Sextantenunterricht

Datum: 23. Oktober 2019
Position: 50 sm westlich von Brest, 48°22.5″ N, 005° 44.0″ W
Etmal: 160 nm
Wetter: Luft 15 °C, 1014 hpa, Wind SE, 2 Bft., Bed. 1/8
von Leonie

Also. Normalerweise bin ich ja verhältnismäßig eher spät auf den Beinen, so ungefähr um halb zwölf, weil es da nämlich Mittagessen für meine 0-4 Wache gibt. Allerdings hatte unser Topsi in der Nacht die Idee, statt Frontalunterricht seinerseits, Referate unsererseits durchführen zu lassen. Und noch dazu hat unser hochmotivierter Steuermann Mike nach der wunderschönen Sternenkunde mitten in der Nacht, während der wir alle mit unserer Kopf-auf-Bauch-Methode an Deck lagen, angeboten, Sextantenunterricht in der Früh vor unserer Wache um 10:30 zu geben. Auch wenn ich gestern dem Thema, über das das erste Referat gehen soll, aus Backschaftsgünden nicht beiwohnen konnte, meldete ich mich freiwillig für eben jenes Referat da mein Vater mir oft genug erklärt hat, bis ich mal gepeilt hatte, wie recht er damit hat, dass es superduperklug ist, gleich das allererste Referat zu nehmen, komme was da wolle, denn ab da kann man sich für den Rest der Zeit entspannen und den anderen Feedback geben. Und beim ersten Referat bekommt man meistens noch einen kleinen Bonus, eben weil es das erste ist.

Und deshalb war ich heute schon um halb zehn auf, hab mich angezogen, was in einer völlig dunklen Kammer total schwierig ist, vor allem, wenn es schaukelt und man die Kammermitbewohner nicht durch Licht sondern durch lautes Fluchen und Hin-und Hergestolper weckt. Nicht cool. Gar nicht cool. Maya und ich haben uns halt so richtig viel Mühe gegeben, sind sogar zu spät zum Sextantenunterricht gekommen, weshalb ich auch eher bescheiden abgeschnitten und erst mal gar nichts gesehen habe, aber nachdem man mir dieses einfach unglaublich cool aussehende Gerät gradgenau eingestellt, meine Sehstärke ebenfalls und meinen Blick in die richtige Richtung gelenkt hat, habe ich es auch gerafft, worum es geht und habe die „Sonne auf den Horizont setzen können“, was halt echt ohne das Gerät einmal gesehen zu haben richtig seltsam klingt.

Nach einem Mittagessen, für das ich gestern kübelweise Kartoffeln geschält habe, und was ich dann auch nur so halb gegessen habe, wegen Übervorrat an Paprika in dem Gemüse kam dann erneut, wie täglich grüßt das Murmeltier, der Wachwechsel. Und schon bei der Ansprache des vorherigen Toppsis schwante uns Übles. Er sprach nämlich von Segeln die sie geborgen und gesetzt haben und das 16-mal, was ja eigentlich gar nicht geht, weil die Segel dafür fehlen. Und kaum haben wir den Wachwechsel beendet und die Wache gestartet bereitete unser Toppsi uns schon mal vor, indem er uns erklärte, dass es wichtig sei zu wissen, wie man Segel setzt und birgt. Und dann haben wir Trainees übungsweise unter Anleitung unseres Toppsis, geborgen, gesetzt, geborgen und immer so weiter. Ich hatte die Großroyal und war erst mal ziemlich aufgeschmissen, aber es war gar nicht mal so schwer! Auch wenn ich möglicherweise ein paar Befehle hätte unter den Tisch fallen lassen, wäre da nicht mein Freund und Helfer der Toppsgast gewesen.

Gottseidank wurde uns dann mitgeteilt, dass der Navigationsunterricht des Kapitäns heute statt um 17:00 Uhr schon um 14:30 Uhr stattfindet, und somit mussten wir leider Gottes unsere Segel-Session beenden und uns in die Messe quetschen. Der Unterricht war dann so nach dem Motto: INPUT! INPUT! INPUT! INPUT! Danach waren wir eher so ziemlich überrollt, aber so eine grobe Vorstellung wächst in uns wie man den Standpunkt ermittelt und wie ein GPS funktioniert. Das ist halt schon echt cool mit so einer Stunde Unterricht am Tag. Um dem Tag noch mehr Sinn zu verleihen, kam dann der Auftrag des Kammerputzens, also Messing, Boden, Wände, Decke, alles piccobello sauber zu machen. Ein Freiwilliger pro Wache, was ich halt leider nicht war, weil ich noch Wache hatte und Proviantierungsgespräch für Interessierte hatte und diesen Blogbeitrag schreiben wollte, – ich mach´s dann nächste Woche. (Das war ein Aufgestöhne, als der Kapitän meinte, ja das wird ab jetzt wöchentlich stattfinden! Halleluja!)

So, und jetzt sitze ich in der Messe, nachdem ich fälschlicherweise schon eine Tagesmeldung für gestern angefangen habe und schreibe auf dieser echt seltsamen Tastatur, bei der ich jedes zweite Wort korrigieren muss. Aber ich mach“s ja gern, deshalb ist das überhaupt nicht schlimm. Also denne, jetzt grüßen noch die Ah und Oh-Rufe von oben, und künden die Delfine an, weswegen ich jetzt dann auch mal los muss.
Leo

P.S.: Liebe Grüße gehen raus an die Zepfs, viele Grüße auch an die Katzen und Omas und an Opa und Onkel und an alle Freunde, an Linda, an Lisa, an Adrian und Katharina und jetzt muss ich wirklich los.

P.P.S.: Die heutigen Weisheiten der Wache 1:
– Die halbe griechische Mythologie ist am Sternenhimmel 😉
– Alleine Schokolade essen macht dick!
– Schade Schokolade und
– Manometer Struwelpeter!