Wende um Wende

Datum: 8. April 2018
Position: 49°47,9’N, 005°32,3’W
Etmal: 92 NM
Wetter: Wasser 11°C, Luft 13°C, Windstärke 3
von Anouk

„Aufstehen! Es ist 07:00 Uhr, in einer halben Stunde gibt es Frühstück. Um 08:30 Uhr ist ein All-Hands. Es sind 9°C und es regnet leicht.“ Dieser Satz klingt doch schon einmal nach einem vielversprechenden Tag. Als wir dann alle zum All-Hands mit Ölzeug an Deck standen (die Wache 1 hat definitiv das bunteste Ölzeug), kam der Kapitän, hat uns einen „Guten-Morgen“ gewünscht und uns den restlichen Ablauf des Tages erklärt. Wir würden heute 7-8 Wenden (Kursänderung mit Bug (vorne) durch den Wind) fahren, erst der Stamm als Steuermann/ Toppsi, später dann wir. Außerdem soll es noch ein „Special“ geben, nämlich: dass wir eine Wende fahren, ohne zu sprechen. Das hörte sich nach einem auf jeden Fall anstrengenden, aber auch interessanten Tag an! Als erstes wurden alle Segel gesetzt, insbesondere das Briggsegel, das für eine Wende auf der Roald sehr hilfreich, wenn nicht gar nötig ist.

Im Anschluss hat Stefan (3. Steuermann) noch einmal den Ablauf erklärt und dann sind wir die erste Wende des Tages gefahren. Es sollten noch viele folgen… „Klar zur Wende! 1. Wache Vortopp, 2. Wache Großtopp und Großstengestag, 3. Wache Vorsegel und Briggsegel.“ Auf das Kommando „Ree“ passierten mehrere Dinge gleichzeitig. Der Großtopp wurde hart angebrasst, um achtern mehr Druck zu schaffen, das Briggsegel wurde nach Luv (Seite, wo der Wind herkommt) geholt, das Ruder wurde hart backbord gelegt, Groß und Fock wurden aufgegeit. Großstengestag bergen, danach schnell hintereinander die Vorsegel. Dann Groß- und schließlich den Vortopp brassen, alles wieder setzen und auf Gegenkurs gehen. Ganz schön viel zu tun und zu merken, doch die erste Wende war geglückt! Die 2. Wende sollte Jörg als Steuermann fahren mit Rosa als kleinen Schatten, die sich das angucken sollte. Als Toppsis waren Vroni, Theo M. und ich als die ersten Schüler eingeteilt. Erstaunlicherweise hat auch diesmal (beinahe) alles geklappt!

So sind wir dann noch 2 Wenden vor dem Mittagessen gefahren, das wir uns dann auch verdient hatten! Nach der kleinen Pause und dem Aufwärmen ging es direkt weiter. Nun hieß es, wir würden noch weitere 8 Wenden fahren, damit jeder einmal die Chance bekommt. Der Kapitän würde die letzte dann mit dem „Special“ fahren. Allen war ein wenig kalt und die Motivation sank auch schon ein wenig, dann aber nach ein paar Wenden: „Take 10“ (10 Minuten Pause) und der sich anschließenden Kaffeepause um 15:30 Uhr ging es dann super weiter. Vor allem die stumme Wende vom Kapitän sollte nicht unerwähnt bleiben. War echt cool dabei zu sein, wie selbstständig wir mittlerweile alle Manöver fahren können! Ich kann mir gut vorstellen, wie gespenstisch das aussah, vor allem mit diesem dichten Nebel. Am Abend haben wir dann Kurs auf Portland gemacht und sind vor der Küste vor Anker gegangen. Weil aber alle nach diesem Tag ziemlich fertig waren, sind wir schnell ins Bett gegangen, morgen geht“s dann nach Weymouth, dem letzten Stopp unseres Törns…
Anouk

P.S.: Ich grüße einfach alle und freue mich mega, euch am nächsten Wochenende zu sehen! <3

Die uns noch verbleibende Zeit

Datum: 11. März 2018
Position: 31°18,0’N, 064°34,3’W
Etmal: 153 NM
Wetter: Wasser 20°C, Luft 22°C, Windstärke 3
von Anouk

Ich liege in meiner Koje, versuche nicht herauszufallen und schreibe an dieser Tagesmeldung. Hatte ich meine letzte nicht gerade erst geschrieben? Die Zeit vergeht so schnell. Zeit ist etwas, dass wir alle nicht mehr viel auf der Roald haben. Es verbleiben noch etwa 40 Tage. Das sind 960 Stunden. Wenn man davon die 7-8 Stunden täglichen Schlaf (mal mehr, mal weniger) abzieht, bleiben uns noch 660 Stunden. Die Backschaft (etwa alle 4 Tage, 4 Stunden) mit 40 Stunden, bleiben noch 620 Stunden. Nach den täglichen 8 Stunden Wache bleiben uns noch 300 Stunden. Das Reinschiff kostet 20 Stunden, bleiben noch 280 Stunden. Die Mahlzeiten „verschlingen“ 60 Stunden und es verbleiben bloß nur noch 220 Stunden. Außerdem wird jetzt auch wieder Stück für Stück die Zeit vorgestellt. Heute das erste Mal, das heißt, wir haben etwa ein Drittel der Strecke bis zu den Azoren hinter uns gebracht.

Im Endeffekt bleiben uns noch 9 Tage für uns. Zum Reden, Spielen, Beisammensein. Das ist verdammt wenig! Zu wenig, wenn man bedenkt, wie schnell die letzten 4,5 Monate umgegangen sind. Zu wenig, wenn man bedenkt, dass man zwar alle anderen wiedersehen wird, aber nicht jeden Morgen beim Frühstück, beim Putzen der Toiletten, beim Wachegehen und so weiter. Es ist nicht so, dass wir nicht nach Hause wollen. Definitiv nicht! Aber wenn ich daran denke, bald zu Hause zu sein, auf einer Schule, bei der man seine Sachen nicht festhalten muss (ich habe mich letztens wirklich für eine Sekunde gefragt, wieso die Sachen in meinem Fach keine Rutschmatten haben und habe mir daraufhin vorgestellt, wie meine Mitschüler wohl reagieren würden, wenn ich so eine einrichten würde), in einem Zimmer zu wohnen, in dem es nicht 24/7 schaukelt, ein Bett ohne Leebrett zu haben, etc.

Es wird komisch sein, anders, vielleicht für eine Zeit lang wieder neu. Aber es ist auch eben das zu Hause und ich weiß, wie viele von uns ihren Eltern schon ihre genauen Vorstellungen geschildert haben, wie es bei der Ankunft sein soll. Die einen wollen Butterbrezen aus Bayern, die anderen wollen Lasagne zum Abendessen aus der eigenen Küche. Manche möchten ganz entspannt den Tag/Abend mit der engsten Familie verbringen und sich vielleicht noch mit Freunden treffen und wieder andere fänden es auch nicht schlimm, direkt alle auf einmal zu sehen.

So macht sich auf jeden Fall schon jeder seine eigenen Vorstellungen über sein eigenes zu Hause. Dabei muss ich schon zugeben, spielen die Mahlzeiten wirklich eine große Rolle! Aber es herrscht keine schlechte Stimmung deswegen. Es wird gesagt, dass sind die 40 Tage, die wir noch haben, und wir machen uns jetzt das Beste daraus – trotz des kälteren Wetters, des mehr werdenden Windes und Regens. Da ich nun mal wieder 7 Stunden zum Schlafen „vergeuden“ werde (es kam schon der Vorschlag auf, ab jetzt nicht mehr zu schlafen, aber wir mussten uns dann fragen, wie lange wir das überleben würden), mache ich hier Schluss. Ich freue mich auf euch!
Anouk

P.S.:
1. Ich grüße meine Großeltern ganz lieb – und freue mich schon auf die Spielabende mit euch. Greetings to my Bestie – ich glaub deine Zeit verfliegt genau so schnell wie meine. <3 (Laurine)
2. Mein Handy packt das nicht mehr, vielleicht wird“s in HH wieder was. Brauche aber keins auf die Azoren, da kann ich mir auch mal kurz eins leihen! Können wir dann klären… mir geht“s nach wie vor, mehr oder weniger supi, aber auf jeden Fall gut. 🙂 (Anouk)