Gerade in den letzten Tagen haben wir uns oft gefragt, wie die Zeit nach dieser wunderschönen Reise sein wird. Eine Antwort fanden wir eigentlich nie, aber wir konnten uns darauf einigen, dass es eine komische Zeit wird. Man merkt es selber. Überall sieht man grün und die Luft ist nicht rein. Man vermisst das Schaukeln, die viel zu schmalen Kojen, aber vor allem das muntere Beieinandersein… Ich vermisse die kleinen, doch etwas nervigeren Sachen. Immer wenn ich den Quergang geschruppt habe, gingen mir alle auf die Nerven, die einfach durchgingen. Oder man musste auf Toilette, das ging aber nicht, weil die gerade geputzt wird, das frühe Aufstehen in der Nacht, Diskussionen wer den von uns den Brötchenteig macht. Die Sachen vermisse ich am meisten, daher habe ich heute Abend auch ein Brot freiwillig gebacken, ohne Diskussionen.
Auf dieser Reise hat man Erinnerungen gesammelt und vieles gelernt, aber jetzt sammeln wir noch viel mehr Erfahrungen. Wir lernen unsere super tolle Zeit zusammen zu fasssen, wir lernen wieder in die Schule zu gehen. Das man dafür wieder pünktlich aufstehen muss, vorher nicht noch zu putzen. Ich glaube auch, wir werden uns wieder daran gewöhnen müssen unsere Lehrer zu siezen… Hauptsächlich müssen wir aber lernen ohne unsere Freunde, oder eher gesagt, unsere zweite Familie zu leben. Jeder von uns hat seine Macken und Kanten. Aber die machen uns aus. Wie werde ich es vermissen, Stella zum dritten Mal zu wecken, Susis Beauty-Salon zu genießen, den netten Geruch vor Kammer 2, Hannahs süßes „Oh“ oder Benes Lückenfüller Biml. Allgemein unsere verrückte Art. Ich danke euch allen für alles. Ich vermisse euch jetzt schon! Judith
Datum: 8. Mai 2016 Position: Tiessenkai, Kiel Wetter: warm und sonnig von Jörn Gollisch, HSHS
Schon weit vor zehn Uhr war der Tiessenkai in Kiel Holtenau voll von erwartungsfrohen Menschen. Eine Familie probte den Willkommensgruß für ihren Schützling, ein Altfahrer erhob sich von der Bank an der Kaimauer, auf der er genächtigt hatte und das Schiffercafe öffnete frühzeitig seine Tore um die Anwesenden mit heißem Kaffee und Brötchen zu beglücken. Die Roald lag gar nicht weit entfernt, so dass einige den kurzen Gang um den Leuchtturm herum machten, um das Objekt der Begierde zu erblicken. Pünktlich um kurz vor zehn kamen sie dann auch herangefahren, die Flaggen der bereisten Länder sowie der High Seas High School wehten im Fahrtwind und was für ein herrlicher Anblick die Heimkehrenden des 23. HSHS-Törns auf den Rahen der Brigg und auf dem Klüverbaum stehen zu sehen. Aus der Entfernung sahen sie aus wie Teile des Schiffes und das sind sie ja auch irgendwie.
Es folgte eine lautstarke Begrüßungsabfolge zwischen dem Typhon der Roald und den von den Eltern mitgebrachten Nebelhorn-Handgeräten. Das Anlegemanöver klappte fabelhaft und wurde vom Akkordeonspiel eines Bekannten aus der Elternschaft atmosphärisch untermalt. Die Freude und Begeisterung bei den wartenden Familien und Freunden war zum Greifen spürbar und wurde auf vielerlei kreative und spontane Weise ausgedrückt – herrlich. Dann war kein Halten mehr, die Jugendlichen strömten an Land und die Tränen aus den Augen der sich Wiederfindenden. Ich konnte nur da stehen, grinsen und mich freuen. Ach ja! – schnell die Anlage an Bord bringen, damit die folgenden Reden und Vorträge auch Gehör fänden.
Als sich alle wieder einigermaßen innerlich und vor allem an Bord gesammelt hatten konnten Birgitt Lüeße, Vorstandsvorsitzende vom Verein LebenLernen auf Segelschiffen e.V. und Vertreter der High Seas High School Willkommensgrüße und Dankesworte an die Heimkehrer, die Empfangsgesellschaft und die Akteure im Hintergrund richten. Viel Freude, Stolz und Begeisterung sprach aus den Worten über die Leistungen der SchülerInnen, LehrerInnen und der Stammcrew während der Fahrt sowie über die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen LebenLernen auf Segelschiffen und der High Seas High School. Ute Hildebrandt-Henke, Vorstandsmitglied des Fördervereins der High Seas High School „Crew an Land“ berichtete über Möglichkeiten des Zusammenschlusses von Altfahrern und den Zielen, Stipendien für die Fahrt ins Leben zu rufen. Dann war die Bühne frei für diejenigen, die die vergangenen sieben Monate im wahrsten Sinne des Wortes gemeinsam erfahren haben.
Für das LehrerInnen-Team fasste Projektleiterin Olivia Fischer die Reise zusammen und ließ dabei durchblicken wie stolz sie auf die Gruppe sei und jede/n einzelne/n in seiner/ihrer Persönlichkeit schätzen gelernt habe. Benji und Stella trugen mutig und enorm witzig zwei selbstgeschriebene Gedichte über die Fahrt und die Gruppe vor und Judith und Jorge sprachen als Schülervertreter. Sie machten mit wenigen Worten deutlich, dass sich die Erlebnisse der Reise jetzt noch gar nicht richtig beschreiben lassen. So äußerten sie einen Wunsch für das nach Hause Kommen: „Gebt uns Zeit!“. Dies mag banal klingen, aber mir ist dieser Satz noch viele Male durch den Kopf gegangen (selbst abends an der Kasse des Freibades, wo jemand vor mir unsäglich lange für das Vorzeigen der Karte brauchte hörte ich Jorges Worte und entspannte mich merklich). Ich komme immer mehr zu der Überzeugung, dass die Botschaft der Schülergruppe sehr wohl gewählt war. Für mich bedeutet sie: „Wir haben so viele neue Eindrücke in kurzer Zeit gesammelt und so vieles in unserem Leben hat sich geändert, dass wir das noch gar nicht einordnen können. Es jetzt in Worte zu fassen würde es zu stark verfälschen.“ Ein Gefühl, das ich im Alltag einer schnelllebigen Welt sehr gut kenne, wenn auch in viel kleinerem Maßstab, und mir oft wünsche ich hätte die Geistesgegenwart zu sagen: „Gebt mir Zeit!“
Diese Zeit wünsche ich Euch liebe SchülerInnen und Ihnen liebe Familien. Zeit für einen selbst, um die inneren Schätze und Entdeckungen wachsen zu lassen und wunderschöne Zeit, um sie dann miteinander zu teilen oder manchmal halt auch einfach im Stillen für sich selbst zu genießen. Zeugnisse, Gruppenbilder und Lebkuchenherzen habt ihr am Ende der offiziellen Verabschiedung noch in die Hände gedrückt bekommen, aber, wie wir gehört haben, ist das Wichtigste, das ihr an diesem herrlich sonnigen Sonntagvormittag von Bord der Roald mit nach Hause genommen habt eine Sammlung an bunten Farbtöpfen. Also zieht los und verpasst eurer Umwelt die Farben, die euch gefallen! Ein frohes, glückliches Ankommen den HSHS FahrerInnen und ihren Familien und allen Lesern weiter schöne sonnige Maitage Jörn Gollisch, High Seas High School