Sternstunden: Von persönlichen Erfolgserlebnissen und schönen Momenten (Teil II)

Datum: 4. Dezember 2017
Position: 14°55,8’N, 038°06,8’W
Etmal: 140 NM
Wetter: Wasser 27°C, Luft 27°C, Windstärke 5-6
von Katharina

Auch heute beginnt mein Tag nicht schlecht: Dank einer per Lehrerkonferenz beschlossenen Stundenplanänderung (es sollen schließlich alle Hauptfächer einmal in den Genuss kommen dürfen, in den ersten beiden Unterrichtsstunden unterrichtet zu werden) darf ich auch diesen Tag als unterrichtsfrei betrachten – und tatsächlich wird heute auch vergessen, in der Lehrer-Kammer wecken zu gehen, sodass ich eine volle Stunde mehr Schlaf bekomme. Hier vor Ort eigentlich keine so schlechte Schüler-Taktik: Einfach mal die Lehrer-Kojen beim morgendlichen Wecken „vergessen“ – in der Hoffnung, dass aus (Vertretungs-) Lehrermangel etwa der Unterricht ausfällt??? . Als Christine wie von der Tarantel gestochen plötzlich aus der unteren Koje springt und tipptopp Einsatz bereit in der Senkrechten steht, haste auch ich durch die „kammerdurchflutende“ Hektik mit genügend Adrenalin versorgt, „diffus-mitgeschockt“ aus meiner Koje und finde mich um 8:30 Uhr – zumindest dann jetzt vorbildlich – mit Stift, Block und meinen zwei schon bekannten Fragen auf der Brücke ein. um mein begonnenes „Zwei-Tage-Werk“ „zu vollbringen“. Dort steht Laurine am Ruder und Anouk sitzt mit ihrem Spanisch-Reader daneben und fragt Vokabeln ab. Mit meiner Fragerei:
1. Was ihr größtes persönliches Erfolgserlebnis und
2. Was ihr schönstes Erlebnis auf der bisherigen HSHS-Reise war, muss ich mich noch ein wenig gedulden, aber dann bekomme ich sorgfältig überlegte Antworten:

Laurine: 1. „Die Gipfelbesteigung des Teides und dass ich auf der Etappe Cherbourg-Vigo bei Sturm und Regen die Royal eingepackt habe – es war einfach ein richtig gutes Gefühl, dabei mitgeholfen zu haben!“
2. „Zu meinen bisherigen „Highlights“ auf dieser Reise zählt: Der erste Landgang, bei dem wir alleine (= in Dreiergruppen, aber ohne Lehrer) durch Cherbourg gelaufen sind – das war voll schön! Der Sonnenaufgang, durch den ein riesiger Vogelschwarm flog, als wir nah an der spanischen Küste entlangsegelten und Vigo in der Ferne schon sichtbar wurde; das Kapitänsdinner (von Reiner) beim Ankern vor Vigo mit einem wunderschönen Sonnenuntergang und Blick auf die „Lichter-Bucht“ Vigos sowie die erste Sichtung von Delfinen und Walen, weil das für mich das Zeichen war, dass wir nun wirklich auf dem Weg nach Süden sind.“

Anouk: 1. „In der „Sturmnacht von Cherbourg“ war ich in der 8-12-Wache, bin aber schon um 6:00 Uhr morgens aufgestanden und habe mitbekommen, dass an Deck nur noch zu dritt gearbeitet wurde. Mit als eine der ganz wenigen, die noch fit waren, habe ich dann geholfen rundzubrassen – die Verantwortung für das Schiff und die Mannschaft in dieser Situation mitzutragen, war ein gutes Gefühl!“
2. „Die entspannten Tage vor Selvagem Grande: Einfach genial das Gefühl, ins Meer springen zu können, während die anderen Spanischunterricht haben. Das war für mich das Zeichen, dass man nun wirklich aus seinem normalen (Schul-)Alltag und von zuhause weg ist (= ein „unwirklicher Moment“).“

Steuerbords um die Ecke kommt nun die Steuerfrau der 8-12-Wache (Ariane) auf die Brücke, um dezent über Laurines Schultern hinweg den aktuell gesteuerten Kurs „zu kontrollieren“. Ich nutze die Gelegenheit, auf (hoffentlich) ebensolch dezente Weise meine Fragen an den Mann (bzw. die Frau) zu bringen, und freu mich, als mir mit einem verschmitzt-schelmischen Lächeln folgende Antworten gegeben werden:

Ariane (Steuerfrau und Kapitän seit vielen, vielen Jahren auf unterschiedlichen Schiffen in Kanada): 1. …, dass ich inzwischen schon 795.100 Punkte bei meinem Tetris-Spiel erlangt habe.“
2. „Die Delfine, die nachts vorne am Bug durch das Leuchtplankton geschwommen sind und geleuchtet haben. Dabei hatte man eine ganz klare Sicht auf sie … – … ich könnte direkt wieder anfangen zu weinen, wenn ich nur an dieses wunderschöne Schauspiel denke!“

Ich stelle fest: Um diese Uhrzeit ist die Brücke nicht so hochfrequentiert-besetzt wie zur Mittagszeit … ich muss meine Interviewpartner also aktiv an ihren derzeitigen Arbeitsplätzen aufsuchen – da entdecke ich Milena links vorne backbords, wo sie gerade den Schiffs-Ausguck macht. Da wir seit Tagen recht „schiffsverkehrlos“ über den Atlantik schaukeln, setze ich mich mit Stift und Block vor ihr auf den Decksboden hin. Ich störe nicht und kann bequem warten, bis sie sich meine beiden Fragen in Ruhe und mit Blick auf die Fernen der Atlantik-Wasserwüste durch den Kopf gehen lassen hat:

Milena: 1. …, dass ich trotz meiner Höhenangst auf die Royal (= 30 Meter Höhe) geklettert und vom Klüverbaum (= 8 Meter Höhe) gesprungen bin!“
2. „Mein schönstes Erlebnis bisher war, dass wir Mitte November in Porto Santo zum Strand gegangen und geradewegs einfach in den Atlantik hineingerannt sind. Das Wasser war über 20 Grad warm! Das war für mich das Zeichen, dass die Reise jetzt wirklich begonnen hat und wir unterwegs sind – ein krasses Gefühl, denn so etwas würde ich jetzt ja zuhause nicht tun können.“

Immer noch ist das Deck deprimierend „interviewpartnerleer“ … ich gehe also in die Kombüse und frage, ob erst Nico und dann Theo B. für 5 Minuten entbehrlich wären. Nickende Köpfe: „Ja, sind sie!“ Das schmutzige Frühstücksgeschirr ist gespült, das vorbereitende Brot- und Plätzchenbacken hat noch etwas Zeit- man hat also „Lose“ (= vorrübergehender Zeitraum, in dem man keine Schiffsaufgabe, keinen Auftrag hat – man könnte auch sagen „arbeitslos ist“) für mich:

Nico: 1. „Die zwei bisher größten Herausforderungen, die ich auf dieser Reise gemeistert habe, waren zum einen die Besteigung des Teides und zum anderen, dass ich es mit meiner Backschaft, also mit zwei weiteren Schülern, geschafft habe, !!! 45 Personen !!! satt zu bekommen.“
2. „Ich genieße vor allem die Badestopps, die wir zwischendurch immer mal wieder einlegen, und die Klettertage, wenn es hoch ins Rigg (vor allem auf die Royal) geht; die Filmabende an Deck – und darüber hinaus bin ich ein großer Fan von Landaufenthalten! Insbesondere der Landaufenthalt in Teneriffa hat mir sehr gut gefallen, da er etwas länger war und wir zwei Geburtstage (Arthur und Carlotta) feiern konnten. Auch das Treffen und der Austausch mit den Schülern von der „Thor“ und „Thalassa“ fand ich richtig schön!“

Theo B.: 1. „Jedes Mal, wenn ich auf den dünnen Wanten nach der zweiten Saling klettere.“
2. „Das Abendessen in der Bucht vor Vigo mit Aussicht auf die kleinen Strände und die erste Delfin-Sichtung kurz nach Cherbourg: Ich lag gerade „freischwebend“ vorne auf dem Klüverbaum, die Delfine schwammen direkt unter mir vor dem Schiff her, sodass ich das Gefühl hatte, ich würde mit ihnen mitschwimmen.“

Inzwischen sehe ich, dass die Brücke zu Leben erwacht: Ich kann Andreas (unser Maschinist), der höchstpersönlich das Ruder übernommen hat, und Friedrich (unsern Kapitän) erspähen, später dann gesellen sich auch Isa, Carlotta, Freyja und Arthur an diesen einzigen Platz des Sonnensegel-Schattens. Nachdem Arthur das Ruder übernommen hat, lasse ich alle sechs über meine Fragen sinnieren:

Andreas: 1. „Das gute Miteinander mit den Kids – dass es bisher wenig Reibungspunkte zwischen ihnen und mir gab.“
2. „Ich freue mich darauf, am 12.12.2017 mein erstes Adventskalendertürchen auf See öffnen zu dürfen! Einen Adventskalender auf See – das gab es bisher noch nicht, obwohl ich schon öfters Weihnachten und Sylvester auf See verbracht habe.“

Friedrich: 1. “ …, dass ich nach langer Zeit mal wieder mithilfe des Sextanten eine Position auf See bestimmt habe.“
2. „Als wir nach 4 Tagen und 3 Stunden Maschinen-Fahrt Emma (= Motor) in ihren wohlverdienten Atlantik-Schlaf entließen und endlich die Segel gesetzt haben! Und: Mal wieder die Royal auszupacken.“

Isa: 1. „Backschaft ohne Smut und Klettern im Rigg – ohne Angst und sogar Spaß dabei zu haben.“
2. „Die Tage vor Selvagem Grande; Filmabende an Deck – und die Atlantiküberquerung insgesamt, denn seitdem wir diese Etappe begonnen haben, sind wir als Mannschaft ein eingespieltes Team und das Segeln macht richtig Spaß!“

Carlotta: 1. „Die Teide-Besteigung und dass ich die Anfangszeit (raue See, kaltes Wetter, Sturm, Seekrankheit) gemeistert habe sowie vom Klüverbaum (= 8 Meter Höhe) gesprungen bin.“
2. „Highlights“ waren bisher für mich: Das Badengehen in Porto Santo, die entspannten Tage vor Selvagem Grande (= schwimmen, schnorcheln, Seele baumeln lassen) und immer wieder die Sonnenuntergänge, die ich oben auf der Royal genießen darf!“

Freyja: 1. “ … als ich das erste Mal als „Schüler-Toppsi“ das Setzen des Außenklüvers anleiten durfte!“
2. „Der Moment, in dem ich auf dem Klüverbaum stand und unter mir der erste Delfin aufgetaucht ist. Das war das Zeichen für mich, dass die Reise wirklich begonnen hat!“

Arthur: 1. …, dass ich das Einholen der Vorleine beim Ablege-Manöver vom Hafen Teneriffas anleiten durfte.“
2. „Das Badengehen am Strand von Porto Santo: Gemeinsam ins Wasser zu rennen, obwohl doch eigentlich Winterzeit ist! Die erste Nachtwache ohne Ölzeug, nur in T-shirt und kurzer Hose – das war ein irgendwie befreiendes Gefühl!“

Nachdem ich meine Notizen beendet habe, wird mir von Annika, die sich derweilen „unauffällig“ neben mich gesetzt hat, mein eigener Stift und Block aus der Hand genommen. Ehe ich erfolgreich protestieren kann, hat sie den Rollenwechsel auch schon geschickt vorgenommen: Die Fragende wird selbst zur Befragten und muss – ganz überfordert von der ihr plötzlich abverlangten „Spontanität“ – ein Weilchen nachdenken bis sie Antwort geben kann:

Katharina: 1. „Meine ersten (Deutsch-) Unterrichtsstunden in warm-schwankendem „Urlaub-Ambiente“ recht annehmbar gestaltet und abgehalten sowie ca. 35 Tagesmeldungen trotz Seekrankheit UNTER DECK!!! korrigiert zu haben.“
2. Meine bisherigen „Sternstunden“ der Reise waren: Die tollen Schülerreaktionen auf den Unterricht – trotz der stürmisch-rauen Anfangszeit, den vielen Anforderungen des Schiffbetriebes, des engen und noch nicht routinierten Zusammenlebens – und trotz des dann aufziehenden Urlaubwetters seit Porto Santo – haben sich alle wirklich richtig Mühe gegeben, sich ernsthaft auf den Unterricht einzulassen und engagiert mitzuarbeiten (= Sternstunde für mein „Lehrer-Herz“ ;-))! Die schönen Gespräche mit Annika nachts bei Vollmond und Sternenhimmel auf der ersten – und ja sogar auf der ZWEITEN!!! – Saling – und nun (endlich) den ganzen Tag und die ganze Nacht lang frische Meeresluft auf der Haut spüren zu können!“

Auf der Brücke oder spätestens dann Mittelschiffs treffe ich im weiteren Verlauf des Tages auch Janis, Ronald, Peter, Eike, Annkatrin, Tamina und Jürgen an. Andy wird mir für meine Interviewzwecke freundlicherweise wieder für 5 Minuten aus der Nachmittagsbackschaft ausgeliehen. Wieder mache ich die Erfahrung, dass zunächst eingehend nachgedacht wird, bevor ich Antworten bekomme:

Janis: 1. “ …, dass ich bei starkem Seegang auf die Royal geklettert bin, um das Segel beizufangen!“
2. „Der Sonnenuntergang, den ich mit Tom L. auf der Vor-Royal beobachtet habe.“

Ronald: 1. “ …, dass wir (die Wache 4-8) nach anfänglichen Schwierigkeiten nun seit Teneriffa wieder eine harmonische Wache sind.“
2. „Das maritime Wetter um diese Jahreszeit und das Segeln nach Westen – einfach Atlantik pur erleben!“

Peter: 1. Völlig ernst: „Mein Ablege-Manöver vom Hafen Teneriffas mit einem so großen Schiff wie der Roald – und dann mit leicht selbstironisch-augenzwinkerndem Unterton: dass ich dabei nirgendwo gegen gefahren bin, fand ich schon echt gut!“
2. „Der Moment „Motor aus und Segel setzen“!“

Eike: 1. “ …, dass ich es hoch auf den Gipfel des Teides geschafft habe!“
2. „Der Wal vor Vigo, der aus dem Wasser gesprungen ist, und die Delfine im Leuchtplankton.“

Annkatrin: 1. “ …, Rosa, Yara und Carlotta dazu motiviert zu haben, sich auf die Arbeit an Deck einzulassen und dabei Freude zu haben.“
2. „Nach einer meiner Nachtwachen achtern zu stehen, ins Leuchtplankton zu schauen und mir klar darüber zu werden, gerade mitten auf dem Atlantik zu sein!“

Tamina: 1. “ …, dass ich bis zur Mastspitze hochgeklettert bin und die Flagge berührt habe!“
2. „Die Wal-Sichtung (Gustav) zwischen Vigo und Teneriffa.“

Jürgen: 1. „Die Gelegenheit gefunden zu haben, mich auf dem Schiff in Ruhe zurückziehen und ein paar persönliche Dinge für mich durchdenken und klären zu können.“
2. „Eindeutig und 100prozentig der Wal, den wir springen gesehen haben und der uns seinen weißen Bauch gezeigt hat – das geht mir immer noch durch und durch, wenn ich an diese Bilder zurückdenke!“

Andy: 1. “ …, dass ich in der mittel-schnellen Wandergruppe die Gipfel-Besteigung des Teides geschafft habe und als ich zum ersten Mal fehlerlos ein Vorsegel gesetzt habe.“
2. „Die Aussicht über den Wolken auf dem Teide-Gipfel sowie dem Vulkan von Porto Santo – und als wir nach der Vulkanbesteigung am Strand von Porto Santo schwimmen gegangen sind; die Sonnenaufgänge und -untergänge in meiner 4-8-Wache.“

Um meine Befragung vervollständigen und abschließen zu können, muss ich mich dann doch ganz hinten nach achtern durch ein plötzlich ganz aufgeregtes „Pulk von Fischern“ durchschlagen. Da erblicke ich dann endlich auch Kjell – ein strahlendes Lächeln übers ganze Gesicht, stolz mit einem frisch gefangenen Fisch in der Hand. So lässt man sich doch gerne interviewen ;-):

Kjell: 1. “ …, dass wir die Angel-Pechsträhne überwunden haben und nach ganz vielen Köderabbissen nun endlich jeden Tag Fische fangen (Fr, 01.12.: 1x Barrakuda; Sa, 02.12.: 4x Barrakuda & 1x Goldmakrele; So, 03.12.: 1X Goldmakrele; Mo, 04.12.: 2x Stachelmakrele).“
2. „Zu meinen „Highlights“ gehört auf jeden Fall die Wetterveränderung (= Wärme) ab Porto Santo, die Vulkanwanderung, das Schwimmengehen bei 25 Grad und das Pizzaessen im Mondschein am schwarzen Sandstrand von Porto Santo.“

Projekt „Sternstunden-Befragung“ beendet, begebe ich mich wieder auf die Brücke, um dort mein inzwischen entstandenes Kleinbüro (sehr zu Steuermanns-Freude) wieder abzubauen. Da hat der 1. Steuermann eine schöne, das Projekt abrundende Anregung: „Neben den individuellen Erfolgserlebnissen und schönsten Momenten eines jeden einzelnen hier an Bord, gab es aber auch ein größtes und schönstes gemeinschaftliches (Erfolgs-)Erlebnis! Sollten wir das nicht auch mit in die „Sternstunden-Sammlung“ aufnehmen?“

„Unbedingt! – das sollten wir!“: Als bisher größtes Erfolgserlebnis bzw. geniales Erlebnis der gesamten Schiffscrew bezeichnet der 1. Steuermann (Jörg) das Ablegen unter Segeln vom Hafen Cherbourgs, denn das war kein leichtes, sondern ein sehr anspruchsvolles Manöver, bei dem alle in super Teamwork zusammengearbeitet haben! Auch das gemeinsame Überstehen der „Sturmnacht von Cherbourg“ ist ein Erfolgserlebnis der gesamten Mannschaft. Wie es die Einzelkommentare der Schüler schon vermuten lassen, kann man, laut HSHS-Projektleitung an Bord (Verena), die entspannten, aber auch abwechslungsreichen Tage vor Selvagem Grande als das bisher schönste Gemeinschaftserlebnis herausstellen (= nach bestandenen „Stürmen“ gemeinsam auch mal ein bisschen Urlaubsfeeling genießen: Schwimmen, schnorcheln, Seele baumeln lassen).

Wir sind auf unserem Weg (angekommen): Jeder einzelne auf seine Weise und mit allen gemeinsam zusammen!
Katharina

P.S.:
1. Ich wünsche meiner Schwester Milena alles Gute zum Geburtstag! (Janis)
2. Ich danke allen, die mir imaginär zum Geburtstag gratuliert haben! Mama leider kein Feuer an Bord, freue mich trotzdem jeden Morgen riesig (Grüße sind angekommen)! Tajik bald wieder Happy Birthday pfeifen. War ein super Geburtstag! (Max)

Sternstunden: Von persönlichen Erfolgserlebnissen und schönen Momenten (Teil I)

Datum: 01. Dezember 2017
Position: 16°57,2’N, 030°37,6’W
Etmal: 82 NM
Wetter: Wasser 26°C, Luft 27°C, Windstärke 4
von Katharina

Der Tag beginnt für mich bestens: Ich wache in meiner schon nicht mehr als ganz so überhitzt wahrgenommenen Koje bzw. Kammer auf – sehr zu meiner Freude das erste Mal seit drei Tagen sogar OHNE Kopfdruck und Schweißfilm auf der Haut. Ich stelle fest: Das von Isa empfohlene feuchte Funktionshandtuch hat also seinen Zweck erfüllt und die Hitzeplage tatsächlich gebannt. Einfach Gold wert der Tipp, denke ich und lasse mich erleichtert und entspannt für einen klitzekleinen weiteren Moment zurück in mein Kopfkissen fallen, denn erfreulicherweise darf ICH diesen Tag – dank der Tatsache, dass ich mein Unterrichtspensum für diese Woche schon „abgeleistet“ habe – als unterrichtsfreien Tag betrachten. Ich habe heute Morgen also Zeit für eine lauwarme (26 Grad Wassertemperatur), aber im Fahrtwind dennoch erfrischend-kühlende Salzwasserdusche mit der Pütz, die ich Achterdecks ausgiebig genieße (= in Zeiten der durch den Maschinisten, Andreas, mit liebevollen Adlersaugen streng bewachten (Süß-)Wasserrationierung angle ich mir OHNE schlechtes Gewissen statt vier Pützen gleich acht Pützen aus der großzügigen „Atlantik-Quelle“).

Danach bin ich bereit für die nächste Großtat an Bord: Die Tagesmeldung – heute einmal selber – zu verfassen . Das gestrig abendliche „Achterngespräch“ mit Annkatrin (z.Z. Deckshand der 0-4-Wache), bei dem wir auf die Weite des Mond beschienenen Atlantiks blickend über persönliche Erfolgserlebnisse und schöne Momente des bisherigen Törns ins Philosophieren gerieten und uns über Schüler, die immer mehr über sich hinauswachsen, freuten, inspirierte mich dazu, mich nun bewaffnet mit einem Stift, einem Block und zwei Fragen – es ist Zeit für eine kleine „Bestandsaufnahme“ – auf die Brücke zu setzten, wo ich zunächst Verena, Greta, Rosa, Vroni und Martin antreffe. Auf meine beiden Fragen:
1. Was ihr größtes persönliches Erfolgserlebnis und
2. Was ihr schönstes Erlebnis auf der bisherigen HSHS-Reise war, werden mir folgende Antworten gegeben:

Verena: 1. “ …, dass das mit der Organisation des wechselnden Ablaufs von Schule und Wache im Bordalltag so reibungslos gut läuft, weil die Stammcrew diesen veränderten Bordbetrieb so engagiert mitträgt.“
2. „Mein Sprung in den Atlantik direkt aus dem Klassenzimmer (Deck der Roald) nach einer meiner Erdkunde-Unterrichtsstunden vor Selvagem Grande.“

Greta: 1. “ …, dass ich in der Sturmnacht auf der Etappe Kiel-Vigo bei 7-8 Windstärken, 9 Knoten Fahrgeschwindigkeit und 5 Meter hohen Wellengang zunächst die Segel der Vor-Bram und danach als einzige Schülerin zusammen mit drei Stammcrew-mitgliedern das Segel der Groß-Bram beigefangen habe.“
2. „Ein einzelnes „großes Highlight“ kann ich nicht benennen. Es gibt viele „kleinere Highlights“, die ich bisher erlebt habe, unter anderem zum Beispiel das Schwimmen in der Biskaya mit 4000 Metern Wassertiefe unter mir, die Wal-Sichtung auf der Etappe Vigo-Teneriffa und die Dinghi-Fahrt um die Roald herum vor Selvagem Grande.“

Rosa: 1. “ …, das gemeinsame Segelpacken auf der Obermas bei starkem Wind und Seegang im Dunklen vor Porto Santo, denn das hat zum ersten Mal völlig „angst- und unsicherheitsfrei“ richtig gut geklappt – und das obwohl ich kaum etwas sehen konnte, da ich meine Brille nicht dabei hatte.“
2. „Der gemütliche Abend an Deck vor Anker der Insel Selvagem Grande, an dem wir gemeinsam mit dem Kapitän (Reiner) Musik gemacht und gesungen haben; der gestrige Wachwechsel (30.11.17), bei dem die Wache 3 unserer Wache 1 bei warmen Temperaturen „Schneeflöckchen“ vorgesungen hat; fröhlich-ausgelassene Backschaften mit Musik und gemeinsamen Gesang.“

Vroni: 1. “ …, dass mir unser Kapitän (Thomas) im Hafen von Cherbourg zugetraut hat, das Dinghi im Dunklen zu fahren, obwohl ich keine Vorkenntnisse hatte – und dass das echt gut geklappt hat!“
2. „Besonders schön war (und ist es immer wieder), auf der (ersten) Saling zu liegen und den Sternenhimmel zu genießen.“

Martin: 1. “ …, dass ich als „Toppsi des Tages“ (Schüler bzw. in diesem Fall Lehrer, der für einen Tag die Rolle des Toppsgasten übernehmen darf) das Brigg-Segel setzten durfte und dass das mit der Verproviantierung für die Etappe Teneriffa-Martinique gut geklappt hat!“
2. „Als ich um 9:00 Uhr morgens mitten auf dem Teide telefonisch von Jörg mittgeteilt bekommen habe, dass ich mich nicht mehr um den Einkauf und das Verproviantieren des Gemüses, des Obstes, des Käses und des Fleisches kümmern muss, weil das freundlicherweise Greta, Johanna, Lilly und Jörg – nach sensationeller Instruktion meinerseits im Vorfeld – übernommen haben.

Während ich meine „Befragung“ durchführe, intensiv zuhöre, mit dem Notieren kaum noch hinterherkomme – und immer wieder die Antworten begrenzen muss, weil die Erinnerungen – vor allem an schöne Erlebnisse und Momente – „überzu-sprudeln“ beginnen, hat die Besatzung der „Brückenhocker“ gewechselt. Zum gemütlichen Verzehr ihres Mittagessens haben sich derweilen Paul, der das Ruder übernommen hat, Christine, Yara, Annika, Lilly, Max und Will versammelt. Nach einer Weile gesellen sich auch Rasmus, Johanna und Jörg dazu. Ich nutze die Gelegenheit, um auch ihnen Antworten auf meine beiden Fragen zu entlocken – und werde nicht enttäuscht:

Paul: 1. “ …, dass ich im Hafen von Cherbourg beim Dinghi-Fahren mit dem Kapitän (Thomas) ein „perfektes Anlege-Manöver hingelegt habe“ (O-Ton des Kapitäns).
2. „Am besten hat mir bisher das Kapitänsdinner in Vigo mit dem wunderschönen Sonnenuntergang und die Schiffsarbeit „freihängend“ auf Höhe der ersten Saling in der Nähe des Masten gefallen, als die Sonne das Segel in warmen Farbtönen beleuchtete und ein Wal um das Schiff herumschwamm, der im sonnenbeschienen Meerwasser blau schimmerte. Von meinem erhöhten Arbeitsplatz hatte ich die beste (Um-)Sicht auf ihn!“

Christine: 1. “ …, dass ich in 4 Stunden und in einer schwankend-überhitzen Kombüse erfolgreich einen Käsekuchen für 45 Leute gebacken habe.“
2. „Am ersten Dezember bei 27 Grad mitten auf dem Atlantik „Käsekuchen mampfend“ Weihnachtslieder zu singen; Sichtung von Walen, Delfinen und Leuchtplankton; Rudergängerin bei der Einfahrt in die Bucht vor Vigo gewesen zu sein; mitzuerleben, dass es alle Schüler auf den Teide geschafft haben – dass alle gekämpft und Ausdauer bewiesen haben und damit ans Ziel gekommen sind.“

Yara: 1. “ …, dass ich es als Asthmatikerin ohne Beschwerden hoch auf den Teide geschafft habe.“
2. „Die Sichtung von Walen und Delfinen in freier Wildbahn.“

Annika: 1. “ …, „Mein“ Anker-Manöver vor Vigo“ (= Anker fallen lassen und am nächsten Morgen Ankerhieven).
2. „Die Sturmnacht auf der Etappe Kiel-Vigo und die Nacht, in der ich als Rudergängerin die ganze Zeit gesungen habe.“

Lilly: 1. “ …, dass ich auf der Royal (= ca. 30 Meter Höhe) war, um Segel zu packen.“
2. „Sichtung des ersten Wales (getauft Gustav) in freier Wildbahn vor Porto Santo ganz nah am Schiff.“

Max: 1. “ …, dass ich zusammen mit Tamina als erster und recht problemlos auf der Gipfelspitze des Teides angekommen bin.“
2. „Das Großstadt-Kontrastprogramm: Die unglaubliche Aussicht und Weite in absoluter Stille auf dem Gipfel des Teides und der Sternenhimmel auf See.“

Will: 1. “ …, dass ich es trotz Anzeichen von Höhenkrankheit geschafft habe, den Gipfel des Teides zu erklimmen, sowie die Seekrankheit überwunden zu haben.“
2. „Unglaubliche Naturerlebnisse: Die Sichtung von Walen, Delfinen und Leuchtplankton sowie schöner Sonnenaufgänge und -untergänge; das gute Wetter/ die warmen Temperaturen und die ersten Palmen; mein Sprung vom Klüverbaum ins Meer (= 8 Meter Höhe).“

Rasmus: 1. “ …, dass ich auf der Etappe Vigo-Teneriffa trotz meiner Höhenangst nachts beim Riggspaziergang hoch auf die Royal (= ca. 30 Meter Höhe) geklettert bin.“
2. „Das Baden vor Selvagem Grande und mein Sprung vom Klüverbaum ins Meer (= 8 Meter Höhe); die Dinghi-Fahrt durch die Wellen vor Porto Santo mit Ronald.“

Johanna: 1. “ …, dass ich mit nur einer Wachbesetzung kurz hintereinander zuerst eine Wende und dann eine Halse gefahren bin.“
2. „Die erste Sichtung eines Wals (Gustav) in freier Wildbahn ganz nah bei der Roald.“

Jörg: 1. “ …, das Ablegen vom Hafen „Porto Santo“ unter Segeln.“
2. „Der gesamte Aufenthalt auf der Ilha Selvagem.“

Inzwischen (ca. 13:00 Uhr) hat sich das Hauptgeschehen an Bord nach Mittschiffs verlagert. Die Backschaft (Tom B. und Janik) sitzt umgeben von Kisten voll mit dreckigem Geschirr und benutzen Bestecken auf der Backbordseite und wäscht es „süßwassersparfüchsig“ mit Salzwasser vor. Kollegial werden sie dabei von Theo M. unterhalten, der nach seiner 8-12-Wache mit Minimalbesatzung ein wenig danach aussieht, als könnte auch er eine „achtpützige Achterndusche“ vertragen. (Das mich mein Eindruck nicht getäuscht hat, kann ich zwei Stunden später an den frisch „achterngeduschten“ und zufriedenen Janik-Theo-Gesichtern ablesen – glücklich über die gelungene, weil (fast) unentdeckte, kleine Wasserschlacht.) Auf der Backskiste steuerbords sitzt Ly mit ihren Schulsachen – ihr Blick verweilt hochkonzentriert in den Fernen des tiefblauen Atlantikwassers. Auch hier werden die aktuellen Tätigkeiten kurzweilig unterbrochen, um einen Moment lang ernsthaft über meine beiden Fragen nachzudenken und mir bereitwillig Antwort zu geben:

Ly: 1. “ …, die Besteigung des Teides; dass ich mit so vielen Menschen auf sehr engem Raum über einen jetzt schon längeren Zeitraum gut und entspannt zusammenleben kann und zurechtkomme und mein „8-Meter-Sprung“ vom Klüverbaum ins Meer.“
2. „Als ich in einer warmen Nacht auf die Rah der Vor-Obermas geklettert bin: Ein wunderschöner Sternenhimmel über mir, das von Leuchtplankton glitzernde Meer unter mir = Sterne also über und unter mir = „Weltallschwebegefühl“; die „Urlaubstage vor Selvagem Grande = Schwimmen, Hängematte und Co. …“

Tom B.: 1. “ …, dass ich die Seekrankheit und die „Sturmnacht von Cherbourg“ gut überstanden habe und auch „einfach“ die Tatsache, dass ich auf dieser besonderen Segelreise einer der „Auserwählten“ bin, die mit dabei sein können!“
2. „Die entspannten Tage vor Anker der Insel Selvagem haben mir bisher besonders gut gefallen. Einfach ins warme Meerwasser zu springen und dort zu schnorcheln – das war großartig!“

Janik: 1. “ …, dass ich auf die Royal geklettert bin (= 30 Meter Höhe) und dort die Segel ausgepackt habe.“
2. „Zu meinen bisherigen Highlights zählt die Teide-Besteigung und dass ich seit Teneriffa (endlich!!!) seefest bin!“

Theo M: 1. “ …, dass ich mich für die HSHS-Reise entschieden und das Bewerbungsverfahren erfolgreich „bestanden“ habe.“
2. „Die entspannten Tage vor Selvagem Grande, die Teide-Besteigung und die Sonnenuntergänge auf See gehören definitiv zu meinen bisherigen Highlights.“

Derweilen die dritte Seite mit Notizen gefüllt, möchte ich für eine kleine Schaffenspause meinen Block auf der Brücke deponieren und mir einen wohlverdienten Kaffee aus der Messe holen gehen. Auf dem Weg dorthin läuft mir Benedict über den Weg. Der will – wie fast immer – nach Achtern, um seine Angelschnüre zu kontrollieren. Das mit der Kaffeepause wird auf einen unbestimmten Zeitpunkt vertagt, denn auch Lukas, Jerit und Tom L. haben sich von Achtern in Richtung Brücke begeben. Der perfekte Moment für mich sie „abzufangen“ und sie mit meinen beiden Fragen „zu behelligen“ . Auch hier wird zunächst sorgfältig nachgedacht, bevor mir geantwortet wird:

Benedict: 1. “ …, dass ich die Reise schon so lange mitmache – dass wir schon so weit gen Süden gekommen sind.“
2. „Die Sonnenuntergänge vorne an Deck genieße ich sehr!“

Lukas: 1. “ …, dass ich mit dem Kapitän (Thomas) und nur fünf weiteren Mannschaftsmitgliedern in der „Sturmnacht von Cherbourg“ beide Toppen komplett rundgebrasst habe.“
2. „Die Teide-Besteigung und die Wal-Sichtung (Gustav) auf der Etappe Vigo-Teneriffa waren für mich bisher zwei herausragende Erlebnisse auf dieser Reise.“

Jerit: 1. “ …, dass ich „Tages-Toppsi“ (Schüler bzw. in diesem Fall Lehrer, der für einen Tag die Rolle des Toppsgasten übernehmen darf) sein durfte und diese Aufgabe gut gemeistert habe!“
2. „Die Delfine, die im Leuchtplankton durch das Meerwasser geschwommen sind und natürlich mein Geburtstag hier auf der Reise waren wirklich schöne Erlebnisse: Ich wurde mit einer Tasse Kakao am Bett geweckt, es war „Seemannssonntag“ (= Donnerstag) und es gab ein besonders gutes Frühstück – und es wurde ein Kuchen für mich gebacken und ein Ständchen zum Besten gegeben.“

Tom L.: 1. “ …, dass ich in der „Sturmnacht von Cherbourg“ mit nur drei weiteren Leuten an Deck (Jürgen, Freyja, Kjell) den Vor-Topp gebrasst habe.“
2. „Die Wal-Sichtung auf der Etappe Vigo-Teneriffa (Gustav) war für mich deshalb ein besonderes Erlebnisse, weil sie für mich das Zeichen dafür war, dass wir nun so richtig, richtig auf See sind und die Reise gen Süden nun wirklich begonnen hat.“

„Randvoll“ schöner Erzähl-Eindrücke über persönliche Erfolge und besonders schöne Erlebnisse/Momente unserer bisherigen HSHS-Reise beschließe ich mit dem Läuten der Schiffsglocke zur täglichen Kaffee-und-Kuchen-Pause (auch aus (textplatz-)pragmatischen Gründen), mein geplantes „Tageswerk“ zu einem „Zwei-Tages-Werk“ zu erklären. Denn jetzt ist es endlich soweit: Zur großen Freude Verenas, die bei der Verlosung der Adventskalendertürchen das Türchen mit der Nummer 1 gezogen hat, darf sie nun hinunter in den Gang vor die Toppsi-Kammer treten und das erste Adventskalendertürchen abhängen, zurück an Deck kommen, wo sie es unter warm-weihnachtlichen „Schneeflöckchen-Gesang“ der gesamten Bordbesatzung öffnen darf. Wie fast alles an Bord wird auch die „Ausbeute“ des Adventskalender (Gelee-Früchte, Waffeln, Marzipan-Nugat-Schokolade und Fishermanfriends) „christlich“ – oder wie man hier sagen würde – „seemännisch“ geteilt.

In diesem Sinne und mit vorweihnachtlichen Grüßen mitten vom Atlantik: Fortsetzung ist in Arbeit und folgt …
Katharina

P.S.
Die gesamte Schiffsbesatzung bedankt sich ganz, ganz herzlich für die unerwartete und nette Eltern-Initiative, die uns heute eine tolle „Adventsüberraschung“ in Form von Miniadventskalendern bescherte – großes Dankeschön dafür!!!