Müssen alle zum All Hands?

Datum: 10. April 2018
Position: 50°28,9’N, 002°29,9’W
Etmal: 35 NM
Wetter: Wasser 10°C, Luft 10°C, Windstärke 6
von k. A.

Schlaffe Arme, müde Körper. Uns allen stecken die dreizehn Wenden von gestern in den Gliedern. Aber auch ohne die Filmmusik vom „Fluch der Karibik“ von Vroni, die uns gestern so schön mit ihrer Geige geweckt hat, sind alle wieder mit dabei, als der Anker gehoben wird und es heißt „hopp, hopp in“n Topp!“, um die Segel zu packen. Aus den Toppen und vom Klüver dringt das Klappern der Karabiner an den Sicherheitsstagen, von oben schallt das routinierte „An Deck! Lose auf die Backbordschot der Großuntermars!“ Nur die vier Lehrer sind nicht zu sehen. Sie sitzen auf der Kammer und feilen an den Zeugnissen. „War er ein wirklich richtig guter Rudergänger?“ oder „hat sie oft die Verantwortung als Tagestoppsi übernommen?“ Nebenbei schlagen sie sich mit den Seitenrändern, der Fußzeile, der Schriftgröße und allem anderen herum, was Word einem so als Kinken in ein Dokument einbauen kann. Zwischendurch geht immer wieder die Tür auf.

„Martin, was sollen wir zum Kaffee vorbereiten?“
„Katharina, kann ich den Schülerlaptop haben?“
„Verena, stehen die Wachen für den nächsten Törn schon fest?“
„Christine, wo ist das Rezept für den Kuchen?“
„Martin, wann bekommen wir unsere Handys?“
„Katharina, wo ist das Ladekabel für den Schülerlaptop?“
„Martin, haben wir nachher Landgang, obwohl wir Backschaft haben?“
„Christine, was bekomme ich jetzt eigentlich in Spanisch?“
„Verena, wann sind wir da?“
„Katharina, über welchen Tag soll ich Tagesmeldung schreiben?“
„Christine, wo ist Martin?“
„Martin, wo ist Katharina?“
„Katharina, hast du Verena gesehen?“
„Verena, weißt du, wo Christine ist?“
„Christine, trägst du sowas auch Zuhause?“
„Katharina, müssen wir alle zum All hands kommen?“
„Verena, bekommen wir unser Taschengeld in Pfund ausgezahlt?“
„Christine, kannst du mal in die Kombüse kommen?“
„Martin, dürfen wir den Biomüll noch über Bord werfen?“
„Verena, brauchen wir nen Gurt zum All hands?“
„Katharina, wie war meine Tagesmeldung gestern?“

Nebenbei tippen die Lehrer weiter, diskutieren über Formulierungen und Formatierungen. Kaum spürbar legt die Roald in Weymouth an. Während Schüler und Stamm sich noch um Schiffserhalt und Reinschiff kümmern, schleichen sich die Lehrer mit ihren Zetteln und Laptops von Bord, um an Land an einem ruhigen Platz weiterzuarbeiten. Schließlich gehen auch alle anderen an Land, erkunden die Einkaufsstraße, die Jubilee Clock (leider von einem Baugerüst verhüllt), die gemütlichen Pubs oder wahlweise McDonalds mit seinem Free Wifi. Die Lehrer tippen derweil weiter, kürzen ihre Texte wieder, blättern die Schreibweise von „das Segelsetzen“, „beim Segelsetzen“ und „Segel setzen“ im mitgeschleppten Duden nach. Aus dem Nachmittag wird Abend, Schüler und Stamm kehren zurück an Bord. Aus dem Abend wird Nacht. Die Lehrer tippen weiter, korrigieren ihre Texte inhaltlich und grammatikalisch. Irgendwann geht nichts mehr. Auch die Lehrer kehren zurück an Bord, verholen sich in ihre Kammer, krabbeln in ihre Kojen. Die Tür geht auf.
„Und? Wie war euer Landgang?“
keine Angabe