Wir

Datum: 7. Mai 2016
Position: 54°22,1’N, 010°11,1’E
Etmal: 48 nm
Wetter: Wasser 10°C, Luft 13°C, Wind 3-4 Bft.
von Daniel

Nostalgie. Unsere Begleiterin in diesen letzten Tagen… ein Gemisch aus Trauer und Vorfreude, aus Gehen und Bleiben sorgen für ein emotionales Karussell. Die Seesäcke sind gepackt, ein paar Sachen liegen noch rum… Zahnbürsten, einsame Socken und Gummistiefel. Der Tigergang ist fast leer, wie vor Costa Rica und Kuba. Aber dieses Mal ist es endgültig, absolut. Unser Ölzeug wird nicht mehr so an diesen Haken von einer turbulenten Wache trocknen. Und mit dem Abschied, den wir nie wahrhaben wollten, lassen wir ein Stück von uns in diesem Schiff. Ein Zuhause, unsere Spuren bleiben in der kühlen Seeluft und in den eisigen Wellen. Hier haben wir so viel gelernt, sind oft über unsere eigenen Fehler gestolpert, und neue Menschen geworden.

Heute wurden Chancen genutzt, ein letztes Mal so zu sein wie wir nie wieder sein werden, mit Freunden die nun viel mehr sind. In der Messe sitzen noch viele, reden, tauschen Fotos aus, schreiben, lachen. Keiner hat wohl ganz begriffen, was der nächste Sonnenaufgang bedeutet: ein letztes Mal ankommen. Zuhause ist ein Wort, das im Laufe der Zeit so viele Bedeutungen angenommen hat, dass morgen eigentlich keine Heimkehr ist, einfach nur der nächste Schritt, der irgendwann kommen musste. Was danach kommt, weiß keiner.
Ceci, Daniel

P.S.: Es werden noch unregelmäßig Tagesmeldungen auf dem High Seas Blogg erscheinen, um unsere Zeit danach zu dokumentieren.

Friede, Freude, Eierkuchen (?)

Datum: 20. April 2016
Position: 48°20,0’N, 013°50,8’W
Etmal: 47 nm
Wetter: Wasser 11°C, Luft 11°C, Wind 4-5 Bft.
von Daniel

Zusammengekuschelt werden die Wachen verbracht. Alle mit Ölzeug und drunter mindestens 3 Schichten, in fötaler Position, hocken wir zusammengekauert auf der Brücke. Ob man es glaubt oder nicht, die Stimmung ist erstaunlich gut. Wir bleiben motiviert… Wir spielen „Ich packe meine Rettungsinsel“ oder singen von einem belegtem Brot mit Schinken oder Ei. Der Gruppe generell geht es alles in allem auch gut. Wir haben heute mit Olli eine Konfliktlösungs- Session gehalten. Auf einen Zettel haben wir geschrieben was uns nervt, und mit Zeichen angegeben, als wie gravierend wir es empfinden. Viele rollen die Augen oder seufzen, denn das Thema „Sozialkompetenz“ wird zum hundertsten Mal durchgekaut. Es ist bei weitem noch nicht bei allen angekommen, dass wir eine Gruppe sind und Zusammenhalt wichtig ist, aber es ist, ehrlich gesagt, besser geworden. Mit dem Reflexionsprojekt haben alle viel über die Fehler und Makel der anderen nachgedacht. Aber nicht diese unschönen Wahrheiten, sondern alles Gute und Positive stand dabei im Mittelpunkt. Nicht jeder hier an Bord ist für jeden auch ein toller Kumpel oder die allerbeste Freundin geworden, aber das ist nicht möglich, das wäre nicht normal. Wir haben aber gelernt miteinander auszukommen, für manche heißt es sich aus dem Weg zu gehen, aber für viele heißt es, Zeit für ein Gespräch.

Wir haben uns verändert, hauptsächlich zum Positiven, und haben gemerkt, dass es immer zwei Stimmen, zwei Seiten für jeden Konflikt gibt. Oft macht man selber Fehler, aber übersieht sie recht schnell. Ich selber hätte nie gedacht, dass dieser letzte Monat noch viele Änderungen mit sich bringen könnte; aber wie ich hier so sitze, denke ich daran, dass ich einen echt guten neuen Freund gefunden habe, den ich die ganze Reise nie als solchen bezeichnet hätte, und ich mir immer mehr Gedanken über andere mache, und wie es gehen könnte. Viele Sachen sind nicht perfekt, und das zu leugnen wäre naiv. Über alles was schlecht ist, beklagen wir uns alle, denn meckern können wir gut. Dabei übersehen wir oft, welches Glück diese Reise mit sich gebracht hat.

Diese letzten Tage waren unglaublich melancholisch und gleichzeitig gefüllt von Gelächter und Zuneigung. Wir haben bewiesen, dass man sich sogar zu siebt in einer Koje gut stapeln kann, und dass für jede Sorge, die man hat, immer eine Schulter zum Anlehnen oder Kuscheln da ist. Wie viele vor mir, und hoffentlich noch mehr nach mir, sagen können, bereue ich meinen Entschluss, bei High Seas mit zu fahren, nicht. Obwohl ich es mehr als ein Mal im Rückblick auf alles getan habe, ist man zum Ende doch immer weiser. Und so will ich auch diese Meldung beenden, mit dem Gedanken an Zukunft und Freundschaft, in der Gewissheit, dass sich immer noch was, egal was, bessern kann.
Ceci

Grüße: GLG von A. an L.
Mike gruesst Karin, Cora und El Greco.
Julian grüßt alle die zu Hause sind und wünscht seiner Mama alles Gute zum Geburtstag. ?
Mike gruesst Trixie und die 04-08 Wache.