Auf dem Weg nach Costa Rica

Tag: 7. Januar 2018
Ort: Panama
Wetter: k. A.
von Paul

Die letzten Happen vom Frühstück werden genussvoll heruntergeschluckt und die Reißverschlüsse der Rücksäcke zugezogen. Tränen fallen bei der Verabschiedung der Stammcrew, die wir in den letzten drei Monaten so lieb wie unsere Familien gewonnen haben. Sehnsüchtige Blicke der Stammcrew treffen in unsere strahlenden Augen. Die nächste Zeit wird für uns eine ganz besondere werden. Eine so ganz andere und vermutlich sehr erlebnisreiche Zeit in unserem Lebens. Fester Boden erwartet uns, der Boden eines für viele von uns noch komplett unbekannten Landes, eine völlig neue Kultur mit einer anderen für uns fremden bzw. neuen Lebensweise, fernab von unserem Europa.

Der Motor heult auf und unser Bus rollt langsam über den nassen, schlammigen Boden. Ein letzter Blick auf die Roald und all das, was wir jetzt erst einmal hinter uns lassen werden. Das Zuhause der letzten drei Monate, die atlantische Schule und viele lieb gewonnene Menschen. Gemütlich arrangiert man sich in seinem Sitzplatz. Es gibt nicht sehr viel Platzt, aber er ist ausreichend. Tief im Inneren des Busses ruckeln die Rucksäcke mit den Bewegungen des Busses hin und her. Gleichmäßig ruhig, im Einklang mit den Schlaglöchern der Straße. Die Stimmung ist fröhlich, heiter und voller Freude. Wohnzimmeratmosphäre überwuchert den Bus und zusammen werden Filme werden geschaut. Wie lange die Fahrt dauern wird, weiß keiner, aber es wird wohl länger werden.

Zum Mittagessen zieht es uns weg von der Hauptstraße hin zu einer kleinen, aber durchaus noch touristischen Raststätte. Man merkt sofort, dass wir hier nicht in Deutschland sind, sondern in einem fernen Land. Alles geht hier ein wenig ruhiger zu – entspannter. Der Hunger ist mächtig groß und die Schlange, in der hier ansässigen Panadería, reicht nun schon zur Tür. Das Wasser läuft einem im Mund zusammen, als die ersten von uns in ihre Burger beißen, ihre Hähnchenschenkel abknabbern oder den Schokoladenkuchen genießen.

Weiter geht es, vorbei an Palmen, natürlicher Vegetation, Industrie-Firmen und kleinen Hütten. Die Sonne begleitet uns nun schon die ganze Zeit auf unserem Weg. Und wie nicht anders zu erwarten, beschert sie uns mal wieder einen unvergesslichen Sonnenuntergang. Er ist anders, die Farben strahlen nicht ganz so, aber sie leuchtet direkt in unsere Herzen.

Die Dunkelheit zieht über uns her und hüllt alles um uns herum in einen ruhigen und friedlichen Nachtschleier. Nach 11 Stunden Fahrt erreichen wir das „Lost&Found-Hostel“. Stampfende Schritte und ein Rudel Moskitos begleiten uns auf den letzten Metern bis wir endgültig angekommen sind. Der knurrende Bauch wird mit einem kulinarischem Essen aus Reis, Gemüse, Hähnchen und einem Früchtesalat verwöhnt. Gemütlich findet der Abend langsam sein Ende und es verschlägt uns alle in die riesengroßen, weichen, ja fast schon perfekten Betten. Viele Liebe Grüße aus dem fernen Panama!
Paul

P.S.
1. Kjell grüßt ganz lieb Ingrid und Walter. Alles Gute wünscht er auch Ole und Jule in Berlin!

 


14. Januar
Neue Fotogalerie (Nr.7)…!!!
„Atlantik II & Martinique“

 

Wohin des Wegs?

Datum: 15. Dezember 2017
Position: 14°29,9’N, 056°1,55’W
Etmal: 118 NM
Wetter: Wasser 27°C, Luft 28°C, Windstärke 4
von Paul

Mit der rechten Hand halte ich es am obersten Punkt. Mit der anderen seitlich. Eigentlich gibt es kein Oben, aber ich nenne es jetzt mal Oben. Lackiertes Holz liegt mir zwischen den Fingern. Leicht abgenutzt und schon ein wenig rau, doch eigentlich ist es noch sehr schön und ein echtes „Muss“. Da stehe ich am Ruder. Die Sonne strahlt mit 30 Grad aufs Deck. Unter dem Sonnensegel auf der Brücke ist es angenehm. Ein lauer Wind streift an meiner rechten Schulter vorbei. Kühl und erfrischend. Neuer Kurs: Zwei-Vier-Fünf wird mir gesagt. Ich wiederhole pflichtbewusst: „Zwei-Vier- Fünf.“ Das Meer ist leicht aufgebraust und ich muss achtsam sein, aber das bin ich. Ich lege das Ruder zwölf Grad steuerbord. Die Roald befindet sich bei Kurs Zwei-Vier-Drei. Langsam drehen wir wieder nach steuerbord. Zwei-Vier-Drei – Zwei-Vier-Vier. Im Rhythmus der Wellen zieht sie ruhig ihren Weg durch das Wasser. Auf direktem Kurs nach Martinique. Zwei-Vier-Fünf. Mein Steuermann fragt mich, was denn anliege. Ich antworte: „Zwei-Vier-Fünf, Kurs liegt an.“ Zufrieden nickt er und dreht sich wieder um. Er blickt in die Ferne, verfolgt die Wellen und den Horizont.

Neben mir bemerke ich eine Stimme, doch in Gedanken bin ich immer noch woanders. Erst als ich das zweite Mal meinen Namen höre, drehe ich mich um. Neben mir steht ein Junge in einem khaki- farbigen T-Shirt. Er ist leicht größer als ich, das Haar hängt ihm ins Gesicht und er lächelt ein wenig verschmitzt. „Hey?“, fragt er mich ein weiteres Mal. „Ja“, antworte ich verträumt. „Welchen Kurs fährst du?“ Ich schaue kurz auf und lenke dann wieder meinen Blick auf den Kompass. Zwei-Vier-Sechs liegt gerade an. Ich müsste mal wieder zurücksteuern. Zwei-Vier-Fünf soll ich ja fahren. Mir fällt ein, dass ich dem Jungen noch eine Antwort schulde. Ich antworte ihm: „Kurs Zwei-Vier-Fünf soll ich fahren.“ Er wirft noch einen schnellen Blick auf meinen Kompass, schmunzelt, murmelt noch irgendetwas vor sich hin, was ich aber nicht mehr verstehe. Mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck entfernt er sich in einem raschen Tempo. Im Augenwinkel sehe ich noch seinen Schatten hinter dem Deckshaus verschwinden. Ich konzentriere mich wieder auf mich und den Kompass. Seit 43 Minuten stehe ich nun schon hier. Ein kurzer Blick auf die Ruderlageanzeige verrät mir: immer noch zwölf Grad steuerbord. Ich denke kurz nach und lege das Ruder wieder auf neun Grad steuerbord. „Klar zum Setzen der Fock“, trägt der Wind in mein linkes Ohr. Viele schnelle und rasche Schritte entfernen sich von der Brücke, es wird mit Tampen hantiert und ich höre weitere Kommandos, die mich aber nicht betreffen.

Ich wende meinen Blick auf das Ruder und dann wieder auf den Kompass: Zwei-Vier-Vier. Alles im grünen Bereich. Damit das so bleibt, lege ich das Ruder abermals, dieses Mal aber auf nur auf elf Grad steuerbord. Schritte nähern sich der Brücke, aber es ist nicht die Wache, die von ihrem Manöver zurückkehrt, sondern mein Steuermann. „Neuer Kurs: Zwei-Vier-Null!“, höre ich. Ich entgegne und bestätige: „Neuer Kurs: Zwei-Vier-Null“. Flink lege ich das Ruder auf fünf Grad steuerbord. Zwei-Vier-Fünf – Zwei-Vier-Vier. Um auszugleichen, lege ich das Ruder schon mal auf acht Grad steuerbord. Gemächlich bewegt sich die Roald nach backbord. Zwei-Vier-Null – Zwei-Drei- Neun. Knapp über das Ziel hinaus. Zwei-Drei-Neun – Zwei-Vier-Null. Nochmal alles gut gegangen. Ich blicke kurz auf und halte nach meinem Steuermann Ausschau. Ich finde ihn in der hinteren Ecke steuerbords auf der Brücke. „Kurs liegt an!“, rufe ich zu ihm hinüber. Er grummelt ein kurzes „Danke“ vor sich her, ich nehme mal an, dass er mich damit gehört hat.

Die Glocke läutet und eine Schar Schüler versammelt sich unmittelbar an Deck direkt neben dem mittleren Niedergang. Es ist halb Vier und ein Kuchenblech schwebt von der Kombüse durch die Menschenmenge. Zufriedene Gesichter bemerke ich am Rande, schmatzend und strahlend über den vorzüglichen Streuselkuchen. „Mann am Rohr geht vor“, höre ich aus der Menge heraus und sofort wird ein Stück Kuchen in Richtung Brücke gegeben. Mit dem „Mann am Rohr“ bin wohl ich gemeint und man bringt mir ein Stück Kuchen. Besonders groß und besonders lecker. Ich muss aufpassen, nicht alles auf einmal zu essen, denn der Kuchen schmeckt echt gut. Als sich das letzte Stück Kuchen vom Blech entfernt und die letzten Krümel aufgeklaubt sind, löst sich die Menge wieder und es wird ruhiger. Und ich? Ich stehe immer noch am Ruder.
Paul

P.S.:
1. Paul grüßt seine Familie und wünscht Frohe Weihnachten.
2. Johanna grüßt die Albatros-Winterarbeiter – passt gut auf unseren Vogel auf
3. Viele liebe Grüße und einen schönen 3. Advent an alle „Langener“, „Niersteiner“ und besonders ii, ich freue mich euch bald wieder zu sehen. Euer Friedrich