Die erste Klausur

Datum: 12. Dezember 2018
Position: 15° 48,2’N, 048° 25,5’W
Etmal: 158 nm
Wetter: blau und weiß
Temperatur: 27°C
von Marlis

Einen super Start in den Tag hat man, wenn man fünf Minuten vor dem Frühstück von seinen Kammernachbarinnen geweckt wird, weil man beim offiziellen Wecken entweder nicht geweckt wurde oder nicht richtig wach geworden ist. Was davon stimmt, weiß ich bis jetzt nicht. Kräfte am Segel haben mich vor dieser Reise nicht im Geringsten interessiert, allerdings beschäftigt man sich im Bordalltag des segelnden Klassenzimmers nicht nur über Deck damit, sondern auch unter Deck im Physikunterricht. Und wer hat schon das Erlebnis, Backschafter mit Mehl und Sauerkirschen fröhlich durch das eigene Klassenzimmer spazieren zu sehen, während man selbst konzentriert mit Bleistift und Geodreieck hantiert. Was, nebenbei bemerkt, echt schwer ist. Vielleicht müsste ich das zuhause auch mal als Auflockerungsmaßnahme für Unterricht vorschlagen.

Im 2. Teil des Vormittags hatten wir Geschichte bei Nathalie. Dabei haben wir uns über das Kolonialsystem der Spanier in Amerika unterhalten und über die Ausbeutung und die Ungerechtigkeit gegenüber den Ureinwohnern. Zum Mittag gab es Würstchen im Pizzateig und zum Nachtisch Pudding mit Sauerkirschen, damit ihr auch wisst, wozu Mehl und Sauerkirschen gedacht waren. Danach mussten alle Bestände gezählt werden, damit neue Ware bestellt werden kann. Nicht nur Lebensmittel, sondern auch verschiedenste Putzutensilien, aber auch Küchenrollen, die gezählt werden wollten.

Das war auch wieder so ein für sich: Normalerweise gucke ich mir zehn Minuten vor einer Arbeit meine Lernzettel an, aber hier stand ich bis kurz zuvor in einer Bodenklappe und habe Klopapier abgezählt, in eine Liste eingetragen und wieder eingeräumt. Die Kommentare nach unserer ersten Klausur an Bord reichten übrigens von: „Die Arbeit war ja super easy!“ bis „Ich habe die Arbeit voll verhauen!“. Nach der Arbeit hatte meine Unterrichtsgruppe ein bisschen Spanisch und dann war der Schultag auch schon wieder vorbei! Und nach dem Abendbrot hieß es dann für mich ganz bald: Ab in die Koje.
Eure Marlis

P.S.: Liebe Grüße an meine Mentorenklasse, die 5b der Schillerschule Hannover. Ich wünsche euch schöne Weihnachtsferien, lasst euch reich beschenken und genießt den Winter (Es kommt einem schon komisch vor euch schöne Weihnachtsferien zu wünschen, wenn man gerade bei gefühlten 30°C in kurzen Sachen den Sonnenschein genießt).

 

Dramen, die die Segel schreiben

Datum: 16. November.2018
Position: 28° 50,2 ’N, 018° 05,9 ‚W, Kurs: 200°
Etmal: 113 NM
Wetter: 21,4°C, b/c, Wind WNW, 2-3 Bft.
von Marlis

Gesehen wurden meine Lichter schon als die C-Wache zum Wachwechsel um 2 Uhr kam. Vormittags, nach dem stärkenden Frühstück, bekamen die Wachführer der Schülercrew die Verantwortung übergeben und sollten ihre Wache beim Setzen und Bergen der Segel anleiten. Dabei stellte ein groß gewachsener Junge auf dem Achterdeck fest, dass die Dirk des Großsegels verdreht ist. Einige Minuten später baumelte ein anderer Junge mit einem außergewöhnlichen Spitznamen im Bootsmannsstuhl, quasi ein hängender Sitz für Arbeiten in der Luft, um die Dirk auszuschäkeln und zu lösen, damit sie im Anschluss entdreht werden konnte.

Denn mit den Segeln sollte ja noch weiter geübt werden. Für einen Stationswechsel an andere Segel hat es vor dem Mittag nicht mehr gereicht. Aber die Schüler haben schon besprochen, wie das Setzen und Bergen der Segel koordiniert wird und wer welche Aufgabe übernimmt. Zum Mittag bekam die Crew der Johann Smidt Kassler im Brotteig mit roter Beete und Kartoffelstampf. Zum Nachtisch gab es Äpfel im Pfannkuchenteig mit Puderzucker.

Nachmittags beim Üben sah ich dann nur noch ein „Tuch“ dem Deck entgegenrauschen. Irgendetwas am Fall vom Großsegel war kaputt gegangen und das Großsegel kam herunter. So schnell hatte an Bord noch niemand ein Segel geborgen. Der Kapitän war immerhin begeistert, dass die Faulenzer so durchgeholt waren, dass das Segel gerade herunterkam und nicht außenbords fiel. Kurz danach stand der große Junge zum Klüverwechsel im Klüvernetz und bekam bedingt durch den Wellengang eine Gratisdusche. Gesetzt haben die Schüler dann den Klüver, die Sturmfock, den Schoner im 2. Reff und das Trysegel (das Sturmsegel am Großmast).

Am Steuer wollte die Rudergängerin vor meiner Küste dann unbedingt ein „N“ für den Kapitän in den Atlantik schreiben. Allerdings wurde es ein schiefes „N“, eher eine Zick-Zack-Linie, da der Kurs Richtung Süden geändert wurde. Die Segel wollten auch noch verpackt werden, wobei so mancher seine Aggressionen rauslassen konnte. Eingepackt erinnerte ein Segel am Ende an eine blaue Sushirolle. Nach dem Abendbrot neigte sich der Tag für die meisten dem Ende entgegen, außer für die Wachhabenden und die Doppelkopfabhängigen. Kleine Feststellung am Ende des Tages: Gut, dass heute Freitag, der 16. und nicht der 13. ist, sonst wäre vielleicht noch mehr kaputt gegangen.
Marlis

P.S.: Quizfrage für alle Marine-Traffic-Mitreisenden: Aus wessen Perspektive wurde dieser Tagesbericht geschrieben? (Auflösung folgt)