Was wäre, wenn die Osmoseanlage defekt wäre

Datum: 2. Mai 2021
Position: Nordsee
Wetter: b/c (blue/cloudy)
von Hannes

Kurz vor dem Ende unserer Reise kommt jetzt noch ein Exkurs aus dem Bauch der Johnny online – aus dem Maschinenraum. Es ist nach meinem Bericht über das Angeln auf den Kapverden, der zweite. Heute möchte ich über ein Ereignis schreiben, das sich auf dem Weg von Grenada nach Kuba ereignete. Am 6. Februar kam Max, der Bruder von Friedi und damals gleichzeitig Maschinisten-Anwärter, auf mich zu und sagte mir, dass Spanisch heute für mich ausfallen müsse, da an der Osmoseanlage etwas ausgetauscht werden müsse. Die Osmoseanlage ist essentiell wichtig für unser Leben an Bord. Sie ist praktisch unser Wassermacher. Das war auch der Grund, weshalb ich Spanisch sausen lassen durfte, um Max bei der Reparatur der Hochdruckpumpe, die das Wasser durch verschiedene Membranen in der Anlage pumpt, zu helfen. Jetzt fragen sich bestimmt einige, weshalb gerade ich angesprochen wurde: Im Verlauf der Reise werden die Aufgaben der Stammcrew teilweise an die Schüler*innen übergeben. Es wird eine*n Schülerkapitän*in, mehrere Schüler*innensteuerleute, und eine*n oder zwei Maschinistinn*en geben. Diesen habe ich bzw. Timana inne. Als Schülermaschinisten stehen wir Ingo weiterhin tatkräftig zur Seite.

Um den nun folgenden Exkurs etwas verständlicher zu machen, möchte ich erklären, wie unsere Osmoseanlage funktioniert, bzw. wie eine solche normalerweise aufgebaut ist: Das Salzwasser wird aus dem Seekasten durch das Seeventil von einer Pumpe durch zwei Filter gepumpt. Diese Filter haben eine Durchlässigkeitsweite von 20 Mikrometer bzw. 5 Mikrometer. Anschließend geht es durch ein Drei-Wege-Ventil in die Hochdruckpumpe. Von dort wird es durch die Membranen gepumpt und durch einen Druckregler und ein weiteres Drei-Wege-Ventil in die vorderen bzw. achteren Tanks gepumpt.

Ich erfuhr von Max, dass die Hochdruckpumpe, die das Seewasser in die Filtermembran pumpt, unbrauchbar wäre, weil mindestens eine Dichtung tropfen würde. Diese Dichtung liegt zwischen einem schwarzen (der mit Öl gefüllt ist) und einem silbernen Teil (durch den das Seewasser gepumpt wird) der Pumpe. In den Silbernen wird mithilfe eines durchsichtigen Schlauchs Seewasser zugeführt und auf einem Druck von ca. 45 bar konstant gehalten, damit es dann durch einen schwarzen Hochdruckschlauch in die weißen, zylinderförmigen Membranen weitergepumpt werden kann. Wir machten uns also gemeinsam mit Lutz, unserem Maschinisten der damaligen Etappe, auf den Weg in dessen Kammer. Dort fanden wir die Ersatzpumpe. Max und ich gingen also in den Maschinenraum und machten uns daran, die defekte Pumpe auszubauen. Zu aller erst mussten wir das Öl aus der Pumpe ablassen. Hierfür mussten wir eine Schraube aufdrehen und ließen das Öl in eine aufgeschnittene Ketchup-Flasche laufen. Ein schwarzer und ein durchsichtiger Schlauch führen von der Schraube weg. Diese mussten wir mit Hilfe von Maulschlüsseln abbauen.

Rechts von der Pumpe ist der Motor, der die Pumpe antreibt. Diese Schrauben mussten wir mit einer Knarre und zugehörigem Nusskopfaufsatz lösen. Dann erst konnten wir die defekte Pumpe völlig ausbauen. Dieses Prozedere nahm ca. 35 Minuten in Anspruch. Nach ca. einer halben Stunde im Maschinenraum schwitzten wir schon sehr stark, denn es sei gesagt, dass es da unten normalerweise in der Karibik mindestens 30° warm ist, bei laufender Hauptmaschine wird es dort mit bis zu 40° erst so richtig muckelig warm. Mittlerweile sind es dort wieder angenehme 20 Grad. Wir entschlossen uns also kurz an Deck etwas zu trinken und abzukühlen. Aus allem Überdruss wurde plötzlich eine Halse gefahren und sofort war die Hilfe der zwei Maschinisten gefragt, die Hand anlegen mussten.

Nach dem Manöver war Spanisch schon vorbei und Mathe stand auf dem Plan. Aufgrund der damals anstehenden Matheklausur wollte ich in Mathe nicht einfach so fehlen, und Max musste sich alleine damit abmühen, Teflonband zur Abdichtung um das Gewinde des durchsichtigen Schlauches zu wickeln. Ob meine Anwesenheit damals im Unterricht etwas an meiner späteren Note verändert hat, sei im Nachhinein aber mal so dahingestellt. Wie dem auch sei, Max hat es irgendwann geschafft, die alte aus- und die neue Pumpe einzubauen. Wir konnten also wieder Trinkwasser herstellen und unsere Tanks füllen, bevor wir in Cienfuegos eintrafen. Vor Anker kann man nämlich aufgrund der Nähe zum Land und des in der Gegend von Hafeneingängen eher schmutzigen Wassers kein Trinkwasser herstellen. Es wären nämlich in sehr kurzen Abständen die Filter verstopft. Weil die Wasserqualität in der Lagune vor Cienfuegos besonders schlecht war, ging es also erst recht nicht.

Die neue Pumpe funktionierte so lange, bis wir Cienfuegos verlassen hatten. Dann schmierte die Pumpe nämlich erneut ab und war wieder im A****. Lutz, der neue Maschinistenanwärter Rüdiger, Timana und ich, kramten die alte Pumpe aus der Last und begannen damit, aus beiden Pumpen eine zu bauen. Dieses Baustück ist mittlerweile im Maschinenraum der Johann Smidt zu bewundern und funktionuggelt bis heute :). Wir standen also nie am Rande der Katastrophe, also einem Wassermangel. Allerdings ist sie froh, dass wir jetzt alle Tanks gefüllt haben und sie jetzt nicht mehr aus dem letzten Loch pfeifen muss, bevor sie in Kiel ausgebaut und repariert wird.

Kurz vor unserem Bunkerstopp in Santo Domingo wollten wir den Generator, der wiederum unseren Strom produziert und von denen wir zwei Stück an Bord haben, wechseln, (das machen wir, um die Generatoren zu entlasten, klappt halt nicht immer) doch stellten wir fest, dass der Stb-Generator anstatt anzuspringen, nur noch funkte. Nachdem wir Santo Domingo wieder verlassen hatten, sahen wir zu, dass Martinique in Sicht kam. Vor Anker bauten wir alles rund um den Generator aus. Dazu gehörten die Osmoseanlage, die Geländer, die Abdeckung des Hilfsdiesels. Lutz und ich bastelten ein Pappmodell des neuen Generators, um zu testen, ob er durch den Notausgang des Maschinenraums passt. Darum mussten wir noch die Leiter des Notausgangs ausbauen. Am 16. März verholten wir an die Pier in Fort de France. Alle ausgebauten Materialien zeiserten wir auf dem Deckshaus fest. Im Hafen versuchten wir den losgeschraubten Generator mit Keilen etwas anzuhieven, damit man ihn leichter mit einem Flaschenzug anheben kann. Dannr kam ein Kran und hob den alten Generator aus dem Maschinennotausgang. Anschließend lud er den neuen Generator von einem Laster und ließ ihn in den Maschinenraum gleiten. Mit Ingos Hilfe, der zu dem Zeitpunkt schon in Fort de France war, bauten Lutz, Rüdiger, Timana und ich den Generator dann wieder ein. Über den Atlantik bis zum heutigen Tag hat der Generator gehalten.

Das war es auch schon mit meinem Exkurs und ich hoffe ich habe euch nicht zu sehr verwirrt.
Hannes

SuS-Stammcrew-Wechsel und Passieren des 0-Meridians

Datum: 30. April 2021
Position: 51°53,0‘ N, 002°43,4‘ E (Englischer Kanal zwischen England und den Niederlanden)
Wetter: wolkenlos, Luft 7°C, spiegelglatte See
von Johannes

Guten Morgen, guten Mittag oder auch guten Abend ihr lustigen Knusperschneggen, ich habe heute das große Glück nochmal als einer der letzten das Geschehene zu dokumentieren (jey *hust hust). Also, was ist am Freitag, den 30., alles so passiert? Naja, eigentlich nicht viel. Halt ein ganz normaler Tag auf See. Aber halt!!! Gerade fällt mir ein, dass der liebe Emilowitch (Emil) 16 Jahre alt geworden ist. Happy Birthday Emil!!! Wie es sich gehört, haben wir beim Frühstück natürlich auch für ihn gesungen (das Vergnügen von der gesamten Mannschaft angestarrt und mit morgendlich-rauen Stimmen besungen zu werden, wollten wir ihm dann doch nicht ersparen :)) Auf unseren wunderschönen Gesang folgten dann auch schon die alltäglichen morgendlichen Ansagen von Jasmin, die uns schönes Wetter ankündigte, weshalb mal wieder Rostwaschen anstand (wir wollen ja, dass die Johnny beim Einlaufen glänzt wie bei der Jungfernfahrt).

Auch die neue SuS-Stammcrew soll nach dem Kaffee bekanntgegeben werden. Kaum das Kopfkissen aufgeschüttelt, ging es dann auch schon weiter mit Jürgen und Wolfgang, die in der Messe, bewaffnet mit der neuen Kartenaufgabe, auf uns warteten, um den SBF-See-Unterricht zu beginnen. Da die Kartenaufgaben zusehends schneller erledigt werden, ging diese Unterrichtseinheit echt super schnell vorbei, sodass einige von uns noch einen Rostwasch-Quicky vor dem Mittagessen einschieben konnten. Durchgefroren von den lauschigen 7° C an Deck, gesellten sich dann anschließend die Rostwäscher zu den übrigen Hungrigen in die Messe und erfreuten sich des Essens von Julius, Jonathan und Valerie (aka Vali, Jonni und Gonni). In der kurzen Mittagspause, in der wir die spiegelglatte See im Englischen Kanal bewundern konnten, gab es etwa gegen 16:00 Uhr kein Ein- oder Austreten in die Brücke mehr, da mindestens die halbe Schülerschaft, dicht an dicht gedrängt, gebannt auf eines der drei GPS-Geräte starrte, denn wir waren im Begriff den 0-Meridian, also den nullten Längengrad, zu überqueren und brachen in Jubel aus, als dann plötzlich „E“ (für East) auf dem Display zu lesen war. Im Anschluss folgte nun die zweite Kartenaufgabe des Tages, für dessen schnelles Erledigen die Unterrichtsgruppe mit einem großen Stück von Emils Geburtstagskuchen (den Julius und Jasmin den Abend zuvor gebacken hatten) belohnt wurde. Allerdings galt unsere Aufmerksamkeit nicht dem Kuchen, sondern Norbert, der jeden Moment aufstehen und die neue SuS-Stammcrew bekanntgeben würde. Und tatsächlich: Norbert erhob sich und in gewohntem, respektverheißendem Tonfall wird der alten SuS-Stammcrew für ihre Zeit und Arbeit gedankt und die neuen Vier werden ernannt. Jasmin wird als Schülerkapitänin von Robert abgelöst, Emil, Anselm und ich werden als Schülersteuerleute an Noah, Timana und Helene übergeben.

Ich persönlich freue mich schon sehr darauf zu sehen, wie sich die Vier in ihrem Job machen werden. Meine Erfahrung hat mir auf jeden Fall gezeigt, dass man mit solchen Aufgaben sehr wächst und einen ganz neuen Blick für die Segel, das Schiff und die Besatzung bekommt. Es hat mich immer mit Freude erfüllt, nach vorne zu den vom Wind geblähten Vorsegeln zu blicken und ein bisschen die Verantwortung zu spüren. Aber vor allem hat mir meine Zeit zusammen mit der restlichen SuS-Stamm einfach sau viel Spaß gemacht, auch wenn es eine Weile gebraucht hat, sich daran zu gewöhnen, das Kommando zu übernehmen, Leute einzuteilen usw. Am meisten Spaß machte es mir allerdings immer noch, das Segelsetzen anzuleiten, da man direkt mit dem Anblick eines im Wind stehenden Segels belohnt wird, dessen Bauch sich im Wind bläht und das Schiff in Richtung Heimat bewegt. Den restlichen Tag hatten wir dann „frei“, wenn man nicht gerade Wache oder Backschaft hatte, mit Bootsarbeiten dran war, Blog schreiben oder für den SBF-See lernen musste, mit Briefe schreiben beschäftigt war, Schulsachen von zuhause erledigte, die neuen Wachpläne schrieb, Karten berichtigte…

Aja, das Leben hier an Bord ist wirklich pure Entspannung :). Der letzte Punkt unserer Tagesplanung war der Diskussionsabend, zu dem alle herzlich eingeladen waren. Während die einen sich in hitzige Debatten zum Thema „Sollte man Cannabis legalisieren?“ verwickelten, saßen die anderen bastelnd oder Briefe schreibend da und schenkten der Diskussion ein Ohr. Der restliche Tag verlief ohne größere Ereignisse. An Deck lässt man noch den Abend fröstelnd und den wunderschönen Sonnenuntergang beobachtend ausklingen, während an Backbordseite ein Schiff nach dem nächsten vorbeizieht und auf Steuerbordseite langsam die französische Küste zum Leben erwacht und ein Licht nach dem anderen aufleuchtet (Solche Anblicke werde ich auf jeden Fall krass vermissen). Ja das war‘s dann eigentlich auch schon von mir. Tschau mit V und bis in einer Woche (oh Gott nur noch eine Woche?!).
Johannes