Ein letztes Mal

Datum: 30. April 2016
Position: 51°13,5’N, 002°56,0’E
Etmal: 0 nm
Wetter: Wasser 10°C, Luft 12°C, Wind 3 Bft.
von Saskia

Ein letztes Mal die Kalenderseite umblättern.
Ein letztes Mal Landgang.
Ein letztes Mal aus der Landgangsliste austragen.
Ein letzter gemeinsamer Abend an Land.
Ein letztes Mal die Füße im Sand vergraben.
Ein letztes Mal den Sonnenuntergang am Strand genießen.
Ein letztes Mal mit Musik über die Promenade laufen.
Ein letztes Mal Schiffserhalt im Hafen.
Ein letztes Mal die neue Stammcrew begrüßen.
Ein letztes Mal die Sicherheitseinweisung.
Ein letztes Mal aus einem Hafen auslaufen.
Das letzte Mal Fender halten.
Das letzte Mal Wurfleinen werfen.
Das letzte Mal zurückblicken.

All diese Sachen haben wir nun zum letzten Mal gemacht und vielleicht diesmal mit einem anderen Gefühl. Auch wenn ich gerade die banalen Sachen hier vermissen werde, bin ich froh dass diese Reise nun endet. Wir durften so viel lachen, so viel weinen, so viel lernen, so viel erleben, so viele neue Leute kennenlernen und so viele alte Leute verabschieden. Doch ich glaub“, nun ist es für uns alle Zeit loszulassen, wieder nach Hause zurück zu kehren, das alte Leben neu zu beginnen.
Saskia

P.S.: Liebe Grüße an meine Mama. Ich hab gestern Abend noch deinen Namen in den Sand geschrieben und bin mit den Füßen durchs Wasser gelaufen, um dich vom großen Meer zu grüßen. Ich hab dich lieb und freu mich schon, dich bald wieder in die Arme schließen zu können. Liebe Grüße auch an Ennes, danke, dass auch wenn wir so weit voneinander weg waren, du immer für mich da warst.
Judith grüßt alle, die sie kennen und bedankt sich für die netten Geburtstagskarten. Vor allem viele Grüße an Schmiri und Rahela, meine Kleene.

Auf ewig

Datum: 12. April 2016
Position: 37°44,3 N, 025°39,4 W
Etmal: 3 nm
Wetter: Wasser 15°C, Luft 16°C, Wind 4-5 Bft.
von Saskia

Als wir letztens durch die Stadt gegangen sind, hat Jona zu mir gesagt, dass es mittlerweile egal wäre, wo man hinsegelt, solange man dies mit den richtigen Leuten tut. Und glaubt mir, zu Anfang der Reise hätte niemand diese Aussage auch nur im geringsten für möglich gehalten. Wir waren von zu Hause getrennt, waren ständig seekrank und die meisten fragten sich: „Was tue ich hier eigentlich?“ Man hat den ganzen Törn lang die Tage gezählt bis man den nächsten Hafen erreicht hat und die meisten von uns hatten Freudentränen im Gesicht, als wir endlich Vigo erblickten.

Aber wie man so schön sagt: Der Weg ist das Ziel. Und das ist uns allen das erste Mal auf der Atlantiküberquerung bewusst geworden. Zum ersten Mal hat man nicht an den nächsten Hafen, sondern nur noch an die nächste coole Wache gedacht und es hätte keinen gestört, nein ganz im Gegenteil, wenn wir eine Woche länger gebraucht hätten. Obwohl ich es niemals für möglich gehalten hätte, ist die Zeit hier auf See eine der besten und wichtigsten Zeiten auf der ganzen Reise. Und genau das werde ich vermissen: Das Schiff, das Leben, die Freiheit. Ich werde es vermissen, jede Nacht zur Wache geweckt zu werden, ich werde es vermissen, Leute, denen man auf eine völlig neue Art und Weise vertraut ist, jeden Tag um mich herum zu haben, ich werde es vermissen, bei Sonnenuntergang bis hoch auf die Royals zu klettern, während unter einem die Delphine aus dem Wasser springen und ja, ich werde es sogar vermissen, jede Woche die Glocke zu polieren.

Ich glaube wir haben auf der Reise alle eine neue Art des Denkens und des Handelns gelernt, und es liegt bei jedem einzelnen von uns, inwiefern uns das auch zu Hause noch weiter voran treibt.

Als ich letztens mein Tagebuch durchgeblättert habe, habe ich einen Eintrag vom Anfang der Reise gefunden, in dem ich schreibe, dass hier alle total nett sind, aber man hier wahrscheinlich keine Freunde fürs Leben findet. Und ich glaube ich habe Recht, denn wenn ich in einem Monat von Bord gehen werde, werde ich nicht bloß Freunde zurücklassen, sondern eine Familie. Ich werde nicht von einem Schiff steigen, sondern ein Zuhause verlassen. Und so unterschiedlich wir auch alle sein mögen, ich glaube wir alle tragen dasselbe Gefühl in unserem Herzen. Ein Gefühl das uns verbindet. Auf ewig.
Saskia