Die Schoten wachsen im Garten

Datum: 19. Februar 2018
Position: 20°23,1’N, 079°36,2’W
Etmal: 103 NM
Wetter: Wasser 26°C, Luft 27°C, Windstärke 4
von Laurine

Als wir alle zum ersten Mal die Roald Amundsen betreten haben (für die meisten von uns war das auf dem Probetörn) waren wir ziemlich schnell aufgeschmissen. Denn als es dann die ersten Segelkommandos gab, zum Beispiel „Klar zum Setzen der Vor-Obermars! An das Fall, klar bei Niederholer und Gordingen und fier auf die Brassen!“, wusste man eigentlich nicht so richtig, wo und in welche Richtung man sich jetzt hinbewegen sollte. Äh, man ist dann einfach zielgerichtet irgendwo drauf zugegangen und hat gehofft, dass wenigstens die Richtung so ungefähr stimmt. Man wusste nicht, welches der 18 Segel gemeint war und welchen der ca. 150 Tampen man überhaupt „ziehen“ oder „loslassen“ sollte. Es war alles echt verwirrend und überwältigend, vor allem wenn man vorher noch nie auf einem Schiff war. Zudem ist die Sprache hier ganz anders als die an Land, und so gab es viel für uns zu lernen. Während des Segelbetriebs an Bord werden die Kommandos immer gleich formuliert. Am Anfang hörte sich das (und die Formulierungen) lustig an, aber nach kurzer Zeit haben wir gemerkt, dass es eher hilfreich und sinnvoll ist, immer dieselbe Formulierung zu benutzen, denn so weiß man sofort, was gemeint ist, man kann es sich besser merken und es können erst gar keine Missverständnisse entstehen.

Damit wir uns am Anfang besser merken konnten, wo sich welcher Tampen befindet, wurden uns viele Eselsbrücken beigebracht. Hier ein paar Beispiele:
– Die Schoten wachsen im Garten. (Damit ist der Mastgarten gemeint)
– Von vorne nach achtern und von oben nach unten. (So sind die Tampen in Bezug zu den Segeln angeordnet)
– Die Bram steht „alaan“. (Damit ist das Bramfall gemeint, welches alleine auf der Gegenseite des Obermarsfalls und des Royalfalls seinen Platz hat)
– J-I-V-A (Abfolge der Niederholer und Fallen für die Vorsegel, wie sie belegt sind: Jager, Innenklüver,
Vorstengestag und Außenklüver)
– Weiße Nägel tragen Holz. (Zum Beispiel die Rahen)
– Piek war ein Kommunist – links. (Das Piekfall ist an backbord und dementsprechend ist das Klaufall an steuerbord)
usw. …

Zudem gibt es auch für manche Wörter komplett andere Begriffe, die auch unter anderem im normalen Sprachgebrauch auf einem Schiff verwendet werden:
– links – backbord
– rechts – steuerbord
– Achtung! – Warschau!
– hinten – achtern
– Verknotungen/ Stau/ – Wuhling
– Kombüsen(Küchen)-Dienst – Backschaft
– Radar – Möwengrill
– ziehen – holen
– loslassen/langsam lockern – fieren
– Zimmer – Kammer
– Bett – Koje
– Tasse – Mugg
– Tür – Schot
usw. …

Das Lustige ist, dass wir die „Schiffsbegriffe“ alle schon fest in unseren Sprachgebrauch eingebaut haben und sie auch an Land gebrauchen, was bei anderen Leuten manchmal etwas für Verwirrung sorgt. Natürlich hat sich hier zwischen uns Schülern auch eine eigene „Sprache“ entwickelt oder zumindest wurden einige neue Wörter gebildet:

– Schinken (Anrede, Schimpfwort, …alles?)
– Salty/salzig (bedeutet so etwas wie: genervt, „gesalzen“, sauer, schlecht drauf sein, … / die passende Handbewegung dazu ist, wie als würde man eine Prise Salz auf den Kopf eines anderen herunterrieseln lassen. Man kann auch richtiges Salz nehmen, allerdings muss man dann damit rechnen, dass die betroffene Person noch „salziger“ wird).
– Struggle bzw. jemand ist am struggeln (bedeutet, dass jemand etwas gerade nicht so richtighinbekommt)
– Hoff nicht! (Bene hat mal ziemlich gehofft, danach war das Alltagssprache)

Mittlerweile klappt das alles natürlich gut und jeder weiß, wo er hingehen soll, wenn es jetzt heißt: „Klar zum Setzen der Vor-Obermars! An das Fall, klar bei Niederholer und Gordingen und fier auf die Brassen!“ (Vielleicht kam das Kommando ja auch von einem Schüler, denn es gibt in den verschiedenen Wachen auch immer mal wieder einen Tagestoppsis) Wenn es am Anfang mit einer Wache noch 30 Minuten gedauert hat, zwei Segel zu setzen, geht dies jetzt innerhalb von 5 Minuten. Es ist schön, diesen Prozess zu sehen und zu merken, dass wir immer mehr, egal ob es das Segeln oder etwas Organisatorisches betrifft, selbständiger erkennen und umsetzen.
Laurine

P.S.:
1. Ich grüße meine Eltern; Sam und Flo; T, A, L &B; M&M + N aus Mönkeberg!! (Laurine)
2. Janik und Theo grüßen Maurice und Jan – wir sehen uns in 2 Monaten!
3. Grüße gehen raus an Carlo von mir und Nico! (Bene)