Bremerhaven voraus, Erinnerungen im Gepäck

Datum: 22. April 2019
Position: 46°34,6’N, 012°04,7’W
Etmal: 155 sm
Wetter: Luft: 10,9°C, Wasser: 12,9°C, Wind aus NW mit 4Bft.
von Flöchen

Ab heute sind es noch zwölf Tage, bis wir zuhause sind. Viele werden nach ein paar Stunden Autofahrt zuhause sein. Andere fliegen vielleicht und manche kommen nicht zu ihren Eltern, sondern erst einmal zurück in die Schule und dann im Sommer zurück zu ihren Eltern. Bei vielen hat sich zuhause vielleicht wenig verändert, vielleicht hängt ein neuer Spiegel im Bad oder es gibt neue Nachbarn. Anderen kommen zurück und ziehen in ein komplett unbekanntes Haus in einer neuen Umgebung. Jedenfalls werden wir von Bremerhaven aus in sehr viele verschiedene Himmelsrichtungen fahren in komplett unterschiedliche Welten mit neuen Ideen, Plänen für unsere Leben und einem ordentlich angereichertem Wissens- und Gedankengut.

Wenn es unser alter Bulli nach Bremerhaven schaffen sollte, werde ich jedenfalls meinen gesamten Bumms in den Kofferraum schmeißen, mein Bettzeug auf der hintersten Bank einquartieren und mich schlafend die paar Stündchen in mein geliebtes Berlin kutschieren lassen. Die Möglichkeit, dass die Rückfahrt eher anders aussieht, weil meine vielen Geschwisterchens bestimmt ordentlich froh sein werden, dass ich zurück bin, und mich ordentlich mit Fragen bombardieren werden, ist aber auch gegeben.

Zuhause werde ich den uns begrüßenden Frühling, fast schon Sommer, begrüßen. Ich werde meine Meerschweinchen zerknuddeln, von denen sich eines während unseres Kuba-Landaufenthalts verabschiedet hat. Meine kleinen Geschwister werden mir zuhause alles Neue zeigen; unseren neuen Hühnerstall, in den bald wieder Huhnis einziehen; das Schlagzeug von meinem kleinen Bruder; die verglaste Terrasse; ein neues Blumenbeet; wo sie besondere Vögel gesehen haben; neue Sachen an der Modelleisenbahn und so weiter. Meine großen Schwestern dürfen schön für die Uni und fürs Abi lernen, deshalb wird wahrscheinlich nicht ganz so viel von ihrer Seite kommen.

Und in den Tagen danach wird es immer wieder Leute geben, die fragen: ,,Wie war denn die Reise?!“ Und ich denke, dass sich alle, deren Plan das ist, sich einen neuen ausdenken sollten. Gezielte Fragen zu bestimmten Landaufenthalten oder Personen könnten wir beantworten, aber auf eine Frage wie „Wie war denn die Reise?“ könnte ich wohl ebenso wenig antworten, wie jemand, der gerade sein Studium beendet hat und mit der Frage konfrontiert wird, wie denn sein Studium war. Unsere Reise hatte zu viele unterschiedliche Aspekte, sodass es ihr nicht gerecht werden würde, sie mit ,,gut“ oder ,,geil“ zu beschreiben, wobei ich genau das antworten würde und die fragende Person dann in ihrer Unwissenheit vorerst alleine lassen würde. Aber eine wirklich interessierte Person ließe sich mit einer solchen Antwort wahrscheinlich nicht abspeisen.

Die Reise ist noch nicht zu Ende und daran hat Norbert uns schon öfters erinnert. Der englische Kanal hat oft noch einige Wetterkünste im Ärmel, die es uns noch richtig ungemütlich machen könnten. Das Aprilwetter haben wir bisher schon gut zu spüren bekommen, noch nicht in seinen Extremen, aber trotzdem so, dass wir an einigen Tagen eine Komplett-Atlantikdusche bekamen und an anderen Tagen in T-shirt Segel setzen konnten. Manchmal war das Sitzen im Seegarten in Ölzeug derartig ungemütlich, dass es einen nach wenigen Minuten wieder unter Deck zog. An anderen Tagen lagen wir, zwar in Pullis und mit Tee, aber dennoch in der Sonne auf dem Achterdeck (AnnenMayKantereit und Fynn Kliemann hörend).

Und auch in den unterschiedlichsten Formen von Seegang findet sich Seegang, bei dem man locker Yoga machen könnte und Seegang, der sämtliche Schüsseln und Platten mit Essen dazu veranlasst, die Tische zu verlassen.

Wenn nicht das Wetter den Tag besonders macht, gab es für gewöhnlich ein besonderes Ereignis. So am heutigen Tag. Kein besonders nerviger Seegang, Nieselregen im Wechsel mit Sonne. Eben ein Ostermontag auf dem Atlantik. Der Abend wurde besonders zelebriert. Bevor ich dies ausführe, muss ich aber ausholen: Wir sind 12 Mädels auf dem Schiff (Auf San Blas war noch Sophia, unsere Ärztin aus Berlin dabei; liebe Grüße an Sophia nach Berlin oder wo sie sich sonst gerade rumtreibt!). Bei normaler Besatzung sind wir 36 Menschen auf dem Schiff. Demnach machen wir nur ein Drittel der Besatzung aus. Und mit großer Sicherheit findet man in jedem Raum den man betritt, natürlich nie in den Mädchenkammern, ein männliches Besatzungsmitglied, aber mit viel geringerer Wahrscheinlichkeit ein weibliches. Und ganz ganz selten findet man einen Raum, in dem nur Mädchen sind, außer eben in den Mädelskammern. Aber eben dieses Bedürfnis, einfach mal alle Mädchen zusammen auf einem Haufen zu haben, überkam uns in der vergangenen Zeit manchmal. Es gibt so vieles, dass sich uns in den Weg gestellt hat. Doch neulich haben wir es mal geschafft und einen Tag abgepasst, an dem fast alle Mädchen Zeit hatten. Ich hatte sogar meine Chips aufbewahrt, ein paar von uns holten viele Dosen Zuckerwasser, Nathalie brachte ihren Laptop mit. Und so kuschelten wir uns zu 12 in der Mädelskammer auf drei Kojen und auf ein mit Decken gepolstertes winziges Stück Boden.

Wir schauten gemeinsam einen Film, der bei der hohen Anzahl an Jungen an Bord sonst zu kurz kommen würde. Mit den „Schadensfreundinnen“ verbrachten wir den Abend gemütlich, lachend zusammen. So richtig schön „klischeehaft“, wie die Jungs uns in den nachfolgenden Tagen unter die Nase rieben. Und heute war eben wieder so ein Mädelsabend. Heute haben die Jungen als Gegenstück zu uns auch einen „Männerabend“ mit alkoholfreiem „Freibier“ von Michi und dem Film „Voll auf die Nüsse“ gestartet. Da soll mir mal wer sagen, dass das nicht klischeehaft ist!

Es herrscht einfach eine besondere Stimmung, wenn wir nur unter Mädchen sind, halt eine große Vertrautheit untereinander. An Land haben wir immer gute Möglichkeiten gefunden, etwas zusammen zu unternehmen (Stichworte: Foodfestival auf Grenada, Longo Mai morgens im Fluss, Dominical im Pazifik und im Cafe Mono Kongo, das geheime Café in Havanna usw.). Und unsere Abende in der Mädelskammer waren eben unsere Lösung auf dem Wasser. Einen werden wir auf dem Schiff auch hoffentlich noch einmal schaffen. Dann ist die Reise vorbei, aber danach können wir so viele Mädelsabende machen wie wir wollen. Ohne auf Ankerwachen, Seewachen, Backschaften und andere Leute achten zu müssen, außer vielleicht kleinen Geschwistern, aber die können uns keine Strafen – wie etwa das Aufräumen des Bootsmannsstores – reindrücken 🙂

Sooooooo, langsam habe ich das Gefühl, das reicht jetzt. Ich kann eh nicht rüberbringen, wie die Reise war, weil es einfach viel zu viel für einen Tagesbericht ist. Da müsste man schon ein Buch schreiben. Liebe Grüße und bis bald (wirklich bald),
das Flöchen

P.S.: Zmaaart, ich wünsche Dir alles alles alles alles Gute zum Geburtstag! Und ich freue mich sehr doll auf den 5. Mai…… Schlumpi noch alles Gute zum Geburtstag, a bissl zu spät!!! Ansonsten grüße ich meine ganze Familie, Isi, Lilli, Mini und Johanna und alle anderen, die in der Muddastadt wohnen und das lesen!