San-Blas

Datum: 2. Januar 2017, (Tag 87)
Position: San Blas Archipel
Etmal: 149 sm
Wetter: Luft 27°C, 1011 hPa, sonnig, Wind ENE 4-5 Bft.
von Jesko

jeskoDieser Tagesbericht ist mein erster, an dessen Tag tatsächlich etwas Berichtenswertes passiert ist, was bedeutet, dass ich diesmal nicht von fiktiven Seeschlachten, sondern von wahren Erlebnissen berichten kann, was wiederum das Schreiben deutlich beschleunigt. Nach achttägiger Reise von Grenada aus kamen wir heute im San Blas Archipel an, welches von den Kuna-Indianern bewohnt wird. Diese erlangten nach einem Unabhängigkeitskampf 1925 einen Autonomitätsstatus für die Inselgruppe und leben seit jeher recht isoliert von Fremden. Die auf 14 Tage veranschlagte Reise wurde aufgrund des durchweg kräftigen Windes erheblich verkürzt, trotz der Notwendigkeit ein Orkantief mit zwischenzeitlich gesetzten Sturmsegeln zu umfahren. So wurden um 16:45 Uhr die Segel geborgen und wir fuhren unter Motor zwischen den kleinen von Palmen bewachsenen Inseln hindurch, welche größtenteils unbewohnt waren.

Gegen 18:00 Uhr ankerten wir gegenüber der Hauptinsel, auf der wir morgen einklarieren und anschließend einige Lieder in der Kirche singen werden. Die Bebauung macht vom Schiff aus einen sehr einfachen Eindruck, die meisten Häuser bestehen lediglich aus Schilfrohrwänden und Wellblech- oder Reetdächern. Da die Temperatur in diesen Breiten jedoch nie unter 25°C sinkt und die Häuser somit nur Regenschutz und ein wenig Privatsphäre bieten sollen, ist diese Bauweise für die Bewohner wahrscheinlich völlig ausreichend. Die kommenden Tage werden wir nun täglich die Insel wechseln und abends von der ein oder anderen unbewohnten Insel aus baden gehen. Vielleicht hätte ich noch ein wenig mehr ins Detail gehen können, doch da ich heute Backschaft hatte und aufgrund der bevorstehenden Inspektion der Kombüse durch einen besonders peniblen Steuermann alle Edelstahlflächen, den Fußboden und den Backofen einer besonders gründlichen Reinigung unterziehen durfte, werde ich es wohl so belassen.
Viele Grüße, Jesko

Krängung

Datum: 29. November 2016, (Tag 53)
Position: 22° 22,9′ N, 028° 42,2′ W
Etmal: 99,5 sm
Wetter: Luft 26°C, 1015 hPa, sonnig, Wind NE 2-3 Bft.
von Jesko

jeskoAuch wenn der Atlantik nicht immer viel Wind bietet, so ist doch immer eine gewisse Dünung vorhanden. Diese kann das Schiff mal mehr, mal weniger stark zum Schaukeln bringen. So passieren bei unterschiedlich ausgeprägter Schiffsneigung (Krängung) verschiedenste Dinge. Fangen wir also klein an:

5° Krängung: Das Gehen fällt leicht, essen bereitet noch keine Schwierigkeiten, im Grunde ist man sich der Schiffsbewegungen nach einiger Eingewöhnungszeit überhaupt nicht mehr bewusst.

10° Krängung: Immer noch recht harmlos, jedoch ist nun beim Essen eine rutschfeste Unterlage unverzichtbar und man beginnt, von den zahlreich im Schiff montierten Griffen Gebrauch zu machen.

15° Krängung: Langsam beginnt der Geräuschpegel zu steigen, Kaffee- und Teekannen klirren in ihren Körben und der ein oder andere Schrei der Verzweiflung dringt aus der Kombüse, denn auch die Backschaft beginnt nun (noch) weniger Spaß zu machen, ist aber noch zu bewältigen, selbst der eine oder andere Kuchen kann noch in den Ofen geschoben werden.

20° Krängung: Nicht nur die Zubereitung der Mahlzeiten, sondern auch das Verspeisen eben dieser, bereitet nun große Schwierigkeiten. Ein nicht besonders rutschfestes Schnitzel auf dem Teller, sowie gefüllte Tassen, das Besteck und nicht zuletzt sich selbst zu sichern und festzuhalten, verlangt höchste Konzentration, schnelles Reaktionsvermögen und ein zusätzliches Paar Hände, weshalb man oft gezwungen ist, Prioritäten zu setzen und den einen oder anderen Gegenstand seinem Schicksal zu überlassen.

25-30° Krängung: Jetzt ist der Spaß vorbei. Teller kippen von den Tischen, sitzt man auf einer nicht fest mit dem Boden verschraubten Bank, begibt man sich schnell auf eine unfreiwillige Reise durch die Messe. Die Backschaft scheint zu diesem Zeitpunkt einem Nervenzusammenbruch nahe und wird nach der Reise zuhause wohl bei jedem Scheppern von Geschirr von Flashbacks geplagt zitternd auf dem Boden liegen. Selbst der Gang auf’s stille Örtchen entwickelt sich nun zu einem nervenaufreibendem Abenteuer. Auf die lebensmüde Idee, bei diesem Seegang im Stehen zu pinkeln kommt eh niemand mehr, doch auch das Hinsetzten bietet nun nicht unbedingt einen Mehrwert an Sicherheit, erleichtert es einem jedoch, sich an den zu beiden Seiten der Toilette angebrachten Griffen festzukrallen.

Schwierig wird jedoch höchstwahrscheinlich auch die Umgewöhnung, haben wir erst wieder festen Boden unter den Füßen. So ist man es inzwischen gewohnt, dass ein Stift, wenn er am anderen Ende des Tisches liegt, nach kurzem Warten selbstständig wieder zu einem zurück kehrt. So sitzt man oft mit ausgestreckter Hand da, bereit, den Stift wieder einzufangen. Dies könnte an Land noch gelegentlich für einige peinliche Momente sorgen. Ebenso befürchtet unser Mathe-, Physik- und Spanischlehrer Manuel, er könne, zurück an seinem alten Arbeitsplatz, nach einer überstandenen Stunde von seinem Platz aufstehen, nach oben greifen, jedoch keinen der erwarteten Handläufe zu fassen bekommen und einfach umkippen. Trotz dieser Risiken freue ich mich jedoch, auf Martinique wieder festen Boden unter den Füßen zu haben und schlafen zu können, ohne mich auf äußerst ungemütliche Weise verrenken zu müssen, um mich in meiner Koje zu verkeilen.
Jesko