Von Leonie

Hallo, ich muss schon sagen, mein Körper war schon so ein bisschen verwirrt, als er gar nicht geweckt wurde. Um kurz nach vier bin ich diese Nacht aufgewacht und niemand war da und niemand kam zum Nachwecken. Ungewohnt irgendwie auch der viele Platz, bis ich mich dann zurückerinnert habe an die schöne Verabschiedung am letzten Donnerstag in Vigo. Das hier ist jetzt also quasi meine letzte Tagesmeldung aber auch schon ohne richtige Tagesmeldung, da ich mich eigentlich nur noch verabschieden möchte und einmal noch schreiben möchte, weil es schon Spaß macht.

Tatsächlich ist es nämlich jetzt so, dass ich die Reise für mich abgebrochen habe, nach vielem hin und her überlegen. In einigen Tagesmeldungen wurde ja vom Fische füttern gesprochen, und leider muss ich sagen, dass ich da eigentlich immer mit von der Partie war, und auch wenn das so ganz nett klingt, so war es leider echt übel und nicht nur ein bisschen Kotzerei. Bereits auf der Etappe Eckernförde-Portsmouth hat mich die Seekrankheit ziemlich erwischt, nur war es eben nicht nur die Affäre mit dem Schanzkleid sondern eine enge und feste Beziehung auf dem besten Weg zur Hochzeit, die ich jetzt um ehrlich zu sein nicht so reizend fand. Ich wurde in der Zeit fantastisch von allen Seiten umsorgt, die Lehrer, die anderen Schüler, auch der Kapitän und mein Topsi, die sich immer wieder Gedanken gemacht haben, was mir fehlt und was mir helfen könnte, nur leider wurde nichts gefunden, und auch alle anderen Tricks haben gar nichts geholfen.

An dieser Stelle möchte ich trotzdem noch einen ganz großen Dank an meine Kammerkameradinnen aussprechen, falls sie das lesen: Ihr wart die fantastischsten Kotzhelferinnen, die ich mir jemals hätte vorstellen können. An Ilka meinen größten Respekt und Dank, weil sie so tapfer immer neben mir gesessen hat, wenns mal wieder hochkam, zu wirklich jeder Zeit, die Haare zurückgehalten hat und auch selbst solidarisch mitgekotzt hat, und sich trotzdem immer wieder neben mich gesetzt hat, und einfach weiter die Treue und den Eimer gehalten hat. Als nächstes natürlich für die psychologische Arbeit gebührt Nina ein großes Dankeschön, und meine Bewunderung, für jedes Mal, dass sie sich an mein Bettchen gesetzt hat und mit mir geredet hat, mich einfach abgelenkt hat und Dinge gesagt hat, die wirklich herausragend und ungewöhnlich sind, für einfach mal so ausgedacht. (Also ich hätte für solche Gedanken länger gebraucht!). Ich empfehle ja ganz dringend, Therapeut oder Seelenklempner zu werden, da sehe ich gar kein Problem! Natürlich darf man auch die Trink- und Ess-Partnerschaft zwischen uns nicht vergessen, die wir eingeführt haben, an der sich auch Fenja beteiligt hat und mir immer meine Semmel mit Butter gebracht hat, und zwar egal wann ich gefragt habe, meine Flasche wieder aufgefüllt haben und mich auch immer freundlichst ans Trinken erinnert haben ☺ , auch wenn einfach alles wieder hochgekommen ist und es somit auch nur so halbseiden funktioniert hat. Ihr habt es trotzdem gemacht, und dafür musste ich mich einfach nochmal ganz dicke bedanken!

Ebenfalls noch an alle der Dank für die wirklich schöne Verabschiedung nach dem Abendessen. Auch wenn ich nicht weinen wollte musste ich natürlich wieder genau das die ganze Zeit, aber eure Ade und Lebe wohl-Einlage war so wunderschön und dass so viele nochmal da waren und sich einzeln verabschiedet haben. Vielen Dank dafür.

Tja, und jetzt ist mein Abenteuer schon so frühzeitig beendet, ich bin zuhause und ich erinnere mich an euch und vermisse all das Schöne auf der Roald und was sie so mit sich bringt jetzt schon (außer das Geschaukel, aber das ist klar). Wenn man sich dann auch denkt, dass ich verrückt sein muss, jetzt schon ausgestiegen zu sein, man vielleicht meine anderen Tagesmeldungen gelesen hat und meint, dass doch alles recht gut klingt, auch mit mir – ich habe nun mal die schönen, leider wenigen Tage für mich genutzt, an denen sogar ich mich mal an Deck hatte blicken lassen können, weil ich nicht über dem Eimer gehangen bin und nicht mit Bauchweh, Kopfweh oder sonst etwas im Bett gelegen bin, um meine Tagesmeldungen zu schreiben, da niemand die Tagesmeldungen aus der Koje lesen möchte, an denen ich vielleicht die Rettungswesten beschrieben hätte, die über mir gehangen sind. Ihr habt mich also an den schönen Tagen gelesen, und das ist gut so.

Jetzt hoffe ich, schnell in mein Leben zu finden, alle die mich gerade losgeworden sind wieder mit meiner Anwesenheit zu beglücken und euch auf der Reise eben von hier aus zu begleiten. Schreibt schöne Tagesmeldungen und macht schön viele Fotos! Ich wünsche allen eine grandiose Reise- und das wird sie werden- viele krasse Erfahrungen und andere Einblicke, unvergessliche Momente und viel Neues, mit dem ihr lernen könnt umzugehen.
Eure Leo


Neu auf dem HSHS-Blog:

HSHS-Bildergalerie No 1: Von Kiel nach Teneriffa

Wo befindet sich die „Roald Amundsen“?

Verfolgt die Position der HSHS über den AIS-Internet Service von „Vesselfinder“. Dieser Link wird  ab sofort im Seitenmenue angezeigt. Wenn das Schiff sich außerhalb der AIS-Ortung befindet kann es sein, dass das Schiff nicht angezeigt wird!

Sextantenunterricht

Datum: 23. Oktober 2019
Position: 50 sm westlich von Brest, 48°22.5″ N, 005° 44.0″ W
Etmal: 160 nm
Wetter: Luft 15 °C, 1014 hpa, Wind SE, 2 Bft., Bed. 1/8
von Leonie

Also. Normalerweise bin ich ja verhältnismäßig eher spät auf den Beinen, so ungefähr um halb zwölf, weil es da nämlich Mittagessen für meine 0-4 Wache gibt. Allerdings hatte unser Topsi in der Nacht die Idee, statt Frontalunterricht seinerseits, Referate unsererseits durchführen zu lassen. Und noch dazu hat unser hochmotivierter Steuermann Mike nach der wunderschönen Sternenkunde mitten in der Nacht, während der wir alle mit unserer Kopf-auf-Bauch-Methode an Deck lagen, angeboten, Sextantenunterricht in der Früh vor unserer Wache um 10:30 zu geben. Auch wenn ich gestern dem Thema, über das das erste Referat gehen soll, aus Backschaftsgünden nicht beiwohnen konnte, meldete ich mich freiwillig für eben jenes Referat da mein Vater mir oft genug erklärt hat, bis ich mal gepeilt hatte, wie recht er damit hat, dass es superduperklug ist, gleich das allererste Referat zu nehmen, komme was da wolle, denn ab da kann man sich für den Rest der Zeit entspannen und den anderen Feedback geben. Und beim ersten Referat bekommt man meistens noch einen kleinen Bonus, eben weil es das erste ist.

Und deshalb war ich heute schon um halb zehn auf, hab mich angezogen, was in einer völlig dunklen Kammer total schwierig ist, vor allem, wenn es schaukelt und man die Kammermitbewohner nicht durch Licht sondern durch lautes Fluchen und Hin-und Hergestolper weckt. Nicht cool. Gar nicht cool. Maya und ich haben uns halt so richtig viel Mühe gegeben, sind sogar zu spät zum Sextantenunterricht gekommen, weshalb ich auch eher bescheiden abgeschnitten und erst mal gar nichts gesehen habe, aber nachdem man mir dieses einfach unglaublich cool aussehende Gerät gradgenau eingestellt, meine Sehstärke ebenfalls und meinen Blick in die richtige Richtung gelenkt hat, habe ich es auch gerafft, worum es geht und habe die „Sonne auf den Horizont setzen können“, was halt echt ohne das Gerät einmal gesehen zu haben richtig seltsam klingt.

Nach einem Mittagessen, für das ich gestern kübelweise Kartoffeln geschält habe, und was ich dann auch nur so halb gegessen habe, wegen Übervorrat an Paprika in dem Gemüse kam dann erneut, wie täglich grüßt das Murmeltier, der Wachwechsel. Und schon bei der Ansprache des vorherigen Toppsis schwante uns Übles. Er sprach nämlich von Segeln die sie geborgen und gesetzt haben und das 16-mal, was ja eigentlich gar nicht geht, weil die Segel dafür fehlen. Und kaum haben wir den Wachwechsel beendet und die Wache gestartet bereitete unser Toppsi uns schon mal vor, indem er uns erklärte, dass es wichtig sei zu wissen, wie man Segel setzt und birgt. Und dann haben wir Trainees übungsweise unter Anleitung unseres Toppsis, geborgen, gesetzt, geborgen und immer so weiter. Ich hatte die Großroyal und war erst mal ziemlich aufgeschmissen, aber es war gar nicht mal so schwer! Auch wenn ich möglicherweise ein paar Befehle hätte unter den Tisch fallen lassen, wäre da nicht mein Freund und Helfer der Toppsgast gewesen.

Gottseidank wurde uns dann mitgeteilt, dass der Navigationsunterricht des Kapitäns heute statt um 17:00 Uhr schon um 14:30 Uhr stattfindet, und somit mussten wir leider Gottes unsere Segel-Session beenden und uns in die Messe quetschen. Der Unterricht war dann so nach dem Motto: INPUT! INPUT! INPUT! INPUT! Danach waren wir eher so ziemlich überrollt, aber so eine grobe Vorstellung wächst in uns wie man den Standpunkt ermittelt und wie ein GPS funktioniert. Das ist halt schon echt cool mit so einer Stunde Unterricht am Tag. Um dem Tag noch mehr Sinn zu verleihen, kam dann der Auftrag des Kammerputzens, also Messing, Boden, Wände, Decke, alles piccobello sauber zu machen. Ein Freiwilliger pro Wache, was ich halt leider nicht war, weil ich noch Wache hatte und Proviantierungsgespräch für Interessierte hatte und diesen Blogbeitrag schreiben wollte, – ich mach´s dann nächste Woche. (Das war ein Aufgestöhne, als der Kapitän meinte, ja das wird ab jetzt wöchentlich stattfinden! Halleluja!)

So, und jetzt sitze ich in der Messe, nachdem ich fälschlicherweise schon eine Tagesmeldung für gestern angefangen habe und schreibe auf dieser echt seltsamen Tastatur, bei der ich jedes zweite Wort korrigieren muss. Aber ich mach“s ja gern, deshalb ist das überhaupt nicht schlimm. Also denne, jetzt grüßen noch die Ah und Oh-Rufe von oben, und künden die Delfine an, weswegen ich jetzt dann auch mal los muss.
Leo

P.S.: Liebe Grüße gehen raus an die Zepfs, viele Grüße auch an die Katzen und Omas und an Opa und Onkel und an alle Freunde, an Linda, an Lisa, an Adrian und Katharina und jetzt muss ich wirklich los.

P.P.S.: Die heutigen Weisheiten der Wache 1:
– Die halbe griechische Mythologie ist am Sternenhimmel 😉
– Alleine Schokolade essen macht dick!
– Schade Schokolade und
– Manometer Struwelpeter!