Eine Hirnwäsche der kubanischen Art

Datum: 28. Februar 2019
Position: Pina del Rio, Cuba
Etmal: –
Wetter: sonnig, Luft 30°C
von Aaron

Nachdem wir heute alle im Hotel frühstückten und losfuhren, um an einer Führung durch unsere Gastschule teilzunehmen, machte sich ein komisches Gefühl in meinem Bauch breit. Das lag wohl daran, dass ein verschlagener Mann zu uns in den Bus einstieg. Wir lernten ihn als „Otto“ ja bereits am Vortag kennen. Ein kleiner, meinem Eindruck nach recht mitgenommener, Kubaner in Anzughose und Poloshirt, der für die Regierung arbeitet. Aber warum ist er eigentlich dabei? Das stellte sich heraus, als wir die heutige Schulführung durch die Schlafräume und Klassenräume der Friedrich-Engels-Schule in Pinar del Rio beendeten. Dort wurden wir in einen sehr schön hergemachten Raum geführt (man könnte fast meinen, dass er extra für uns und andere Gäste hergerichtet war) und nahmen Platz. Nach ein paar allgemeinen Fragen kamen wir auf das Wirtschaftsembargo der USA gegenüber Kuba zu sprechen. Ruckzuck schaltete sich Otto ein. Ob er wirklich so heißt, weiß ich nicht, aber sein Name klingt wohl vertraut für uns Deutsche. Otto schien wie von Fidels sozialistischem Staat abgestellt, um zu überwachen, was gesagt und welches Bild von Kuba vermittelt wird.

Nachdem er und die Schulbeauftrage mehrfach das Thema in allen negativen Aspekten durchkauten, indirekt den Sozialismus anpriesen und Papa Fidel lobten, kamen bei vielen Fragen auf. Wie z.B. passt es zusammen, dass die Kubaner die USA konsequent tadeln und sich scheinbar von ihnen distanzieren wollen, gleichzeitig aber die amerikanische Prägung der 50er Jahre (Oldtimer etc.) als ihre eigene Subkultur verkaufen? Wieso sind die Kubaner erzürnt darüber, keine Importware aus den USA erhalten zu können, wenn westliche Einflüsse doch so etwas Schlechtes seien? Das Wirtschaftsembargo hat definitiv viele Nachteile für Kuba, so haben wir beispielsweise von vielen Nachteilen in Bereichen der medizinischen Versorgung gehört, die das Embargo zu verantworten hat. Ich möchte in diesem Tagesbericht auch keine Stellung beziehen, doch finde es doch merkwürdig, dass die Regierung in einem „freien“ Gespräch den Verlauf eines Gespräches überwacht und denke, dass genau dies viel über das Leben in diesem sozialistischen Staat aussagt.

Vor vorschnellen Urteilen und Fehlinterpretationen sollten sich sicherlich beide Seiten in Acht nehmen. Doch ich kann neutral schildern, was ich gesehen habe: dass Menschen stundenlang an Läden anstehen und dass sie in armen Lebensverhältnissen und einer sehr lückenhaften Infrastruktur leben. Am Abend sind wir dann wieder in die Friedrich-Engels-Schule gefahren, da wir dort zum Tanzkurs eingeladen waren. Auch hier ließen es sich Otto und anderes Securitypersonal nicht nehmen, Konversationen und Handlungen im Blick zu behalten. Wie der Unterricht in Kuba aussieht? Welche Zukunftsoptionen Menschen mit kubanischem Pass haben? Wir sind nicht schlauer als vorher. Das Tanzen immerhin hat den meisten von uns jedoch Spaß gemacht! Grüße,
Aaron