Datum: 1. März 2017 (Tag 145)
Position: Cienfuegos, Kuba
Etmal: 0 sm
Wetter: Luft 28°C, sonnig, 1016 hPa, Wind S, 4 Bft.
von Jens (Steuermann JS)
Kaffeezeit, 15 Uhr. Wir haben uns im Seegarten versammelt. Mucken stehen auf dem Tisch. Klaus-Dieter bringt den Kaffee. Wie jeden Tag, den wir hier vor Anker liegen, hat gegen Mittag ein thermischer Wind eingesetzt, der die Wärme angenehm erscheinen lässt. „Wir“, das sind an diesem Tag allerdings nur fünf an Bord verbliebene Mitglieder der Stammbesatzung: Klaus, Jörn, Uwe, Klaus-Dieter und ich. Ungewohnt ist es. Die zwei Wochen, die ich seit Panama an Bord gewesen bin, war an Bord eigentlich immer Trubel. Seit heute Morgen sind die Schüler und Lehrer in Havanna. Uli macht einen Tagesausflug in die Berge. Und Robert, der als Steuermann von Grand Cayman bis hierher mitgefahren ist, ist mit den Schülern nach Havanna gefahren.
Manchmal habe ich mir diese Ruhe während der letzten zwei Wochen gewünscht. „Segelst du in deinem Urlaub allen Ernstes mit 26 Schülern?“ fragten mich die Crewmitglieder einer deutschen Jacht, mit denen ich zwei Tage zuvor in Cienfuegos ins Gespräch gekommen war. Diese Frage habe ich mir während der Reise aber nie gestellt. Klar, manchmal ging es für meinen Geschmack etwas zu albern zu, manchmal waren ein paar Schüler etwas zu unmotiviert, manchmal waren die Rein-Schiff-Arbeiten etwas dürftig. Immer mal wieder gab es etwas, das nicht ganz rund lief. Aber wo und bei wem ist das nicht so? Insgesamt muss ich den Schülern ein großes Kompliment machen. Seit Oktober sind sie nun an Bord. Freiheiten, wie sie die Schüler von zu Hause kennen, haben sie an Bord kaum: kein eigenes Zimmer, kaum Privatsphäre. Jeden Tag haben sie ihre Pflichten zu erfüllen. Rein-Schiff, Wache, Unterricht, und und und. Welcher Erwachsene hätte dabei nicht manchmal einen Durchhänger oder schlechte Laune? Wenn es drauf ankam, konnte man sich auf die Schüler verlassen.
Als des Nachts Schauerböen während meiner Wache durchgingen, haben alle Schüler konzentriert und gut gesteuert. Das Setzen der Breitfock in der Nacht lief wie am Schnürchen. Ich musste dabei noch nicht einmal viel machen, nur ein wenig aufpassen. Die Kommandos gab eine Schülerin. Und ich erinnere mich auch an einen Tag, als unser Schiff ordentlich rollte, vieles durcheinander flog und unser neu eingestiegener Koch „zwangsweise“ mehr im Seegarten als in der Kombüse verweilte. Pünktlich kam ein leckeres und gutes Essen auf den Tisch. Die Schüler-Backschaft hatte die Kombüse gut im Griff. Das sind nur ein paar kleine Beispiele. Natürlich gab es auch mal Lästereien. Aber insgesamt sind die Schüler sehr respektvoll und fair miteinander umgegangen und haben uns als Stammbesatzung unsere Arbeit leicht gemacht.
Insofern ist es schade, dass die Zeit mit den Schülern heute für mich zu Ende geht. Denn in drei Tagen werde ich schon wieder nach Deutschland zurück reisen müssen (das Büro ruft). Erst danach werden die Schüler wieder an Bord kommen und mit einer neuen Stammcrew ihr großes Abenteuer fortsetzen.
Für Trübsal gibt es trotzdem keinen Grund. Hinter mir liegt ein wunderbarer Törn. Und vor mir liegen viele entspannte Stunden vor Anker an Bord, ein paar Nachmittage und Abende an Land und noch eine Nacht in Havanna. Ich trinke meinen Kaffee und blicke auf die Bucht hinaus. Besser geht es kaum!
Jens (Steuermann)