Und jedem Anfang …

Datum: 8. Oktober 2018
Position: 52° 39,8’N, 013° 03,4’E
Etmal: 10,256 Schritte
Wetter: Wasser: 13°C, Luft: 11°C, Windstärke 4
von Claudi

Eigentlich ist es ja schon so, dass ich die Art von Unvorhersehbarkeit gern mag, die man vor bevorstehenden Reisen empfindet. In diesen Tagen vor der Abreise zu einer 6,5-monatigen Reise merke ich dennoch, dass meine Vorfreude auch von ein wenig Wehmut begleitet wird. Ihr kennt das bestimmt: wenn man etwas zum vorerst letzten Mal für eine lange Zeit sieht oder macht, dann sieht oder macht man es auf einmal mit sehr viel höherer Wertschätzung. Mein Kopf jedenfalls wollte in den letzten Tagen auf einmal alle möglichen Situationen noch einmal so richtig auskosten (die letzte Chorprobe, das letzte Treffen mit Freunden und Familie, der letzte Gang durch das Lieblingsviertel…), obwohl die Gedanken doch im Grunde schon eingenommen waren von Impfungen, Unterrichtsreadern, Packlisten…

Ob wohl die alten Seefahrer, auf deren Spuren wir reisen werden, vor ihrem Aufbruch auch immer etwas zögernd über die Schulter geschaut und etwas Zeit gebraucht haben, um sich innerlich vorerst zu verabschieden von vertrauten Personen, Landschaften und Routinen?

Ich ahne, dass sie mich angesichts der heutigen Möglichkeiten – nach erfolgreicher Atlantiküberquerung erst einmal zu Hause anrufen zu können – auslachen und mir zurufen würden: „Ach – deine Chorproben, deine Familie und deine Freunde, dein Lieblingsviertel – all das wird doch noch da sein, wenn du wiederkommst! Carpe Ventum!“

Recht hätten sie wohl, denke ich und möchte rufen: Leinen los! Die Herausforderungen einer solchen Seereise, die Insiderwitze unserer Bordgemeinschaft, das Meer jeden Tag zu sehen und doch immer woanders zu sein und die Nachtwachen unterm Atlantikhimmel werden es sein, von denen wir uns dann tatsächlich verabschieden werden müssen – zum Glück erst in einem halben Jahr.
Claudi