Aus dem Tagebuch der Klabauterelfe

Datum: 23. Dezember 2017
Position: 14°31,6’N, 062°18,8’W
Etmal: 77 NM
Wetter: Wasser 27°C, Luft 28°C, Windstärke 4
von Heike

Aus dem „Lexikon der erklärungsbedürftigen Wunder, Daseinsformen und Phänomene Zamoniens und Umgebung“ von Prof. Abdul Nachtigaller.
Klabauterelfe: Weihnachtswichtel mit Spezialausbildung im Sondereinsatz auf fahrenden Segelschiffen. Gehört zur Untergruppe der Klabautermänner. Sie lösen diese (-> Klabautermann) während der Weihnachtszeit als Urlaubsvertretung ab und unterstützen die Crew auf Segelschiffen bei der Schaffung eines weihnachtlichen Ambientes. Natürlich bleiben sie dabei meist fast unbemerkt und nur Wenige haben sie jemals zu Gesicht bekommen.

Samstag 23.12.2017, an Bord des Segelschulungsschiffs Roald Amundsen: Puh – was habe ich für ein Glück! Gleich meine erste Weihnachtsentsendung als Klabauterelfe führt mich auf eine ganz besondere Mission. Hat sich doch gelohnt die Zusatzausbildung am Nordpol abzuschließen. Als Klassenbeste meines Jahrgangs wurde ich auf die Roald Amundsen geschickt, um dort – möglichst unbemerkt – auch in der Karibik für festlich, weihnachtliche Stimmung zu sorgen. Mein Banknachbar hingegen ist im Fährdienst nach Spiekeroog eingesetzt – und da ist es aktuell wesentlich kälter als hier.

Ich bin bereits vor einigen Tagen im Gepäck eines anreisenden Stammcrewmitgliedes nach Martinique angereist, um direkt an Bord gebracht zu werden. Da an Bord noch einige Vorbereitungen für die nächste Etappe nach Panama zu treffen waren, hatte ich die Gelegenheit mich mit dem ständigen Klabautermann der Roald zu treffen und sogar mit den Klabauterelfen der Schiffe, die ebenfalls im Hafen lagen. Die machen das schon ein paar Jahre länger und konnten mir wertvolle Tipps mitgeben. Am Freitag Nachmittag ging es auch schon los und nach einem beeindruckendem Ableger (so was habe ich ja noch nie zuvor gesehen) wurden auch schon die beiden Weihnachtsbäume geschmückt. Das sind sehr modern wirkende Weihnachtsbäume – alle Achtung! Ca. 30 Meter hoch und fest auf dem Deck installiert bestehen sie aus einem Holz-Stahl-Grundgerüst. Zwischen die Äste, die hier Rahen genannt werden, spannt man mit einer ausgeklügelten Seilkonstruktion weiße Tücher. Der Lichterschmuck für die Dunkelheit ist minimalistisch, aber beeindruckend, mit nur wenigen grünen und roten Lichtern und ganz viel Mondlicht, dass die Flächen wie von innen magisch beleuchtet. Dazu noch ein paar Sterne statt Lametta – fertig! Nadelt bestimmt auch weniger als ein herkömmlicher Weihnachtsbaum.

Wie sich das Schiff fortbewegt und welche Aufgaben die einzelnen Menschen haben, habe ich noch nicht ganz verstanden, aber es scheint alles bestens zu funktionieren. Die Menschen hier sind fröhlich, fleißig und irgendwie ist immer jemand da. Das macht mir das Leben als Klabauterelfe, die ja ungesehen bleiben soll, schon sehr schwer. Zum Glück habe ich jetzt das Belüftungssystem entdeckt, durch das ich weite Strecken im Schiff unbemerkt von allen zurücklegen kann. Wenn nur das Schaukeln nicht wäre, na, ich hoffe ich gewöhne mich da noch dran. Im Schiffssimulator am Nordpol waren die Wellen irgendwie anders.

Aber abgesehen davon ist meine Aufgabe hier denkbar einfach, denn die Menschen hier schaffen das schon selbst mit der guten Weihnachtsstimmung. Geschenke werden verpackt, es wird weihnachtlich dekoriert, mindestens alle 4 Stunden schallen Weihnachtslieder über das Deck, Plätzchen sind schon gebacken – da muss ich gar nicht mehr viel tun. Ich glaube die machen auch ein richtig leckeres Essen für den Heilig Abend, es riecht schon nach Zimt und anderen Gewürzen. Ob sie die Tradition kennen, sich bei der diensthabenden Elfe mit Essen zu bedanken? Habe noch ein bisschen assistiert beim heutigen Advents-All-Hands und von den ersten Weihnachtskeksen genascht – sehr, sehr lecker.

Jetzt bin ich sehr gespannt wie es dann an Heilig Abend sein wird. Wir sind dann irgendwo im Karibischen Meer zwischen Martinique und Panama. Statt Schnee gibt es blaue Wellen mit weißen Schaumkrönchen und statt Strohsterne gibt es zur Bescherung sicherlich wieder echten Sterne und vielleicht auch wieder die eine oder andere Sternschnuppe. Ich freu mich schon sehr. Auch auf die glücklichen Gesichter, wenn sie da so alle unter und zwischen den beiden Weihnachtsbäumen Geschenke auspacken.

Danach darf ich dann noch bis Panama an Bord bleiben. Dort kommt der Bord-Klabautermann wieder zurück und für mich geht es zurück in den Norden. Schade, denn mir gefällt es hier sehr gut. Oh – da kommt schon jemand um die Ecke, ich muss mich schnell verstecken……
Klabauterelfe Heike

Spanien, Gallizien, Vigo, Muelle Transatlanticos, Roald Amundsen, Messe

Datum: 2. November 2017
Position: 42°14,5’N, 008°43,5’E
Etmal: 0 NM
Wetter: Wasser 15°C, Luft 14°C, Wind 3 Bft.
von Heike

Während ich diese Tagesmeldung verfasse wirbelt um mich herum der Mikrokosmos der Roald. Die vergangenen zwei Hafentage in Vigo sind für die Crew anstrengender als die zurückliegenden stürmischen Tage auf See. Bereits der gestrige Tag war turbulent mit ausgiebigem Schiffserhalt und parallelem Großumzugstag in neue Kammern. Erst spät blieb Zeit, die Stadt zu erkunden.

Noch in der Nacht reist der Kapitän Rainer für die nächste Etappe an und am Vormittag auch der Rest der neuen Stammcrew. Der Vormittag steht noch im Zeichen der mittlerweile gewohnten Reinschiffroutine, während die neue Stammcrewformation die Vorbereitungen für die nächste Etappe abschließt. Listen werden geschrieben – und das zahlreich: Crewlisten, Notrollenpläne, Kammernpläne, Wachpläne, Backschaftspläne, Einkaufslisten, Bestandslisten… es gibt nichts, was nicht in Listen und Dateien festgehalten werden kann. Wer noch nie dabei war, weiß nicht wie schön es ist! Gegen Mittag das erste All-Hands an Deck in neuer Wachaufstellung. Hat man sich in den letzten fast drei Wochen schon fast automatisch an seinen Platz an Deck gestellt, muss man sich heute noch sortieren. Wo stehe ich, wenn ich jetzt in Wache 1 bin? Wer steht vor, hinter oder neben mir? Wie wird es mit dem neuen Kapitän sein? Wann legen wir ab? Bleibt noch Zeit für einen Landgang? Natürlich gibt es noch Landgang – aber zunächst nicht für alle. Das Proviantteam rüstet sich für den ersten Großeinsatz. Nach der Abstimmung des Speiseplans (eine Liste) geht es mit einer langen Einkaufsliste bewaffnet in den großen Supermarkt. Den ausführlichen Bericht dazu gibt es im nächsten Tagesbericht.

Die restliche Crew nutzt noch einmal die Gelegenheit sich in Vigo umzuschauen – aber nur solange bis der Proviant geliefert wird. Und das passiert im letzten Licht des Tages. Kiste um Kiste wird aus dem Lieferwagen geladen. Lebensmittel von A (Ananas) bis Z (Zwieback) werden in der Kette von Hand zu Hand weitergereicht („Achtung – zerbrechlich“, „Vorsicht – schwer“, „Das muss in die Kühllast“.) Zwischengelagert auf der Brücke verschwinden die Lebensmittel schnell in den dafür vorgesehen Lasten – schön ordentlich in unsere Roald-Kisten. Die vom Supermarkt gelieferten Kartons und Kisten nimmt der freundliche Fahrer wieder mit – nicht ohne ein Handyfoto von der Situation zu machen, denn so eine Lieferung hat er auch nicht alle Tage.

Und schon morgen soll es auf die nächste Etappe gehen. Leinen los nach dem Frühstück und weiter in den Süden. Ich werde an der Pier stehen und der Roald wehmütig hinterherwinken. Planmäßig war ich zunächst nur auf der ersten Etappe als Stammcrew mit dabei. Ich freue mich schon jetzt darauf, Dezember in Martinique wieder zusteigen zu können. Ich bin jetzt schon gespannt, was die Schüler bis dahin erlebt haben werden.
Heike – Roald Amundsen Stammcrew (Etappe 1)

P.S.:
Jan gratuliert Lönne recht herzlich zum Geburtstag und wünscht eine schöne Feier. Er sendet auch der restlichen Bande schöne Grüße.