jeder muß nun selbst sehen, was sie bzw. er aus dieser Reise macht. Was gelernt wurde, was wir Neues kennen, können und wissen, welche Schlüsse wir ziehen. Jede und jeder wird erleben, was der Weg an Spuren in uns hinterläßt.

Laßt uns dankbar sein, den Menschen, die mit uns diese Reise gemacht haben, denen, die sie uns auf die eine oder andere Weise ermöglicht haben, den Menschen, denen wir unterwegs begegnen durften, und nicht zuletzt dem Schiff, dem Meer, den Inseln, den Ländern und dem Wind.

Unser gemeinsamer Weg ist zu Ende. Unser jeweils individueller Weg geht weiter. Auf das große, spektakuläre, 210 Tage und 14.000 Seemeilen lange Abenteuer folgt nun das nächste, nicht ganz so spektakuläre, das da heißt: Heimkommen. Wie immer es nun weitergeht, ich wünsche allen Beteiligten für ihren weiteren, ganz persönlichen Weg alles Gute. Eines ist sicher: Wir werden diese Reise nie vergessen.

¡Hasta siempre compañeros!
Danke!

Manuel, Projektleiter an Bord HSHS 16/17