Ein ganz normaler Sonntag, oder?

Datum: 20. März 2018
Position: 37°05,7’N, 037°55,6’W
Etmal: 160 NM
Wetter: Wasser 17°C, Luft 19°C, Windstärke 7
von Will

Zu Hause stellt man sich einen Sonntag seht entspannt vor: Lange ausschlafen, schön frühstücken, nicht zur Arbeit oder zur Schule müssen, evtl. gehen manche in die Kirche oder machen einfach gar nichts. Hier auf der Roald sind wir bzw. der Kapitän die „Herrscher über unsere Zeit“. Der Kapitän kann die Bordzeit, aber auch das Datum, dass an Bord gilt, zum Teil selbst bestimmen. Er könnte zum Beispiel anordnen, dass es an Bord 12:00 Uhr mittags ist, obwohl man draußen die Hand vor den Augen kaum sehen kann. Das würde er zwar niemals machen, da das kompletter Unsinn wäre, aber er könnte es. Natürlich ist es klüger, die Bordzeit der regionalen Uhrzeit und dem richtigen Datum anzupassen. Das passiert in der Regel auch so.

Nur heute nicht. Heute ist für uns Sonntag, obwohl eigentlich Dienstag ist. Da wir am eigentlichen Sonntag Unterricht gemacht haben, holten wir unseren „freien Tag“ heute nach. Frei? Naja, nicht ganz!

Mein „freier Sonntag“ begann um 03:30 Uhr. Ich hatte Wache, denn auf Schiffen muss (natürlich) rund um die Uhr Wache gegangen werden, auch an einem „freien Tag“. An diesen Tagen besteht aber die Besonderheit, dass wir in ganzen Wachen fahren. Das heißt, dass die Wachen nicht unterteilt werden in fünf Leute, die Schule haben, und fünf Leute, die Wache gehen. Als meine Wache nach einem weiteren schönen Sonnenaufgang, wie wir ihn fast jedes Mal in der 4-8-Wache zu sehen bekommen, zu Ende ging, beeilte ich mich, um zum Frühstück zu kommen, da es Pfannkuchen gab (wie jeden „Sonntag“) und man sehr hungrig sein kann, wenn man seit 04:00 Uhr wach ist und nichts gegessen hat. Die Backschaft hatte sehr viele Pfannkuchen gemacht und jeder konnte sich nur so daran satt essen, was nicht oft der Fall ist.

Nachdem ich meinen Magen beruhigt hatte, fand ein Kurs zur Rettung verletzter Personen aus dem Rigg statt. Wir riggten das Joltau (Tau, dass von Deck zur Mastspitze und wieder zurück an Deck führt und zum Retten von Personen aus dem Rigg dient) und lernten, wie der Retter die (verletzte) Person sichert und hält, während sie abgeseilt wird. Außerdem zeigte Vera uns, wie man einen Stiffneck anlegt. Nach dem Mittagessen kam dann das große „Highlight des Tages“ auf uns zu: Die Politikarbeit. Damit waren wir dann aber auch relativ schnell durch und konnten uns bis 16:00 Uhr unserer Freizeit widmen. Bei dem All-Hands um 16:00 Uhr wurde uns noch einmal erklärt, wie wir uns im Brandfall zu verhalten haben. Außerdem war eine Feuerübung innerhalb der nächsten Stunden angekündigt. Bei der Feuerübung wurde ein vorher durch den Kapitän festgelegtes Szenario durchgespielt. Das Szenario sah einen imaginären Brand am Trockner vor. Als der Generalalarm ertönte, kamen alle ganz schnell mit den Rettungswesten an Deck und stellten sich in den Wachen auf, um die Vollzähligkeit festzustellen. Schnell stand fest, dass Tom B. fehlte. (An seine Eltern: keine Angst, er hatte die Rolle des „Übungsverletzten“ ;), das gehört zum Szenario dazu.) Als die Einsatztruppe, mit Ausrüstung, Tom B. gerettet und das Feuer gelöscht hatte, war die Übung zu Ende. Abends schauten wir noch zusammen den Film „Into The Wild“ an, mit dem zumindest auch auf der Roald ein „alltäglicher Sonntag“ zu Ende ging.
Will

P.S.:
Ich grüße alle zu Hause und freue mich darauf, euch bald wiederzusehen 😉

Für euch

Datum: 19. März 2018
Position: 36°27,1’N, 041°07,5’W
Etmal: 166 NM
Wetter: Wasser 19°C, Luft 20°C, Windstärke 5
von Lydia

Wichtig, ziemlich wichtig… ich glaube den meisten von uns ist gar nicht klar, WIE wichtig. Wahrscheinlich weil sie für uns nicht SO wichtig ist. Für uns ist sie oft eher nervig, aber für euch, für euch ist sie wichtig. Vielleicht nicht für alle, aber für die meisten. Wenn man daran denkt, was sie für euch bedeutet (oder bedeuten kann), wird einem klar, dass sie eine verantwortungsvolle Aufgabe hat. Sie klärt, informiert, fragen, sie beruhigt, sie lässt euch wissen, dass es allen gut geht und was wir machen, was uns passiert, was auf dem Schiff los ist. Wir schreiben sie, ihr lest sie. Ich schreibe sie in meinem „Jetzt“, du liest sie in deinem. Sie verbindet uns, eher einseitig, aber die Verbindung ist da. Sie ist nicht immer persönlich, versucht eher sachlich zu bleiben. Das ist auch gut so, es ist auch gut, dass sie nicht immer alles erzählen kann. Manche Dinge würden falsch beim Leser, der die beschriebenen Situationen selbst nicht erlebt hat und somit nicht gänzlich einschätzen kann, ankommen. Sie kann nämlich auf ihrem begrenzten Raum nicht immer alles erklären, manche Dinge würden euch vielleicht völlig unnötig ein bisschen beunruhigen, andere will sie nicht erzählen.

Das Wichtige erzählt sie euch aber, da könnt ihr euch auf sie verlassen, ihr vertrauen! Ihr könnt ihr immer vertrauen, sie ist schließlich nur für euch da. Sie will, dass es euch gut geht! Sie will sichergehen, dass ihr informiert seid, aber euch keine Sorgen macht. Deshalb ist sie manchmal vorsichtig. Manchmal will sie Sachen erzählen, die sie nicht sollte. Private Sachen. Zu privat für eine so breite Öffentlichkeit. Dann fragt Katharina sie liebevoll, ob sie nicht noch einmal überlegen möchte, ob sie das wirklich erzählen, preisgeben will. Ob es für alle (Autor wie Leser) gut ist, wenn sie es erzählt. Ob ihr das (so formuliert) nicht vielleicht falsch verstehen könntet. Denn das ist das Gefährliche: Wenn sie etwas erzählt hat, ist es draußen. Dann gibt es kein „Zurück“.

Und es können Missverständnisse entstehen (Sender-Empfänger-Problematik). Das will sie nicht! Das wollen wir nicht! Sie erzählt viel. Sie erzählt gerne. Sie erzählt täglich. Manchmal erzählt sie von Stürmen, von Abenteuer, von fremden Ländern. Manchmal erzählt sie von kleinen Momenten, von Sonnenaufgängen im Rigg, von Träumen, Gedanken und Wünschen. Manchmal wiederholt sie sich, erzählt Sachen, die ihr schon wisst, schon einmal gelesen habt. Das müsst ihr verstehen, denn manchmal gibt es nicht viel zu erzählen. Manchmal erzählt sie dann von anderen Dingen, nicht vom Tag selbst. So wie heute. Heute gab es nicht viel zu erzählen. Heute erzählt sie einmal von sich selbst.
Ly

P.S.:
1. Liebe geht raus an alle zuhause! 😉 (Ly)
2. Hey Carlton, happy birthday my love, but I´m straight. Kisses harry
3. Karo grüßt L.
4. Liebste Grüße an C auf T von J nahe Horta und an J und S in S