Fliegende Fische

Datum: 30. November 2016, (Tag 54)
Position: 22° 41,1′ N, 049° 38,2′ W
Etmal: 99 sm
Wetter: Luft 27°C, 1016 hPa, sonnig, Wind NNE 4 Bft.
von Pia

piaOk, fange ich mal ganz einfach an, so wie bei eigentlich jedem Tagesbericht: Heute Morgen wurde ich schon um 6:30 Uhr geweckt, weil ich es am Abend zuvor so in die Kladde schrieb, allerdings dauerte es keine 5 Minuten, bis ich wieder, wie alle anderen, auch tief und fest schlief und schließlich zu dem Frühstück geweckt wurde, bei dem Norbert uns schöner weise mitteilen konnte, dass wir den Atlantik in der vorhergesehenen Zeit überqueren und rechtzeitig in Martinique ankommen würden.

Naja, der Rest des Tages verlief eigentlich ganz normal und erinnerte an die anderen Tage hier auf dem Atlantik. Unterricht, Pause, Essen und wieder schlafen. Das dachte ich zumindest bis zu dem Zeitpunkt, an dem Mira nach der letzten Stunde um 17:45 Uhr ankündigte, dass wir – wenn wir denn wollten – nach der Stunde in den Seegarten kommen sollten, um fliegende Fische, die leider Pech hatten und bei uns an Bord landeten, mit Sehzierbesteck auseinander zu nehmen. Ich ging natürlich hin und kann dem entsprechend nun einen kleinen Bericht über diese abwechslungsreiche Tätigkeit auf der Jonny schreiben: Ich teilte mir einen der beiden Fische mit Amira, wir hatten beide ein Skalpell, eine Pinzette, eine Schere und was noch dazu gehört. Aber zuerst, bevor all das Folgende getätigt wurde, musste der noch „ganze“ Fisch noch einmal mit offenen Flügeln posieren und wurde von einigen Zuschauenden fotografiert. Aber dann ging es wirklich los. Zuerst schnitten wir den Bauch so auf, dass wir ihn aufklappen und uns die Organe schön angucken konnten. Wir entnahmen den Darm, den Magen und die Leber. So machten wir eine ganze Zeit weiter, bis wir alle Teile des Fisches ordentlich nebeneinander auf dem Brettchen liegen hatten. An dem anderen Fisch hatte sich Leo versucht – naja, jemand meinte, bei dem einen Fisch sah das Ganze aus wie bei einer OP und bei dem anderen mehr wie beim Schlachter, aber naja, das ist dann wohl Ansichtssache. Nachdem also alles ordentlich angeguckt wurde und danach wieder aufgeräumt, gab es dann zum Abendessen Schnitzel und nun sitze ich hier und schreibe den Tagesbericht. Einen schönen Gruß vom Atlantik wünscht
Pia 🙂

P.S.: Tessa schickt ihrer Mutter herzliche Glückwünsche zum Geburtstag!!

Krängung

Datum: 29. November 2016, (Tag 53)
Position: 22° 22,9′ N, 028° 42,2′ W
Etmal: 99,5 sm
Wetter: Luft 26°C, 1015 hPa, sonnig, Wind NE 2-3 Bft.
von Jesko

jeskoAuch wenn der Atlantik nicht immer viel Wind bietet, so ist doch immer eine gewisse Dünung vorhanden. Diese kann das Schiff mal mehr, mal weniger stark zum Schaukeln bringen. So passieren bei unterschiedlich ausgeprägter Schiffsneigung (Krängung) verschiedenste Dinge. Fangen wir also klein an:

5° Krängung: Das Gehen fällt leicht, essen bereitet noch keine Schwierigkeiten, im Grunde ist man sich der Schiffsbewegungen nach einiger Eingewöhnungszeit überhaupt nicht mehr bewusst.

10° Krängung: Immer noch recht harmlos, jedoch ist nun beim Essen eine rutschfeste Unterlage unverzichtbar und man beginnt, von den zahlreich im Schiff montierten Griffen Gebrauch zu machen.

15° Krängung: Langsam beginnt der Geräuschpegel zu steigen, Kaffee- und Teekannen klirren in ihren Körben und der ein oder andere Schrei der Verzweiflung dringt aus der Kombüse, denn auch die Backschaft beginnt nun (noch) weniger Spaß zu machen, ist aber noch zu bewältigen, selbst der eine oder andere Kuchen kann noch in den Ofen geschoben werden.

20° Krängung: Nicht nur die Zubereitung der Mahlzeiten, sondern auch das Verspeisen eben dieser, bereitet nun große Schwierigkeiten. Ein nicht besonders rutschfestes Schnitzel auf dem Teller, sowie gefüllte Tassen, das Besteck und nicht zuletzt sich selbst zu sichern und festzuhalten, verlangt höchste Konzentration, schnelles Reaktionsvermögen und ein zusätzliches Paar Hände, weshalb man oft gezwungen ist, Prioritäten zu setzen und den einen oder anderen Gegenstand seinem Schicksal zu überlassen.

25-30° Krängung: Jetzt ist der Spaß vorbei. Teller kippen von den Tischen, sitzt man auf einer nicht fest mit dem Boden verschraubten Bank, begibt man sich schnell auf eine unfreiwillige Reise durch die Messe. Die Backschaft scheint zu diesem Zeitpunkt einem Nervenzusammenbruch nahe und wird nach der Reise zuhause wohl bei jedem Scheppern von Geschirr von Flashbacks geplagt zitternd auf dem Boden liegen. Selbst der Gang auf’s stille Örtchen entwickelt sich nun zu einem nervenaufreibendem Abenteuer. Auf die lebensmüde Idee, bei diesem Seegang im Stehen zu pinkeln kommt eh niemand mehr, doch auch das Hinsetzten bietet nun nicht unbedingt einen Mehrwert an Sicherheit, erleichtert es einem jedoch, sich an den zu beiden Seiten der Toilette angebrachten Griffen festzukrallen.

Schwierig wird jedoch höchstwahrscheinlich auch die Umgewöhnung, haben wir erst wieder festen Boden unter den Füßen. So ist man es inzwischen gewohnt, dass ein Stift, wenn er am anderen Ende des Tisches liegt, nach kurzem Warten selbstständig wieder zu einem zurück kehrt. So sitzt man oft mit ausgestreckter Hand da, bereit, den Stift wieder einzufangen. Dies könnte an Land noch gelegentlich für einige peinliche Momente sorgen. Ebenso befürchtet unser Mathe-, Physik- und Spanischlehrer Manuel, er könne, zurück an seinem alten Arbeitsplatz, nach einer überstandenen Stunde von seinem Platz aufstehen, nach oben greifen, jedoch keinen der erwarteten Handläufe zu fassen bekommen und einfach umkippen. Trotz dieser Risiken freue ich mich jedoch, auf Martinique wieder festen Boden unter den Füßen zu haben und schlafen zu können, ohne mich auf äußerst ungemütliche Weise verrenken zu müssen, um mich in meiner Koje zu verkeilen.
Jesko