Ode an die Lehrer

Datum: 10. März 2018
Position: 30°16,9’N, 067°14,4’W
Etmal: 176 NM
Wetter: Wasser 22°C, Luft 24°C, Windstärke 4
von Isa

Es ist mal wieder so weit: Tagesmeldung. Wie immer stellt sich die Frage: Über was schreibe ich? War der Tag spannend? Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass heute nicht sehr viel Erwähnenswertes passiert ist. Viele von uns scheinen jetzt schon so sehr die karibische Sonne zu vermissen, dass sie erst einmal erkältet sind. Die Populationsdichte heute an Deck war also eher gering, viele schliefen oder „chillten“ in ihren Kojen. Was heute allerdings doch zu erwähnen ist… *Trommelwirbel* … „Lobster-Sonnenbrand-rote-Hose-Mathelehrer-Martin“ ist heute stolze 29 Jahre alt geworden. Die Erwähnung des Alters ist wichtig, denn Martin ist jetzt noch „weiser“ (und halt älter) als gestern geworden ;-). Wir feierten ihn mit Brezeln zum Frühstück, einer geschmückten Messe und leider keinem Bienenstich, da der Kuchenteig in der Nacht versehentlich mit dem Brezelteig vermischt wurde. Angesichts der Tatsache, dass auch Martin gesundheitlich etwas angeschlagen war, war es also eher weniger festlich. Wir holen das dann irgendwann aber auf jeden Fall nach. Aber damit komme ich jetzt auf das eigentliche Thema der heutigen Tagesmeldung: Unsere Lehrer.

Ich finde auch ihnen sollte wenigstens eine von den insgesamt 186 Tagesmeldungen gewidmet sein! Unsere Lehrer kann man eigentlich nicht Lehrer nennen. Sie sind viel mehr! Vergleichen wir das einmal mit zu Hause. Zu Hause sind die Lehrer meistens Personen, die man eher nicht so mag bzw. nicht unbedingt als die „besten Freunde“ bezeichnen würde. Sie drücken einem Hausaufgaben auf, sind streng, total unfair und halten uns generell von unserer kostbaren Freizeit ab. Wir müssen uns unheimlich vor ihnen benehmen, da sie quasi den Haussegen zu Hause entscheidend beeinflussen können. Sie sind also jene Personen, die man eigentlich eher ungern außerhalb der Schulstunde sieht und dementsprechend ist unser Verhältnis zu ihnen meistens eher unpersönlich. Schaut man sich nun unsere HSHS-Lehrer an: Martin, Christine, Katharina und Verena. Erster großer Unterschied zu den Lehrern zu Hause: Sie sind eigentlich unsere Privatlehrer, da sie nur zu viert sind und ausschließlich uns unterrichten. Der wichtigste Unterschied aber ist, dass sie eben hier an Bord noch sehr viel mehr sind und man sie somit gar nicht mit den Lehrern zu Hause vergleichen kann. Abgesehen davon, dass der Unterricht hier eh total anders abläuft als zu Hause, sind unsere Lehrer hier einfach IMMER da. Sie sind ununterbrochen im 24/7-Einsatz und spielen für uns alle somit eine ganz andere Rolle – die Lehrerrolle ist da die meiste Zeit über zweitrangig. Wir erfahren hier viel mehr über ihr Privatleben, sie wissen viel mehr über unseres. Sie entscheiden quasi über unser ganzes momentane (HSHS-)Leben, sind unsere Ersatzeltern, aber anders als bei Eltern können wir ihnen nicht so richtig entfliehen. Wie gesagt, sie sind IMMER da.

Man muss sich also zwangsläufig mit ihnen verstehen, was aber nicht heißen soll, dass wir das nicht auch so tun würden. Ich finde es erstaunlich, wie man es dann doch hinbekommt, sie im Unterricht als Lehrer anzusehen und den Unterricht ernst zu nehmen, da wir sie schon in so lustigen Situationen erlebt haben, schon so oft mit ihnen Späße gemacht, über uns und sie selbst gelacht haben und uns schon so oft mit ihnen über den neusten Tratsch und Klatsch ausgetauscht haben. Allein, dass wir in der Kammer direkt neben ihnen schlafen, deren Tür auch im wortwörtlichen Sinne immer offen steht, zeigt schon einen riesigen Unterschied zu den Lehrern zu Hause. Die Lehrer setzen sich mit jedem Thema unseres derzeitigen Lebens auseinander, und auch wenn wir manchmal nicht wollen, dass sie etwas erfahren, kriegen sie es doch immer irgendwie raus, denn „Gossip“ geht hier schneller rum als alles andere. Man kann ihre Rollen und Funktionen also nicht wirklich mit einem einzigen Wort beschreiben. Sie sind nicht wie Eltern, dafür sind sie zu jung und wissen zu viel über den Quatsch, den wir machen. Wie Lehrer sind sie aber auch nicht, in gewisser Weise sind wie „Freunde“, aber die Beziehung zwischen uns und ihnen ist doch eher komplementär, denn sie sind halt ein bisschen älter und besitzen schon Autorität.

Schauen wir sie uns einmal einzeln an. Angefangen mit dem Geburtstagskind Martin: Martin ist der, der sich am meisten über uns lustig macht und wir am meisten über ihn. Martin klopft gerne „witzige“ Sprüche (er ist der festen Überzeugung, dass sie lustig sind) und sein Ego ist so groß wie der Mount Everest. Trotzdem ist er manchmal „salty“ (ugs. für genervt). Inflationär nutzt er unglaublich gerne irgendwelche Füllwörter, die im Zusammenhang eher wenig Sinn machen (so zum Beispiel das Wort „prinzipiell“), um seine „Argumente“ zu bestärken, diese werden dadurch aber nur noch weniger überzeugend. 😉 Er ist der coole Sportlehrer, aber das ist, meiner Meinung nach, nur die halbe Wahrheit. 😉

Dann ist da Christine, sozusagen die „bessere Hälfte“ von Martin. Christine trägt gerne Pink, Pink, Pink und andere knallige Farben. Christine ist ein bisschen verrückt, vor allem was ihre Brotaufstrichkreationen angeht. Wenn du irgendetwas Witziges planst oder generell für irgendetwas Ideen brauchst, findest du bei ihr meist Antworten. Bei Seegang allerdings ist sie meistens in ihrer Koje oder eingemummelt mit leidigem Blick auf der Brücke.

Wenn ich unsere dritte Lehrerin einmal zeichnen müsste, würde ich sie auf jeden Fall mit einer Coca-Cola-Dose in der Hand zeichnen. Woher sie diese Unmengen an Cola immer herkriegt und wo sie diese bunkert, weiß niemand so genau. Katharina ist die, die uns seit Anfang des Törns auf jeden Fall am meisten überrascht hat, insofern sich unser Bild von ihr im Laufe der Reise am meisten verändert hat. Stille Wasser sind halt tief… Auch sie (genau wie Martin und Christine) ist oft bei den abendlichen Brückengesprächen dabei und sorgt für wenigstens ein bisschen Niveau. Ich würde sie generell als die Erwachsenste einstufen. Wenn ihr sie fragt, was ihr hier auf dem Schiff am wichtigsten ist, wird die ganz klare Antwort kommen: „Die Schüler und dann gleich die Tagesmeldung kommt zuerst!“ 😉

Als letztes kommt unsere Projektleitung Verena. Verena ist die, die immer lächelt. Sie liest gerne Geschichten auf der Brücke vor und macht die besten Anschiss-/Informationsschilder der Welt. Und davon hat sie wahrhaftig schon viele geschrieben bzw. gezeichnet, denn die Zeichnungen veranschaulichen das Gemeinte immer sehr gut. Für Verena ist die Roald sehr wichtig und auch wenn man denkt, Verena sei klein und süß, auch sie kann ganz groß und laut werden, wenn das Reinschiff mal wieder nicht ordentlich ist. Sie ist die, die noch eine extra Rolle hat, denn sie ist eben der Boss.

Obwohl wir manchmal ziemlich viel Mist bauen und uns auch schon mal danebenbenehmen können, haben sie uns, glaube ich, ziemlich lieb und geben sich alle Mühe, die Reise für uns so schön wie möglich zu machen. Auch wenn das vielleicht nicht immer so rüberkommt, aber auch wir haben unsere vier Lehrer ziemlich gern. Sie schaffen es den schmalen Grad zwischen zu viel Autorität und Freundschaft auszubalancieren (zumindest meistens). Ich möchte die Meldung mit einem Zitat von Christine beenden, das unsere Lehrer ganz gut beschreibt: „Ich war noch nie so lange am Stück so vernünftig, ich muss mich echt zusammenreißen.“
Isa

P.S.:
1. Könnt ihr mir die gleiche St. Pauli Mütze schicken, die Papa auch hat? Habe wieder eine fette Erkältung, aber sonst geht“s mir gut. (Anouk)
2. Ich bin auch ziemlich krank, aber ich werd es überleben, auch wenn es schwer ist, ohne Cerola-Tabletten erkältet zu sein. Wenn ihr zufällig Lust habt, mir Süßigkeiten zu schicken, damit ich die Zeit besser überstehe bis ich euch wieder habe, würde ich mich sehr freuen. *Hundeaugenblick* Schöne Grüße an alle. (Isabelle <3)
3. Mike grüßt Kari und die Cats.
4. Vera grüsst Mama, die kleine Schwester und den Welpen

Ein Traum der Erinnerung

Datum: 31. Januar 2018
Position: 09°27,3’N, 079°57,0W
Etmal: NM
Wetter: Wasser 29°C, Luft 29°C, Windstärke 6
von Isa

Ich höre einen Hahn krähen. Ich schaue mich um, bin ich in Longo Mai? Diesen Hahn, der morgens um gefühlt 05:00 Uhr kräht, kenne ich nur von da. Ich stehe auf und reibe mir die Augen. Tatsache, ich befinde mich in meinem kleinen Zimmer in meiner Gastfamilie, mein Trekkingrucksack steht dort fertig gepackt. Ich stehe auf und gehe zum Frühstück, was es gibt? Natürlich, Frigoles con aroze. Ich esse meinen Teller auf und bedanke mich bei meiner lieben Gastmutter/ Oma. Ich mache mich, wie die Gewohnheit es mir vorgibt, auf den Weg zur Terrasse von Milenas Gastmutter. Dort treffe ich wie immer auf die meisten meiner Freunde. Wir begrüßen uns, tauschen uns über das vielfältige Essen aus, das im Endeffekt doch bei allen ungefähr gleich war. Ein Bus fährt vor, wir steigen alle ein. Unser Gepäck ist bereits im Bus. Um den Bus herum versammeln sich alle unsere Freunde aus Longo Mai. Ich sehe unsere Spanischlehrer, unsere Gastfamilien, Carlos (ein Einheimischer, mit dem wir uns angefreundet haben), ein paar von den Jugendlichen, die wir dort kennengelernt haben und vor allem die Gänse, die uns immer den Weg versperrten und die verdammt angsteinflößend sind.

Der Bus fährt los, nach einer halben Stunde steigen wir aus. Beim Ausstieg erwarten uns plötzlich Flo, Margit, Steffen und die anderen Forscher aus La Gamba. Mit ihnen gehen wir auf eine letzte Wanderung, er zeigt uns wie immer alle kleinen Tiere und ist unheimlich fasziniert von dieser bunten Tier- und Pflanzenwelt. Wir sind alle total glücklich, die Leute aus der Tropenstation wiederzusehen und sind relativ enthusiastisch bei der Wanderung dabei. Nach der Wanderung enden wir an einem Surferstrand, ist das Dominical? Flo und die anderen verabschieden sich mit einem „Pura Vida“ und plötzlich bin ich nur noch mit meiner Expigruppe zusammen. Wir liegen mit Surfbrettern am Strand und schlürfen Fresco (frischer Saft). Neben uns liegen all die Menschen, die wir auf den Expis kennengelernt haben und wir unterhalten uns ausgelassen. Der Tag neigt sich dem Ende und wir steigen wieder in einen Bus. Alle sind wieder da und unser Busfahrer Louis fährt. Die Stimmung ist gedrückt, alle sind ein wenig traurig und ich habe das Gefühl, dass eine großartige Zeit vorbei ist. Der Bus bringt uns bis in die ShelterBayMarina hier in Colón.

Ein lautes: „Sing Halleluuujaaa, sing it…!“ reißt mich aus diesem wunderbaren Traum. Ich schaue auf die Uhr, halb 8. Ich stehe auf und bin sehr traurig darüber, dass das Wiedertreffen mit den Menschen des Landaufenthalts nur fiktiv war. Beim Frühstück steht ein Tagesplan an der kleinen Tafel an Deck.

  • 9:00 Uhr – All-hands -> Reinschiff und Kammern klarieren
  • 10:00 Uhr – Lesezeit für Magellan (das Buch, das wir in Deutsch gerade lesen sollen)
  • 11:00 Uhr – Poolzeit
  • 12:00 Uhr – Mittagessen

Beim All-Hands wird uns gesagt, dass wir so bald wie möglich ablegen wollen. Wir verlassen also Panama. Der Landaufenthalt ist endgültig vorbei. All die Eindrücke, die wir gesammelt haben, Menschen, mit ganz verschiedenen Geschichten, die wir kennengelernt haben und Orte, die wir gesehen haben sind passé. Wir werden das alles nie wieder sehen. Das erste Mal auf der Reise müssen wir uns wirklich von liebgewonnen Menschen verabschieden. Ich habe das Gefühl, dass diese Zeit schon wieder viel zu schnell vergangen ist und ich all diese Orte unheimlich vermissen werde. All die Bilder vermischen sich ein wenig , da das alles zu viel war, um es in so kurzer Zeit zu begreifen und zu verarbeiten. Ich bin wieder ein wenig traurig über die Tatsache, dass Costa Rica und Panama vorbei sind, aber freue mich auch auf Kuba.

Nachdem der Plan des Tages umgesetzt ist und alle gegessen haben, erklärt uns der Kapitän, dass wir noch nicht los könnten, u.a. da der Wind zu stark sei und nicht klar sei, ob alle Besorgungen in Colón (auf der anderen Seite des Kanals) rechtzeitig erledigt werden können. Wir könnten also bis halb vier nochmal an den Pool und uns entspannen. Da beschwert sich natürlich niemand und wir nutzen die Zeit, um noch ein wenig Wasser und/oder Sonne zu baden. Um halb vier heißt es dann Erleichterung, alles ist erledigt, nur fahren wir nicht heute, da der Wind noch immer sehr stark ist und es zu spät werden würde um noch heute abzulegen. Wir lassen den letzten Abend in diesem Luxushafen also langsam ausklingen, im Pool, beim Internet oder mit richtig gutem Essen in dem Restaurant der Marina (nicht, dass das Roaldessen nicht sehr nah an das herankommt, trotzdem bevorzugten einige die Restaurantküche). Alle nutzten noch einmal in vollen Zügen die Vorzüge dieses Hafens, die wir ab morgen auf See nicht mehr haben werden.

Ich möchte an dieser Stelle nochmal allen Menschen unseres Landaufenthalts danken, für eure Offenheit, Gastfreundschaft, Geduld mit uns und Bereitwilligkeit uns eure, für uns sehr fremde Welt, zu zeigen. Wir hatten alle eine unfassbare Zeit und ich glaube ich spreche für alle wenn ich sage wir wären gerne noch einen oder vielleicht sogar mehrere Monate hier geblieben. Und liebe Eltern, freut euch auf viele Kinder die fast alle nach dem Abi nochmal hier her reisen wollen. Wir sehen uns auf KUUUBBAAA!!
Isa

P.S.:
– Isabelle grüßt ihre Familie, denkt ganz fest an euch und schickt euch in Gedanken ein bisschen Sonne rüber.
– veRena gratuliert Halli ganz herzlich zum Geburtstag. Außerdem grüßt sie den Rest der ihr bekannten Welt und freut sich, dass die Rückkehr an Bord so schön war.
– Viele liebe Grüße an alle „Langener, Niersteiner und Odernheimer“, besonders an Ali, Felix und ii, ich freue mich euch bald wieder zu sehen, Euer Friedel