Großreinschiff

Datum: 15. November 2019
Position: Santa Cruz, Teneriffa, 28° 27,9′ N, 016° 14,7’ W
Etmal: –
Wetter: 1020 hpa, Wind N, 4 Bft., Luft 23°C, Bed. 8/8
von Lara

Zwischen Putzlappen und dem Tor zur Unterwelt. Ein leises Klicken kommt von der Kammertür, als sie vom Haken genommen wird und weit aufschwingt. Eine Gestalt tritt in die Mitte des dunklen Raums und ich drehe mich unruhig auf die Seite. Noch halb im Schlaf höre ich, wie Tim anfängt zu sprechen. Ein neues Weckgedicht. Was ich im Halbschlaf mitbekomme klingt wie: „Frühstück gibt“s um 7:30, beim Reinschiff sind hoffentlich alle fleißig.“ Da fällt es mir wieder ein und ich möchte mich am liebsten wieder umdrehen und weiterschlafen: Heute steht für alle Schüler das Großreinschiff an. Nach dem Frühstück versammeln sich alle Schüler um das Spill, noch halb schlafend aber satt. Der Kapitän verteilt die Reinschiffstationen, zuerst werden Freiwillige für die Reinigung der einzelnen Kammern gesucht. Ich wohne in Kammer 8 und melde mich, eine Entscheidung, deren Vernunft sich anzweifeln lässt. Muss man nämlich unter den Kojen fegen und wischen, begibt man sich auf eine gefährliche Mission. Zusätzlich mussten gestern noch alle Fächer ausgeräumt und unsere Sachen in Taschen geräumt werden, damit wirklich jeder Zentimeter gewischt werden kann.

Zugegeben bin ich noch gut weggekommen, viel gefährlicher haben es die armen Schüler Mika und Philippe, die den Längsgang putzen müssen. Hinter dem Hydraulikschott lauern unbekannte Welten, parallele Galaxien und, so vermuten die Betroffenen, das Tor zur Unterwelt. Zwischen Bergen aus Staub und Sandhaufen fragt man sich, auf welche neue Lebensform man wohl als nächstes trifft. Teilweise muss man mit Besenstiel und Stirnlampe bewaffnet vorgehen, um sich als Weltenzerstörer einen Namen zu machen. Wenn die Lappen schon nach einer Minute schwarz werden und das Wasser gefühlt zehn Mal gewechselt wird, fragt man sich, ob hier seid dem letzten Jahrhundert nicht mehr geputzt wurde. Wo kommt der ganze Dreck her, wenn man sich auf See befindet?

Ich widme mich auch meiner Pflicht und liege in meiner Kammer mit dem Oberkörper halb unter dem Stockbett. Mit einem Lappen kratze ich die Ecken aus und frage mich, was meine Freunde wohl grade zuhause machen. Man fühlt sich wie ein Archäologe auf einer Ausgrabungsstätte, denn man findet die seltsamsten Dinge. In Kammer 2 wurde sogar ein herrenloser Backenzahn entdeckt. Die Gerüchte behaupten, er gehöre der sagenumwobenen Ursula S. Für das heutige bis jetzt größte Reinschiff der Reise geht der halbe Tag drauf, aber das gehört eben dazu. Wenn 48 Menschen mehrere Wochen auf engstem Raum zusammenleben, ist Sauberkeit eben notwendig. Danach werden alle Schüler mit ausgiebigem Landgang und Handys belohnt und alle sind erleichtert, dass die Roald jetzt wieder blitzsauber ist.

Der Nachmittag wird mit persönlicher Proviantierung für die Atlantiküberquerung verbracht, es muss schließlich genug Süßigkeiten für vier Wochen geben. In ein paar Tagen geht die Reise schon los und wir sind alle nervös und gespannt auf die Zeit, die wir von der Außenwelt komplett abgeschnitten, ohne Smut, ohne Landgang und mit den immer gleichen Menschen verbringen werden. Um 22:00 Uhr sind alle Schüler wieder an Bord und ich gehe so schnell wie möglich schlafen, denn zur Hafenwache muss ich um 3:30 Uhr wieder aufstehen.

Ich grüße meine Eltern (danke für die Post), Oma, Saschi, Johanna meine Süße, Serra, Emily, Zementmampf, Malin und die anderen Förstemanns, die ganze Groviet Union und alle anderen vom HWG, ich vermisse euch <3
Lara

Grüße:
Liebe Grüße an alle Familien, Freunde und Haustiere an Land, wir vermissen euch und freuen uns über jeden Brief, der bei uns ankommt <3
Lukas grüßt zuhause
Bene grüßt seine beste Oma auf der ganzen Welt