Das Bordleben aus Sicht des ersten Schülersteuermanns

Datum: 6. April 2019
Position: 35°02,7´N, 036°07,8´W
Wetter: Luft 20,3 °C
Etmal: 119 sm
von Fynn

Heute schreibe ich darüber, wie das Bordleben aus meiner neuen Sicht aussieht. Seit Bermuda bin ich erster Schülersteuermann der B-Wache (04-08 Uhr bzw. 16-20 Uhr), die sich bei Manövern vordergründig um das Schonersegel kümmert. Der eigentliche Steuermann meiner Wache ist ja Ulli. Das ist gut, denn man kann viel von ihm lernen. Auch wenn er recht streng ist und man immer versucht, sich nicht so viele Fehler zu erlauben. Als erstes möchte ich sagen, dass der Job des Schülersteuermanns ein Job ist, der viel Spaß macht. Ein Posten zum Zurücklehnen ist es allerdings nicht. Im Gegenteil: Ich habe mehr Bordaufgaben denn je. Von der Backschaft bin ich befreit und werde ganz regulär jeden zweiten Tag zur Wache um 03:40 geweckt. Am Anfang war es gewöhnungsbedürftig, mitten in der Nacht aufzustehen, aber mittlerweile ist man schon völlig in einem solchen Rhythmus drin. Als Steuermann leite ich die B-Wache in jedem Manöver an und sage ihnen, was sie tun sollen. Dazu muss ich natürlich selbst immer gut im Bilde über die anstehenden Aufgaben sein. Falls ich unsicher bin oder einen gravierenden Fehler begehe, hilft und korrigiert mich Ulli. Oder Norbert meldet mir – zum Beispiel nach einem Manöver – zurück, wenn etwas hätte besser laufen können.

Manchmal werden auch spontan Verantwortlichkeiten der einzelnen Wachen getauscht und man ist auf einmal für ein anderes Segel verantwortlich, z.B. für das Großsegel anstelle des Schonersegels. Hierdurch wird gewährleistet, dass sich möglichst viele Schüler an möglichst vielen Stationen des Segelbetriebs gut auskennen und flexibel agieren können. Welche Aufgaben begleiten die Tätigkeit des Schülersteuermanns sonst noch so? Bevor wir aus einem Hafen auslaufen oder bevor wir viel Wind bekommen, kontrolliere ich die Proviantlast und überprüfe, ob alles sicher verstaut ist und nichts kaputt gehen kann. Zudem nehme ich abends ab und zu die Kombüse ab, d.h. überprüfe zusammen mit der Backschaft des nächsten Tages, ob die Kombüse wirklich sauber ist. Am Samstag habe ich zudem auch mit unserer Schülerkapitän Bianca das Großreinschiff abgenommen. Leider bin ich nur noch bis zu den Azoren Schülersteuermann. Andere Schüler sollen auf der letzten Etappe schließlich auch noch die Chance bekommen. Es grüßt mit seinem vorletzten Tagesbericht,
Fynn

Ein ganz normaler Tag ohne Setzung des Backstags

Datum: 5. April 2019
Ort: 35°05,3’N, 038°25,2’W
Etmal: k.A.
Wetter: Luft 17,9° C
von Sava

Ahoi, hier bin ich wieder, sitze vor dem Computer und versuche, nicht über Sachen zu schreiben, über die schon oftmals berichtet wurde. Ich muss ehrlich sein: Heute ist nichts Außergewöhnliches passiert. Die Wachgruppe hatte Wache, die Unterrichtsgruppe hatte Unterricht. Die Tage auf See folgen ihren eigentümlichen Routinen: Man hat Wache oder Unterricht, liegt in der Freizeit im Seegarten, in der Messe oder in der Koje herum und lernt ggf. ein wenig für den Sportbootführerschein. Der heutige Unterricht war wie immer relativ interessant und nicht so besonders schwer. Manchmal schweifen meine Gedanken ab und ich denke an meine Lietzfamilie, an meine Familie in Serbien oder an meine besten Freunde. Für mich persönlich sind es die Landgänge, die die Reise wirklich spicy machen. Besonders beim freien Landgang kann man einfach herumlaufen, ohne Ziel – wie Fliegen ohne Köpfe – und immer findet man irgendwas, das interessant ist. In Guernsey war es der tanzende Weihnachtsmann, auf Teneriffa waren es Verhandlungen um Maracujas und in Costa Rica…. wäre die Liste aufzuzählender Dinge wohl zu lang. Jeder Ort war ziemlich einzigartig und hatte seine eigenen Specials. Mal sehen, was uns auf den Azoren erwartet. Mit lieben Grüßen an meine Lietzfreunde, Peace out, 
Sava