Was ich noch sagen wollte

Datum: 25. April 2020
Position: auf See
von Carlotta

Liebe Eltern, Freunde, High Seas High School – Bewerber (wer noch Ideen für sein Motivationsschreiben sucht), Ehemalige und wer sonst noch alles diesen Blog verfolgt und liest, unsere außergewöhnliche Reise, in der wir sechseinhalb Monate 13 (Angabe ohne Gewähr) verschiedene Länder entdeckt und kennengelernt haben und den Atlantik überquert haben, geht zu Ende. Eine unglaubliche Vorstellung, wenn man bedenkt, dass wir diese Reise auf einem Traditionssegelschiff, der Roald Amundsen, erlebt haben. Ein Schiff mit 45 Leuten, die auf 50m zusammenleben… nicht für jeden etwas. Aber hier auf diesem kleinen Fleck, irgendwo mitten im Meer, lernt man so viel, nicht nur über das Leben auf Segelschiffen oder fremde Länder, sondern man lernt auch viel über sich selbst und wird erwachsener.

Zuerst einmal lernt man relativ schnell zu Beginn der Reise Dankbarkeit, spätestens wenn man auf der Royal im Rigg steht oder auf dem Pico del Teide, den höchsten Berg Spaniens, auf 3700 Metern den Sonnenaufgang beobachtet, merkt man, was für eine kranke Reise das hier ist! Aber ich muss sagen, dass ich bis heute nicht realisiert habe, was in den letzten Monaten passiert ist.

HSHS 19/20 auf der Roald Amundsen

Vielleicht haben wir das auch alle viel zu selten gesagt: Wir sind unseren Eltern, Familien und allen, die uns unterstützt haben, dass wir dieses Abendteuer erleben durften, unglaublich dankbar! Ich habe, wie viele andere, vor allem in der Weihnachtszeit gelernt, wie viel Familie bedeutet.

Zum anderen lernt man auch super viel über sich selbst, übernimmt Verantwortung und wird erwachsener. Durch das Kennenlernen von anderen Kulturen, anderen Alltagsabläufen, wie zum Beispiel in Longo Mai, La Gamba oder Kuba, ändert sich ein bisschen auch die Sicht auf Dinge und den Alltag zu Hause. Man merkt, was vielleicht unwichtig geworden ist, aber vor allem auch, welche Kleinigkeiten oder Rituale einem besonders wichtig sind, was man vorher nie gedacht hätte. Dazu gehört nicht nur das Bett oder die Dusche oder irgendwelche bestimmten Lebensmittel ( z.B. Tortellini mit Käse-Sahne-Sauce!!!), sondern auch gemeinsames Mittagessen in der Familie oder Treffen mit Freunden.

Ich habe am Ende der Reise gelernt mich mit meinen Schwächen und Charaktereigenschaften zu akzeptieren. Das klingt jetzt natürlich unglaublich klischeehaft, aber vor allem an Bord lernt man durch all die unterschiedlichen Menschen, die hier auf engsten Raum zusammenleben, andere so akzeptieren, wie sie sind und auch, sich selber zu akzeptieren. Denn hier sind Menschen aus ganz Deutschland, jüngere und ältere Leute und trotz der Unterschiede muss man zusammenarbeiten. Weil wir so eng zusammenleben, ist es logisch, dass es auch mal Streit und Schwierigkeiten gibt. Wir haben aber alle als Gemeinschaft gelernt Probleme zu lösen. Das ist mir besonders bei unserer Gruppe aufgefallen. Zwischenmenschliches wird nicht lang totgeschwiegen, sondern geklärt, denn hier kann man sich ja auch schlecht aus dem Weg gehen. Ich denke, dass ist etwas, dass wir ALLE hieraus mitnehmen und uns auch in Zukunft helfen wird.

Eine andere Sache, die wir hier gelernt haben und hoffentlich auch zu Hause beibehalten und Mutti sich bestimmt drüber freut, ist das Toilettenputzen. Nein, im Ernst: Mithelfen wird selbstverständlich und man denkt viel mehr für alle. Nach einem aufwendigen Abendessen in der Kombüse helfen? Für die meisten etwas Selbstverständliches und beim Rein-Schiff den ekligen Abfluss in der Dusche sauber zu machen, gehört halt auch dazu und die Beschwerden darüber wurden mit der Zeit auch leiser. 😉 Also liebe Eltern, ich verspreche nichts, aber wir helfen bestimmt mehr mit zu Hause als vorher! 🙂

In HSHS-Seglerkreisen…

Das klingt jetzt alles so als wären wir jetzt allwissend was Navigation, aber auch das Leben angeht und zu perfekten Erwachsenen geworden. Das bestimmt nicht, aber vielleicht, wenn auch nur ein kleiner Teil von dem passiert ist, was ich geschrieben habe, dann hat sich die Reise für mich, nicht nur wegen alle der krassen Orte, die man gesehen hat, gelohnt, sondern auch wegen der Dinge, die ich gelernt habe. Denn ich denke auch, dass man hier gemerkt hat, was man selber noch lernen und verändern will, sich selber Ziele setzen konnte und Vorsätze gemacht hat für zu Hause und die Zukunft. Das wohl Wichtigste sind aber auch die Freunde, die man hier gefunden hat. Leute, mit denen man in den sieben Monaten so viel zusammen erlebt hat, dass man eine Bindung fürs Leben hat. Erfahrungen, die man mit keinem Freund zu Hause teilt und niemals vergessen wird.

Deshalb ist es für mich super seltsam daran zu denken, dass ich bald nicht mehr mit diesen Leuten in einer Wache an Deck stehen, in der Kombüse Essen vorbereite, eine kleine Kammer teile oder ihnen jeden Tag irgendwo an Bord begegne. All die Nachmittage und Abende bei Spielen in der Messe oder in der Kammer, die guten und schlechten Erfahrungen und die unglaublichen Erlebnisse an Land werde ich niemals vergessen!

Ich möchte also allen, die jetzt an Bord sind, die an Bord waren und die zu Hause uns unterstützen, danken für die krasseste Reise meines Lebens!
Liebe Grüße Carlodda