Die letzte Nachmittagsbackschaft

Datum: 26. April 2020
Position: 52° 54,6′ N, 004° 18,9′ E
Etmal: 143,5 nm
Wetter: Wind NNW, 0 Bft., Luft 15°, 1017 hpa
von Nina & Maya

Nachdem wir in der Nachtwache nur 9°C hatten waren wir sehr froh, dass wir heute Mittag mit ganzen 12°C geweckt wurden. Wenn man in der 0-4-Wache ist und Nachmittagsbackschaft hat, hat man den Luxus, eine halbe Stunde mehr Zeit zu haben, da die Backschaft erst um 12:30 Uhr anfängt. Und so haben wir es heute genossen, alles ein wenig entspannter angehen zu können. Wir konnten länger liegen bleiben, entspannter essen und heute sogar die Frühlingssonne genießen. Da die Vormittagsbackschaft die Kombüse super sauber hinterlassen hat, war es auch kein Problem, dass wir um 13:00 Uhr ein All-Hands hatten, in dem wir eine Klettereinheit eingelegt haben.

Da am Abend eine Chorprobe stattfinden sollte und wir noch eine zweite Stimme zu dem irischen Segen proben wollten, wurde dann netterweise eine kurze Probe in der Kombüse veranstaltet. Wir haben schon riesiges Gück mit Isa, dass sie für uns zweimal eben so den Probenort ändert und sogar in der Kombüse dazu bereit ist uns Neues beizubringen. Beim Vorbereiten des Kuchens kamen dann immer mehr Leute dazu, dem Geruch von geschmolzener Schokolade konnten scheinbar viele nicht widerstehen. So entstand eine spontane Kombüsenparty, die schon einmal einen Vorgeschmack auf unsere groß geplante, letzte Kombüsenparty im Nord-Ostseekanal gegeben hat.

Nachdem wir den Kuchen ausgegeben hatten und auch die letzten Krümel von den Blechen schnabuliert waren, blieb nur noch Johann bei uns, mit dem wir uns dann in unserer Pause über nächtliche Kombüsenpartys, andere Schiffe und Reisen unterhalten haben. Kurz vor dem Abendessen wirbelten wir dann noch einmal so richtig in der Kombüse herum, um innerhalb einer Dreivirtelstunde noch Schnitzel, Schwertfischfilets und Nudelauflauf zum normalen Abendessen dazu zu zaubern. Wobei uns dankenswerterweise Johann und Uli tatkräftig unterstützt haben, sodass das Abendessen ein voller Erfolg wurde!

Bei lauter Musik ging der Abwasch dann auch fast von selbst und so konnten wir bei den letzten Sonnenstrahlen des Tages dann auch noch unser neu erlerntes Wissen beim Chor einbringen. Jetzt spielen wir noch ein wenig Karten und freuen uns schon darauf, morgen das erste Mal nach so langer Zeit in deutsche Hoheitsgewässer zu fahren und vielleicht sogar unter Segeln die ersten deutschen Inseln zu sehen. Liebe Grüße!
Nina und Maya

Grüße:
Caro grüßt ihre Freude und Familie, und freut sich schon sie am 2. Mai wieder zu sehen!
Fliege grüßt ihre Familie, die Hängematte und besonders ihre Jungs. Hab euch lieb!
Liebe Mami, Lieber Papi! Wir fahren heute Nacht an Bobby vorbei ich grüß ihn von euch! Maya <3
Mika grüßt noch einmal alle daheim (und nicht daheim). Alle, die ihm Briefe geschrieben haben, alle, die an ihn gedacht haben und alle anderen natürlich auch!
Anna grüßt alle daheim, die letzten beiden Mädels von der Tankstelle und das goldene Trio <3

Die letzten Male

Datum: 26. April 2020
von Lara

So, jetzt mal kurz alles stehen und liegen lassen, bitte. Mal kurz den Fernseher stumm schalten, Stift liegen lassen oder Buch zuklappen und zuhören. Folgende Situation fand neulich in Kammer 2 statt: Alle Bewohnerinnen tummelten sich nach dem Mittagessen in der Kammer und unterhielten sich über den hervorragenden Kaiserschmarren und darüber, dass Tamaras und Ilkas Backschaftsklamotten dringend in die Wäsche gehören. Plötzlich, als hätte sie der Blitz getroffen, fuhr Ilka auf, schaute uns entsetzt an und sprach: „Leute, ist euch klar, dass Montag das letzte Mal sein wird, dass wir unsere Wäsche auf der Roald waschen? In einer Woche wasche ich meine Wäsche zuhause.“ Entsetzen durchfuhr die gesamte Kammer 2. Wie recht sie doch hatte. In einer Woche würden sie alle zuhause sein. Ein Ort, den sie in 7 Monaten nicht gesehen haben und der ihnen nun absurd weit weg vorkommt. Zum Greifen nah und doch so weit entfernt.

Und so begann auf der Roald und in der HSHS Schülercrew „die Zeit der letzten Male“.

Wir alle erinnern uns noch an „Die Zeit der ersten Male“. Das erste Mal Backschaft, das erste Mal Rudergehen, das erste Mal ins Rigg aufentern. Es fühlt sich fast wie gestern an, da saß ich selbst in meiner Koje und dachte mir: Das ist also mein Zuhause für das nächste halbe Jahr. Eine unglaublich lange Zeit. Und jetzt sitze ich hier in meiner Koje und muss dieses Zuhause bald wieder verlassen.

Die Zeit der letzten Male ist furchtbar emotional, alle werden nostalgisch und wehmütig. Spätestens, wenn dem letzten auffällt, dass wir uns bald alle voneinander verabschieden müssen (wenn auch nicht für immer), geht das große Heulen los. Man merkt es jetzt schon. Der Abschied liegt schon längst in der Luft. Wir schrieben einander Abschiedstexte in die Poesiealben, die Planungen für den letzten Abend und den Tag des Einlaufens in Kiel laufen.

Und dann geht es los: das letzte Mal Waschtag. Das letzte Mal Backschaft. In ein paar Tagen geht es dann weiter. Das letzte Mal Ankern. Das letzte Mal Segel setzen. Das letzte Mal Segel wieder Bergen und packen. Am schlimmsten sind zweifellos die letzten Tage. Das letzte Mal Wache. Das letzte Mal Ruder und Ausguck gehen. Das letzte Mal alle zusammen Abendessen. Die letzte Nacht in der Koje. Das letzte Mal wecken. Das letzte Frühstück. Das letzte Mal alle in den Arm nehmen. Und dann der letzte Blick auf die Roald, bevor man ins Auto oder in den Zug steigt.

Ich bin mit Sicherheit nicht die einzige, die Angst vor dieser Zeit hat. Einerseits ist es wirklich schön melancholisch auf die letzten Monate zu schauen und dankbar für diese Zeit zu sein. Und natürlich freuen wir uns alle auf unsere Heimat, die Familie und alle Freunde. Jedoch wird es mir sehr schwer fallen die Roald und all die Menschen, die zu ihr und dieser Reise gehören zu verabschieden. Die Menschen, die für mich Familie geworden sind.

Ich meine, wie soll ich bitte zuhause überleben? Wie kommt man nach sieben Monaten 24/7 Zusammenleben mit Menschen mit einem eigenen Zimmer klar? Mit einem Haus, in dem nur drei Menschen wohnen statt 45? Wie verbringt man seine Zeit, wenn man nicht 8 Stunden Wache am Tag geht? Wie geht man mit den eigenen Freunden um, die sich innerhalb eines halben Jahres wahrscheinlich völlig anders entwickelt haben als man selbst? Wie kann man den Menschen zuhause erzählen, was man auf dieser Reise alles erlebt hat? Diese und viele weitere Fragen stelle ich mir und ich bin sicherlich nicht die einzige.

Ich denke, dass einzige was wir tun können ist, die letzten Tage zu genießen. Wir können die Zeit nicht anhalten, aber wir können sie nutzen. Um uns von allen richtig zu verabschieden, so viel mitzumachen wie möglich ist (nach dem Motto Schlaf lässt sich auch nachholen) und so viele Fotos wie möglich zu machen. Und dann haben wir keine andere Wahl als das, was uns nach der Reise erwartet, auf uns zukommen zu lassen. Ich bin schon gespannt!

Ich möchte mich bei allen Schülern bedanken, die mich schon seit Monaten begleiten. Bei allen, die dabei waren, die mit mir um die halbe Welt gesegelt sind, mit denen ich lachen und weinen konnte, die für mich da waren, wenn ich es gebraucht habe und mit denen ich in diesem halben Jahr mehr erlebt habe als in den letzten 16 Jahren meines Lebens. Ihr seid mir alle ans Herz gewachsen und ich kann mir gar nicht vorstellen, dass es bald vorbei ist. Vielen Dank an den Stamm, der uns seid dem Probetörn und seit Eckernförde und Kiel begleitet, an jeden Einzelnen, der mitgefahren ist. Wir haben von euch viel gelernt und ihr habt einen bleibenden Eindruck hinterlassen.

Tut mir leid, dass das jetzt so emotional geworden ist. So ist sie nunmal, die Zeit der letzten Male. Liebe Grüße von der gesamten Crew an Bord an alle, die zuhause auf uns warten. Wir freuen uns auf euch!!!
Lara