Mein letzter Tagesbericht für wahrscheinlich IMMER

Datum: 25. April 2017 (Tag 200)
Position: 46° 24,9′ N, 019° 05,2′ W
Etmal: 145 nm
Wetter: Luft 12°C, 1025 hPa, bedeckt, Wind NE, 6-7 Bft.
von Johanna

johannaIrgendwie schon ziemlich traurig…, nicht nur, dass es mein letzter Tagesbericht ist und dies u.a. auch ein Zeichen für das Ende unseres Abenteuers ist, sondern auch, dass so ziemlich jeder das in seinem Tagesbericht erwähnen muss…. Aber ich meine, worüber soll man denn sonst schreiben, wenn eigentlich nicht viel mehr passiert…. Es gibt nichts zu erzählen. Vielmehr stehen Frage offen im Raum rum. Keiner kennt die Antworten und viel mehr will auch keiner wirklich über diese nachdenken, da sie einem Angst machen…. Aber jetzt wieder zur eigentlichen Frage:

Viel zu viel geht mir durch den Kopf.
Worüber soll ich schreiben?
Es gibt so viel zu erzählen.
Aber wird das Bleiben?

War die Reise der Höhepunkt von unserem bisherigem Leben
7 Monate weg von Zuhaus‘
leben im Saus und Braus.
Wird es uns prägen?

Geht unser Leben zuhause weiter wie vorher‘?…
oder war das eine zu große Veränderung?
War das nur die Halbzeitpause vom Fussballspiel des Lebens
oder waren es 90 min mit Verlängerung?

Sieben Monate ist ’ne lange Zeit,
aber doch keine Unendlichkeit.
35 Wochen waren wir unterwegs.
Kann man das nur als Krümel des Lebens bezeichnen,
oder war unser  Abenteuer ein ganzer Keks?

Viel zu viel geht mir durch den Kopf.
Worüber soll ich schreiben?
Es gibt so viel zu erzählen.
Aber wird das Bleiben?

Tennis spielen, Kirchen angucken –
es gab so viel zu bereden.
Freundschaften bildeten sich.
Werden diese weiter leben?

Ist es für immer
oder war’s das schon?
Ist der Drops schon gelutscht
oder hat er einfach nur seinen Geschmack verloren?

Viel zu viel geht mir durch den Kopf.
Worüber soll ich schreiben?
Es gibt so viel zu erzählen.
Aber wird das Bleiben?

2 mal den Atlantik überqueren –
Wer kann davon schon träumen.
Wie wird es sein,
wenn die Wellen nicht mehr neben der Johnny schäumen,
wenn wir alleine liegen in unserem Zimmer,
wenn unser leben wieder ist wie IMMER?

Jeden Tag den gleichen Scheiß:
Aufstehen, arbeiten, schlafen gehen,
alles dreht sich in einem Kreis.
Werden wir uns nach der Johnny sehen?

Kann das hier überhaupt ein Ende haben?
Wird es wirklich vorbei sein?
Oder bringen uns diese ganzen Erfahrungen nicht neue Sichtweisen ein?
Ist das Buch unserer Geschichte etwa schon viel zu früh zugeschlagen,
ohne das unsere Abenteuer überhaupt schon zu Ende waren?

Viel zu viel geht mir durch den Kopf.
Worüber soll ich schreiben?
Es gibt so viel zu erzählen.
Aber wird das Bleiben?

Zuhause wird es anders sein,
da werden wir nämlich allein – statt zusammen sein.
Denn… Wir teilen uns auf Deutschland auf.
Manche leben in der Hauptstadt, manche in einem sehr schönen keinen Dorf.
Von Hamburg nach Bayern, das ist echt weit.
8 Stunden mit dem Zug,
fast schon eine Unendlichkeit
Aber haben wir nicht schon viel mehr gemeinsam durchgemacht, als das uns diese Kleinigkeit was ausmacht?
Wir sind wochenlang zusammen gesegelt,
haben echt viel diskutiert und danach gemeinsam geregelt.
Haben alles geschafft
mit gemeinsamer Kraft
sind füreinander durchs Feuer gegangen,
haben zusammen im Regen getanzt, extrem viel gelacht, ganz viel Spaß gehabt, Insider entwickelt
Insider gehipt,
Eine gemeinsame Geschichte geschrieben, die vielleicht für immer bleibt?

Vielleicht wird uns viel mehr verbinden,
als irgendwelche Kabelnetze in der Luft?
Vielleicht werden es die Erinnerungen sein,
die uns zusammenhalten und uns trotzdem werden lassen sein EIN?

Viel zu viel geht mir durch den Kopf.
Worüber soll ich schreiben?
Es gibt so viel zu erzählen.
Das, was wahrscheinlich wird Bleiben.

Aber selbst wenn es bleibt und das hoffe ich doch,
wie wird dann Alles weitergehen,
wenn wir die Dinge anders sehen,
alles anders versteh’n, auf eine andere Weise
NACH der Reise?

Wie wird es sein, wenn wir uns nicht mehr jeden Tag sehen,
wenn wir uns nicht mehr gegenseitig auf den Füßen stehen,
und uns teilweise echt auf die Nerven gehen?

Werden wir uns anders benehm‘,
wenn alles nicht mehr ist, sondern war?
Wir nicht mehr segeln oder klettern in die Rah,
wir nicht mehr auf dem Vorschiff liegen,
Dunkler und Heller Rat sich gegenseitig nicht mehr bekriegen,
wenn es im Unterricht nicht mehr wackelt,
die Lehrer nicht mehr durch die Messe fliegen,
wir das Deck nicht mehr schrubben
und uns nicht mehr vorm Großreihhhnschiff drücken.
Wie wird es sein?
Wird es alles anders sein daheim?
Wenn wir nicht mehr schlafen zu 11 in einem Raum,
nicht mehr träumen einen gemeinsamen Traum?

Wenn wir nicht mehr Spuren hinterlassen,
wir nicht mehr unendlich viel müssen abwaschen,
es keine Zahnputzpartys mehr gibt,
keiner mehr im Unterricht mit Kuscheldecke liegt,
du nicht mehr heimlich Querfraß begibst.
Wenn kp nicht mehr geht,
keiner mehr am Ruder steht.
Wenn wir das Deck nicht mehr von Rost befreien,
und die Johnny nicht mehr nennst dein Heim….

Viel zu viel geht mir durch den Kopf.
Was von all dem wird bleiben?
Was ist wichtig?
Werden wir aber trotzdem irgendwann weiter schreiten?

Vielleicht werden uns die Erinnerungen bleiben,
zu mindestens für einen gewisse Zeit –
aber werden wir sie dann irgendwann vergessen oder bleiben sie eine Ewigkeit?
Werden wir in ein paar Jahren noch daran denken?
Den so unglaublichen Geschichten glauben schenken?
Werden wir uns an all dies erinnern, glücklich darüber sein, dass wir einst mal waren ein?
Oder werden wir es vergessen und ganz normal weiterleben?

Können wir das überhaupt? Ich meine, es einfach vergessen
war es dafür nicht viel zu heftig, viel zu kräftig, viel zu prächtig,
viel zu nass, viel zu krass, mit zu viel Spaß
Viel zu gut, mit zu viel eigen Mut,
Viel zu schallend, viel zu krallend, viel zu hallend
Viel zu heiß, viel zu viel Reis mit Scheiß
viel zu toll , viel zu wertvoll, viel zu schwungvoll, viel zu anspruchsvoll, viel zu humorvoll
Viel zu geil, mit viel zu viel Style, viel zu viele Ersatzteile
viel zu lustig viel zu frostig
viel zu wunderbar, viel zu reizbar, viel zu greifbar, viel zu hautnah, viel zu unverwechselbar, viel zu untastbar
viel zu ja…unbeschreibbar

Viel zu viel geht mir durch den Kopf.
Worüber soll ich schreiben?
Es gibt so viel zu erzählen.
und ein Glück wird das alles BLEIBEN….

Johanna

Das letzte Mal?

Datum: 24. April 2017 (Tag 199)
Position: 47° 25,0′ N , 021° 45,4′ W
Etmal: 148 nm
Wetter: Luft 15°C, 1020 hPa, bedeckt, Wind ENE, 3 Bft.
von Karla

karlaWie so viele es jetzt schreiben werden, auch dieser Tagesbericht ist mein letzter. Alle sagen „Ohh, bei meinem letzten Tagesbericht muss ich etwas ganz besonderes schreiben“, doch was ist denn eigentlich anders als zu Anfang der Reise? Eigentlich nicht besonders viel. Zwar sind wir jetzt eine Gemeinschaft geworden, eine Familie, doch an den Segelmanövern hat sich eigentlich nichts geändert. Auch unser Kapitän vom Ablegen in Hamburg, Norbert, ist wieder an Bord und wird uns hoffentlich auch wieder sicher nach Hamburg bringen. Doch jetzt steuern wir erst einmal Richtung Portugal mit neu gesetzten Segeln, denn würden wir weiterhin mit der Maschine Richtung Heimat fahren und der Wind immer weiterhin zunehmen, dann würden wir leider zu viel Sprit verbrauchen und gar nicht mehr ankommen. Also konnten wir unsere Fähigkeiten beim Segelsetzen noch mal beweisen. Das letzte Mal?

Ja vielleicht, jetzt kommt die Zeit, wo wir immer sagen „das letzte Mal“. Doch es fing doch schon an mit dem letzen Mal die Last wieder einzuräumen. Morgen geht es weiter mit dem letzten Mal Backschaft auf See. Das letzte Mal mit Seegang und fliegenden Töpfen in der Kombüse, denn in Glückstadt ist alles wieder ruhig. Dann kommt irgendwann das letzte Mal Wache, das letzte Mal früh aufstehen. Auch das letzte Mal Grünen Plan machen und das letzte Mal Großreinschiff. Das letzte Mal die Last ausräumen und alle Sachen in die eigene Taschen packen. Alles aufräumen und alle High Seas Sachen, die entstanden sind, wie den High Seas Kalender und die Dekoration im Pumakäfig wieder abmachen.

Dann kommt auch schon die letzte Nacht, das letzte Mal in die eigene Koje steigen und merken, das letzte Mal so ein enges Bett. Das letzte Mal eine Zahnputzparty machen und das letzte Mal morgens aufstehen. Das letzte gemeinsame Frühstück und dann wahrscheinlich auch das letzte Mal auf die Toilette gehen und das letzte Mal die Klospülung mit dem Fuß betätigen. Und dann kommt ganz zum Schluss, das letzte Mal Ablegen, das letzte Mal Anlegen und das letzte Mal von der Jonny gehen. Wir alle, die eine Familie geworden sind, werden uns aber hoffentlich nicht zum letzte Mal sehen, sondern nur für eine bestimmte Zeit nicht.

Die ersten haben sich schon für Montag zum Döneressen verabredet und die nächsten planen schon den gemeinsamen Urlaub. Ich denke, dass wir hier alle Freunde fürs Leben gefunden haben und wir uns immer gerne gegenseitig besuchen und gemeinsam vielleicht die Sachen machen, dir wir jetzt gerade das letzte Mal nennen. Zusammen Kochen oder vielleicht auch zusammen Segeln gehen. Viele Dinge kann man jedoch nicht noch mal geschehen lassen, doch uns bleiben immer noch die vielen schönen Erinnerungen, die vielen Fotos und die Einträge ins eigene oder auch fremde Tagebuch. Danke für all das! Ganz viele Grüße,
Eure Karla

P.S.: Auch jetzt werde ich noch mal zum letzten Mal Grüße senden. An meine Eltern, meine Schwester, meine Großeltern und meine Freunde. Ich freue mich riesig euch alle wieder zu sehen.  Vielleicht ja am Samstag, den 06.05.2017 um ca. 11:00 Uhr am Klubhaus von Clipper DJS. Ich freue mich auf euch 😉