Erinnerung an morgen

Datum: 25. Dezember 2017
Position: 13°53,8’ N, 068°20,6’W
Etmal: 130 NM
Wetter: Wasser 27°C, Luft 29°C, Windstärke 5
von Benedict

Ich werde geweckt, ein Augenblick später stehe ich an Deck, es ist das erste Mal auf dieser Etappe, dass ich pünktlich bin. Es ist Mitternacht und noch vier Stunden Wache erwarten mich. Nach einem Tag Schule lege ich mich müde auf einer der Bänke, die sich auf der Brücke befinden. Ich schaue hoch in den Himmel, dort wo die Sterne mich anlächeln. Mit Freude kann ich es kaum erwarten, mit 6 Knoten auf die San Blas Inseln zu zusteuern. Wie wird es dort sein? Ähnlich wie in Martinique?

Dort lagen wir in einer Bucht vor Anker an der Westküste… Mein Blick schweift hoch und ich sehe Berge, die mit Bäumen voll bewuchert sind und da, wo die Sonne die Blätter berührt, erblüht ein intensives Grün. Die Vegetation geht über ihre Grenzen und läuft über wie ein kochender Topf Spinat in der Kombüse.

Die Blicke der Menschen hier an Board sind erfüllt mit Freude. Sie lächeln und die Stimmung lockert sich. Es freuen sich alle, endlich wieder Land zu sehen! Das Gefühl, etwas (eine neue Landschaft) zum ersten Mal zu sehen, ist unbeschreiblich! Ich hole tief Luft und ziehe sie durch die Nase. Der Geruch erinnert mich an den, wie den eines Tropenhauses oder Aquariums. Es riecht nach etwas Feuchtem, Stickigem – aber trotzdem gut.

Ab und zu stürzen auf uns schnell vorbeigehende Schauerregen vom Himmel herab. Es ist aber ein schöner Regen: fein und zart, warm und trüb. Trotzdem gehen wir wie Feiglinge in Deckung – als hätten wir Angst, dass uns der Regen in Stücke reist. Der Regen ist anders als der in Europa und jedes Mal, wenn er herabfällt, entsteht ein natürliches buntes Wunder. In der Ferne sehe ich kleine Felsen, dort ist das Wasser wild und ohne Unterbrechung spritzt die Gicht hoch am Stein entlang. Doch wenn ich in die Tiefe schaue, auch wenn es Dunkel ist, sehe ich den Meeresgrund auch von weitem.

Der Aufprall auf die Wasseroberfläche ist hart. Ich sinke wie ein Stein. Ich öffne die Augen und sehe eine ganz neue Welt. Bunt und schön, angesichts der unüberschaubaren Weite und Tiefe aber auch bedrohlich. Die Korallen leuchten richtig im Wasser und kleine Fischschwärme ziehen an mir vorbei. Ein kleines Paradies.

Nach Dämmerung erscheinen weiße Kreaturen an die Wasseroberfläche. Springen bis zu zwei Meter aus dem Wasser und drehen im Sprung Spiralen. Es sind Calamari, die uns aus der Tiefe der Dunkelheit an der Oberfläche besuchen kommen. Das Wort „Calamari“ erinnert mich an ein Rezept von Jamie Oliver … eine schöne Erinnerungen!

Ich bin bei einem Kokosnusshändler gewesen und habe mir erklären lassen, was der Unterschied zwischen den Kokosnüssen, die wir kennen (braun und rund) und jenen ist, die sie auf den Laderäumen ihrer Trucks geladen haben, jenen, die wie grüne Riesenbohnen aussehen. Die grünen Kokosnüsse sind auch normale Kokosnüsse! Während die braunen schon sechs Monate alt sind, sind die grünen Kokosnüsse erst zwei Monate alt und werden nur für Kokosnusswasser verwendet. Freundlichkeit nimmt hier in der Karibik einen ganz anderen Stellenwert ein: Keine gezwungene, sondern eine ehrlich authentische Herzlichkeit wird dir jeden Augenblick direkt entgegengebracht – egal ob du reich oder arm bist.
Benedict