STS Roald Amundsen und HMS Victory im Vergleich

Datum: 14. April 2018
Position: 50°47,5’N, 001°06,9’W
Etmal: 17 NM
Wetter: Wasser 9°C, Luft 14°C, Windstärke 1
von Will

An diesem speziellen vorletzten Samstag für uns auf High Seas gingen wir alle zusammen in das „Portsmouth Historic Dockyard“ Museum. Dort besichtigten wir die HMS VICTORY. Sie wurde von 1759 – 1765 gebaut und ist das älteste im Marinedienst befindliche Schiff. Sie erlangte in der Seeschlacht von Trafalgar als Flaggschiff des Vizeadmirals Horatio Nelson Berühmtheit. Heute dient sie hier in Portsmouth als Museumsschiff. Im Gegensatz zur Victory wirkt die Roald wie eine kleine Nussschale. Obwohl sie „nur“ 20 Meter länger (69,3m) als die Roald ist, hat sie sechs Decks und ihre Besatzung war 850 Mann stark. Auf der Roald fahren bis zu 48 Leute die Törns. Die Victory ist ein Drei-Master Linienschiff mit Fregatte-Takelung und die Roald eine Brigg mit zwei Masten. Ich dachte, dass die 850 Quadratmeter Segelfläche der Roald groß seien, aber die Victory hat 5400 Quadratmeter Segelfläche und ihre Masten (leider hat sie momentan keine Stengen und Rahen) sind 2-3 Mal so dick und hoch wie unsere. Ihr Rumpf ist komplett aus Holz, nur das Unterwasserschiff (Teil des Rumpfs unter Wasser) ist mit Kupferplatten verstärkt. Beeindruckt hat mich, dass es auf dem ganzen Schiff kein Drahttauwerk gab und selbst das Ankertau, dicker als ein Oberschenkel, aus Naturtauwerk war.

Ich fühle mich aber auf der Roald wohler, allein deswegen schon, weil die Decks nicht nur für 1,70 Meter große Menschen ausgelegt sind und ich schon von dem Rundgang durch die Victory Rückenschmerzen bekam, da man sich nur sehr selten aufrecht hinstellen konnte. Außerdem ist man manchmal ja schon auf der Roald von den „paar“ Leuten überfordert und braucht seine Ruhe – wie ist das dann, wenn man keine Kammern hat, sondern nur offene Decks, auf denen 100 oder mehr Menschen schlafen? Auf den zahlreichen Decks hätte man sich wahrscheinlich auch erst verlaufen. Auf der Victory gab es natürlich keine Maschine, keine Generatoren und folglich auch keine Kühllast. Ich glaube, letzteres finde ich am schlimmsten, da es tägliches Obst und Gemüse sowie andere alltägliche Dinge, wie zum Beispiel elektrisches Licht, nicht gegeben hat. Die Seefahrt ist doch deutlich komfortabler geworden.

Ich werde die Zeit hier, die Gemeinschaft, aber auch das Bordleben vermissen, doch im Moment ist die Freude auf zu Hause doch noch größer.
Will

P.S.: LG von A. an L.

Ein ganz normaler Sonntag, oder?

Datum: 20. März 2018
Position: 37°05,7’N, 037°55,6’W
Etmal: 160 NM
Wetter: Wasser 17°C, Luft 19°C, Windstärke 7
von Will

Zu Hause stellt man sich einen Sonntag seht entspannt vor: Lange ausschlafen, schön frühstücken, nicht zur Arbeit oder zur Schule müssen, evtl. gehen manche in die Kirche oder machen einfach gar nichts. Hier auf der Roald sind wir bzw. der Kapitän die „Herrscher über unsere Zeit“. Der Kapitän kann die Bordzeit, aber auch das Datum, dass an Bord gilt, zum Teil selbst bestimmen. Er könnte zum Beispiel anordnen, dass es an Bord 12:00 Uhr mittags ist, obwohl man draußen die Hand vor den Augen kaum sehen kann. Das würde er zwar niemals machen, da das kompletter Unsinn wäre, aber er könnte es. Natürlich ist es klüger, die Bordzeit der regionalen Uhrzeit und dem richtigen Datum anzupassen. Das passiert in der Regel auch so.

Nur heute nicht. Heute ist für uns Sonntag, obwohl eigentlich Dienstag ist. Da wir am eigentlichen Sonntag Unterricht gemacht haben, holten wir unseren „freien Tag“ heute nach. Frei? Naja, nicht ganz!

Mein „freier Sonntag“ begann um 03:30 Uhr. Ich hatte Wache, denn auf Schiffen muss (natürlich) rund um die Uhr Wache gegangen werden, auch an einem „freien Tag“. An diesen Tagen besteht aber die Besonderheit, dass wir in ganzen Wachen fahren. Das heißt, dass die Wachen nicht unterteilt werden in fünf Leute, die Schule haben, und fünf Leute, die Wache gehen. Als meine Wache nach einem weiteren schönen Sonnenaufgang, wie wir ihn fast jedes Mal in der 4-8-Wache zu sehen bekommen, zu Ende ging, beeilte ich mich, um zum Frühstück zu kommen, da es Pfannkuchen gab (wie jeden „Sonntag“) und man sehr hungrig sein kann, wenn man seit 04:00 Uhr wach ist und nichts gegessen hat. Die Backschaft hatte sehr viele Pfannkuchen gemacht und jeder konnte sich nur so daran satt essen, was nicht oft der Fall ist.

Nachdem ich meinen Magen beruhigt hatte, fand ein Kurs zur Rettung verletzter Personen aus dem Rigg statt. Wir riggten das Joltau (Tau, dass von Deck zur Mastspitze und wieder zurück an Deck führt und zum Retten von Personen aus dem Rigg dient) und lernten, wie der Retter die (verletzte) Person sichert und hält, während sie abgeseilt wird. Außerdem zeigte Vera uns, wie man einen Stiffneck anlegt. Nach dem Mittagessen kam dann das große „Highlight des Tages“ auf uns zu: Die Politikarbeit. Damit waren wir dann aber auch relativ schnell durch und konnten uns bis 16:00 Uhr unserer Freizeit widmen. Bei dem All-Hands um 16:00 Uhr wurde uns noch einmal erklärt, wie wir uns im Brandfall zu verhalten haben. Außerdem war eine Feuerübung innerhalb der nächsten Stunden angekündigt. Bei der Feuerübung wurde ein vorher durch den Kapitän festgelegtes Szenario durchgespielt. Das Szenario sah einen imaginären Brand am Trockner vor. Als der Generalalarm ertönte, kamen alle ganz schnell mit den Rettungswesten an Deck und stellten sich in den Wachen auf, um die Vollzähligkeit festzustellen. Schnell stand fest, dass Tom B. fehlte. (An seine Eltern: keine Angst, er hatte die Rolle des „Übungsverletzten“ ;), das gehört zum Szenario dazu.) Als die Einsatztruppe, mit Ausrüstung, Tom B. gerettet und das Feuer gelöscht hatte, war die Übung zu Ende. Abends schauten wir noch zusammen den Film „Into The Wild“ an, mit dem zumindest auch auf der Roald ein „alltäglicher Sonntag“ zu Ende ging.
Will

P.S.:
Ich grüße alle zu Hause und freue mich darauf, euch bald wiederzusehen 😉