Ungewohnter Luxus und ungewohnte Brutalität

Datum: 2. April 2018
Position: 45°39,2’N, 019°55,2’W
Etmal: 133 NM
Wetter: Wasser 12°C, Luft 12°C, Windstärke 7
von Rosa

Mein Tag beginnt damit, dass der Lichtschalter in Kammer 9 unbarmherzig gedrückt wird – mit den Worten: „Es ist 7:00 Uhr, in einer halben Stunde gibt es Frühstück! Draußen ist es eiskalt und es stürmt, wen´s interessiert.“ Mich auf jeden Fall nicht, denn ich habe heute Schule und so kuschle ich mich wieder in meine Decke und schlafe einfach weiter. So lasse ich zwar das Frühstück ausfallen, kann aber bis 9:00 Uhr durchschlafen, da der Stamm netterweise das Reinschiff für uns übernimmt. Warum? Der Stamm meint, sie seien es einfach so von „normalen“ Törns gewöhnt und kämen sich doof dabei vor, diese Aufgaben die ganze Zeit von uns erledigen zu lassen. Naja, ist ja eigentlich auch egal, warum uns dieser Luxus zu Teil wird, gefreut haben wir uns auf jeden Fall, zumal ich nicht die einzige bin, die die Gunst der Stunde nutzt und „ausschläft“. Der restliche Tag wird ganz gut mit „Selbststudium“ rumgebracht (Lee-Klasse). Die meisten von uns lernen angesichts der Mathearbeit am Mittwoch eben Mathe, schlafen, weil das bis jetzt ja noch nicht ausgiebig gemacht wurde, gehen Wache (Luv-Klasse), wobei es echt kalt und verdammt windig gewesen sein soll, essen (zu Kaffee und Kuchen gab es Schokofrüchte, echt lecker!) und gehen sonst den üblichen Dingen, die man hier an Bord den Tag über so macht, nach.

Am Abend wurde dann noch ein Film gezeigt, „Die Bucht“ („The Cove“). Falls ihr den Film nicht kennt, es ist ein Dokumentarfilm über Umweltaktivisten, die versuchen das grausame Geschehen in einem kleinen Dorf in Japan, Taiji,aufzudecken, dort werden jährlich bis zu 23.000 Delfine in eine Bucht getrieben und jene, die sich nicht als Show-Delfine verkaufen lassen, am Ende kaltblütig abgeschlachtet. Dies versuchen die Aktivisten zu filmen, um es für die Weltöffentlichkeit sichtbar werden zu lassen und etwas dagegen zu unternehmen. Die Gräueltaten zu filmen, gelingt ihnen letztendlich auch, wodurch wir Zeuge von rücksichtslosem Abschlachten unzähliger Delfine werden. Es sind so viele, dass sich das Meerwasser rot färbt, überall sind ihre Klagerufe zu hören … Nach diesen Szenen ist es ganz ruhig bei uns in der Messe. Dass so etwas auf der Welt passiert war uns klar, aber das Ausmaß war uns allen doch nicht bewusst. Auch wenn die Umweltaktivisten am Ende ein wenig bewirken und über die hohe Quecksilberbelastung, die von Delfinfleisch ausgeht, aufklären konnten, erreichten sie trotz Beweismaterial über die Wahrheit (menschlicher Abgründe) nicht ihr eigentliches Ziel: Das Einstellen des Massenmords in Taiji.

Solche Nachrichten machen wütend und traurig, rütteln aber auch wach, machen nachdenklich, schaffen neues Bewusstsein: Sich nur zu beschweren, reicht nicht! Sich auf den IWC (International Wale Comission) zu verlassen bringt nichts, denn der IWC kümmert sich hauptsächlich um große Wale!Angesagt ist: Selbst aktiv werden (und zum Beispiel selbst spenden bzw. unterschreiben), denn nur so können wir etwas erreichen!
Und mit diesen Worten, liebe Grüße von Übersee!
Rosa