Fahrradfahren verlernt man nicht

Datum : 31. Januar 2019
Position: Tropenstation La Gamba, Costa Rica
Etmal: –
Wetter: sehr warm, hohe Luftfeuchtigkeit
von Flo

Bevor wir in 20 Minuten zu unserer zweiten Wanderung an diesem Tag aufbrechen, wo wir dann auch Fynns spannendem Referat über verschiedene Tiere im Regenwald lauschen werden, werde ich von der ersten Wanderung auf dem Ozelot-Trail berichten. Um 7:00 Uhr gab es Frühstück und es war so ein Frühstück, wie ich es aus schönen Restaurants gewohnt bin. Es ist aber auch gut möglich, dass meine Erinnnerungen etwas verfälscht sind und es mir hier einfach nur sehr luxuriös vorkommt. Aber es gab JOGHURT!!! Nach mehreren Monaten ohne Joghurt zum Frühstück. Ok, das stimmt nicht ganz, weil wir uns in Longo Mai öfter welchen gekauft haben, aber nicht zum Frühstück und schon gar nicht mit Papaya, Piña (Ananas), Müsli und Melone… Aber es gab natürlich auch Reis mit Bohnen und andere typische costaricanische Leckereien.

Und um 8:30 ging unsere Wanderung entlang des Ozelot-Trails los, bei der wir über Wechselbeziehungen zwischen Pflanzen und Tieren (z.B.: Ameisen und eine besondere Baumart, wo die Ameisen alle anderen Pflanzen um den Baum herum zerstören für dessen Beinfreiheit) oder Fallen für Prachtbienen, die hier auf der Station viel untersucht werden, lernten. Wir haben Tukane gesehen und ganz viele Ameisen, Käfer, Spinnen und Vögel. Und wir durften Dschungelspaghetti essen, die in Echt aus irgendeiner Blüte stammen. Auch das Mittagessen ist hier ein Luxusgut, was wir sehr zu schätzen wissen, da, anders als an Bord, hier vegetarisches Essen angeboten wird. Fünf von uns (Michi, Nathalie, Max R., Johanna und ich) haben die Chance genutzt und probieren das jetzt die Woche aus!!! Aufm Schiff wird das bestimmt um einiges schwieriger…

Am Nachmittag ging es los zu einer zweiten Wanderung. Fynn hielt sein Referat in Form von gelegentlichen Erzählungen zum Quetzal, dem Buschmeister, dem Fischertukan und dem Stirnlappenbasilisk entlang des Riverbed-Trails, unser Guide Flo hatte dem wenig hinzuzufügen, was also für die sehr gute Qualität des Referates sprach. Um 18:00 Uhr gab es dann Abendessen, wie jeden Tag hier, welches auch sehr köstlich ist, diesmal wartete das Highlight bis zum Nachtisch: Es gab Weiße-Schokolade-Kokos-Pralinen. Ahhhhhhhhhh, legga!!!

Und es gibt hier an der Tropenstation in La Gamba ein weiteres Highlight, was vielen von uns seit dreieinhalb Monaten vergönnt war: Es gibt Fahrräder zum Mieten hier! Ich hatte zwar das seltene Glück in Longo Mai schon einmal mit dem coolen BMX-Rädern unserer 11-jährigen Freunde zu fahren, aber da war ich eher die Ausnahme. Hier haben die Fahrräder Bremsen. Mit denen haben wir jedenfalls einen schönen Ausflug gemacht zur Pulperia in La Gamba.*
Eigentlich kann man sich hier ganz gut beschäftigen und wenn nicht, ist es einfach nur schön alle wieder um sich zu haben!!!
Damit verabschiede ich mich und grüße alle, die das lesen!
Eure Flo

P.S.: Ich grüße ganz doll die Mimi, Mini und Maja: ich vermiiiiiiisse euch und ich hoffe, es geht euch prickelnd!!! Und ganz viele Grüße an meine ganze Familie!!! Und ich grüße auch ganz herzlich meine Familie, ich hab euch ganz dolle lieb und Nathanael, ich vermiss das Fußballspielen mit dir! …und das lange Fahrradfahren… Oma und Opa, Omi und Opi und Oma Annchen, fühlt euch umarmt und gaaaaaaanz dolle gedrückt, ich hab euch wirklich arg lieb! Und ich freu mich über jeden anderen, der das liest, ich hoffe es geht euch gut! Ich vermisse euch zuhause! ~Dori…oder auch Madi

* Da musste ich ganz furchtbar doll an die Isi denken!!! Isiii, ich vermisse Dich so doll und jeden Tag mit Dir: Dance To This!!!

Paradies?

Datum: 6. Januar 2019
Position: 09°30,7´N, 078°42,1’W
Etmal: 19 nm
Wetter: Wasser 28 °C, Luft 28°C, Wind ENE 4 Bft.
von Flo

Es ist 23:00 Uhr. Ich bin ganz alleine in der Messe und höre irgendein Gurgeln und ganz viele verschiedene Maschinen und in der Kombüse ist noch unser Brotbäcker Phil aktiv. Während meiner heutigen Ankerwache haben wir übrigens mal geguckt, wie die ganzen Inseln um uns herum heißen: Dupwala, Olosicuidup und Guariadup. Zwei der Inseln durften wir heute besuchen. Auf der Insel, auf der ich war, wurden wir von einem netten Kuna Indianer empfangen und haben Kokosnüsse gekauft. Die wenigen Stunden auf der Insel haben sich angefühlt wie ein ganzer Tag. Es folgten viele, fast zu kitschige Eindrücke und ich würde fast sagen, dass wir Glück hatten, dass die Sonne uns nur durch ein paar Löcher in den vereinzelten Wolkenbergen Gute Nacht gesagt und keinen spektakulären Untergang zwischen Inseln und Meer hingelegt hat. Denn dann wäre ich gestorben, weil es so schön ist und ich hätte wohl geheult und alles für surreal erklärt, weil ich weiß, dass diese Inseln in 1, 2, 3, 4, 5-20 Jahren höchstwahrscheinlich nicht mehr existieren werden und diese Schönheit dann im Meer versinken wird.

Niko hat uns heute erzählt, dass bei seiner letzten HSHS-Reise noch Palmen auf dem in der Nähe zu sehenden Sandhügel, der damals eine Insel war, gestanden hätten. Und auch bei Johannas und meiner Inselumrundung mussten wir über einige umgekippte Palmen steigen. Sie hatten nicht genug Kraft, weil der steigende Meeresspiegel die Süßwasservorräte der Inseln verkleinert. Das Wasser hat ihnen außerdem wortwörtlich den Boden unter den Füßen weggeschwemmt, sodass sie keinen Halt mehr fanden. Und das ist nicht nur auf dieser Insel so, sondern auf allen, überall!!! Die Süßwasserkapazitäten der Inseln schwinden Jahr für Jahr, Tag für Tag. Das ist auch einer der Gründe, warum die Kunas zu allen Touribooten kommen, um sich Süwasser geben zu lassen: Weil sie selbst nicht genug haben. (Um ihnen Süßwasser abgeben zu können, sparen wir selbst übrigens gerade beim Süßwasserduschen mit Wasser. Aber ganz ehrlich: die Salzwasserdusche an Deck ist eh viel besser, weil man so lange, wie man will duschen kann, und immer einen tollen Blick in die Gegend hat, die hier, wie ich bereits erwähnte, wuuunderschön ist.). Umso trauriger, dass die Kunas nach 150 Jahren glücklichen Lebens auf ihren paradiesischen Inseln jetzt gezwungen sind, sie zu verlassen.

Wir haben auf den etwas bewohnteren Inseln so viele glücklich aussehende Menschen, vor allem Kinder, gesehen. Meinem Eindruck nach wollen die Kuna Yala eigentlich ihr unabhängiges Leben führen, ungestört vom Rest der Welt, aber es funktioniert scheinbar nicht. Auf mich wirkt es so, dass ihre Kultur unter den Einflüssen von außen leidet, gegen die sich die Kuna Yala nicht wehren können. Vermasseln wir ihnen ihr kleines Paradies?! Auch wenn die Kuna Yala sich klare Regeln zur Eingrenzung von Tourismus aufgestellt haben, so scheint der Tourismus auf vielen Inseln dennoch Einzug gehalten zu haben. Ob sie das wollen? Aber ihre sonstigen Einnahmemöglichkeiten werden ja auch immer geringer. Und ihre Palmen brauchen Wasser, Süßwasser.

Und an dieser Stelle pausiere ich diesen Gedankengang und berichte lieber von den Gedanken, die ich WÄHREND meiner Zeit auf der Insel im Kopf hatte. Ich dachte nämlich die ganze Zeit, dass wir uns in einem kleinen Paradies befanden…

…als ich mich mit Johanna, Bianca und Michi beim Schnorcheln inmitten eines Fischschwarms wiederfand, der aus Millionen kleiner Fische bestand und von abertausenden etwas größeren Fischen verfolgt wurde. Am Ende kamen drei große, richtig schwere Oschis an, vor denen wir uns so erschrocken haben, dass wir erst geschrien und dann gelacht haben und auftauchen mussten, weil Lachen unter Wasser sehr schwer ist.

….als wir ein Stück Schildkrötenpanzer, mehrere wunderschöne Muscheln, einen Arm von einer Krabbe, versteinerte Seesterne und leider viel Müll, unter anderem mehrere Flaschen Sekt, in denen sich schon Fischis eingenistet hatten, gefunden haben.

…als Johanna und ich mit Hängematten auf der Insel Schokicreme gefuttert haben.

…als wir nebeneinander auf einer Schaukel saßen, die nicht vor und zurückging, sondern sich im Kreis drehte, weil sie an einer am Strand stehenden Palme hing, und wir so einen Panorama-Rundumblick hatten.

…als wir am Strand ganz schnell drehten, sodass man nur noch den Himmel sah, bis wir wie Besoffene ins Wasser fielen.

…als es einfach schön war.

Blöd nur, dass das alles bald weg ist. Unsere Erinnerungen aber werden bleiben, wofür ich schon jetzt ziemlich dankbar bin. Und auch wenn ich den Tourismus etwas radikal kritisiert habe, sollten doch noch viele dort hinreisen, um den Inseln eine Art letzte Ehre zu erweisen und sich einmal anzugucken, was sie mit ihrem Flug in die Karibik nicht wirklich besser gemacht haben.

Ich hoffe, der Reisende macht sich dann ähnliche Gedanken wie ich hier während unseres Aufenthaltes. „Jeder muss wissen, worauf er bei einer Reise zu sehen hat und was seine Sache ist“ steht als Goethe-Zitat auf Claudis Deutsch/Spanisch-Reader. Ob ihr, als sie vor vielen Jahren bei HSHS schon einmal mitgefahren ist, ähnliche Gedanken zur Ambivalenz von Tourismus durch den Kopf gingen wie mir? Ich frage sie morgen mal. Jetzt gehe ich nämlich ins Bett, weil es halb eins ist und ich in fünf Stunden wieder aufstehen darf. Meine Wut ist jetzt auch wieder etwas weniger. Ich überleg mir noch, ob ich in meiner Koje oder draußen schlafen werde. Möglicherweise wache ich mit Blick auf die Cayos Coco Banderos auf. Gute Nacht ihr Lieben,
Flo.

P.S.: Ich schicke ganz viele Grüße und Bussis an meine Familie, also an meine Geschwister, meine Eltern, meine Großmütter, Tanten, Onkels und Cousins + Frida und Panka, an Mini, Zmart, Ida, Auau, Lilli, Isi (auch an deine Eltern und an die Juli), Lici, Viki und Richi und alle die da noch dazu gehören!