Von alltäglichem und besonderem Chaos

Datum: 18. November 2020
Position: Santa Cruze de Tenerife
Wetter: sonnig, warm
von Lana

Ich, ein kleines Weizenkorn auf meinem Feld gewachsen. Auf einmal kommt ein sehr großes, lautes Fahrzeug auf mich zu. Noch bevor ich weiß, wie mir geschieht, werde ich hin und her geworfen und von den anderen Körnern, mit denen ich gemeinsam aufgewachsen bin getrennt. Auf einmal spuckt mich ein riesiges Rohr aus, zu jeder Menge anderer Körner. Ich purzle noch ein wenig umher und komme dann endlich zum Liegen – in Bergen von anderen Körnern. Bin ich froh, dass ich erstmal nicht mehr so durchgeschüttelt werde. Aber ich weiß immer noch nicht, was mit mir geschieht. Es holpert zwar immer noch, aber nicht mehr so doll. Das ist ganz schön gruselig alles. Einige Zeit später aber wird es nochmal so richtig komisch. Ich rutsche, versuche irgendwie da zu bleiben, wo ich bin, aber kann mich nicht halten. Ich rutsche immer schneller. Und es wird schon wieder immer lauter. Da kommen große Klötze auf mich zu. Auf einmal werde ich immer mehr eingequetscht. Irgendwann habe ich keine Chance mehr und werde einfach zerquetscht. Ich zerfalle in einzelne Teile und werde in kleine Packungen gepackt. Ich liege am Rand bzw. einige meiner Teile liegen am Rand. Dadurch kann ich nach draußen gucken und sehe, wie ich in größere, gut transportable Pakete zusammengeschweißt werde.

Von nun an geht alles sehr schnell. Ich werde in einen Laster geschmissen, nochmal ausgepackt und in einen neuen Laster wieder eingepackt. Von nun an holpert es nochmals und es wird kälter. So liege ich ziemlich lange mit vielen anderen Sachen da. Da es dunkel ist sehe ich leider nicht, mit was für Sachen. Irgendwann wird es wieder hell und ich falle fast raus – glaube ich zumindest. Aber eigentlich werde ich doch nur ausgeladen. Von nun an soll das Chaos erst richtig los gehen. Ich werde mit meinem Paket gezählt. Man munkelt, wir sind ca. 200 kg Mehl. Jetzt kann ich auch erahnen, was da noch so alles mit mir unterwegs war. Eine ganze Masse. Immer mehr wird aus dem Laster geholt. Sobald eine Palette leer ist, wird gleich die nächste geholt. Am Ende sollen es 7 Paletten werden. Jedes einzelne Teil muss angeguckt und gezählt werden. Immer wieder höre ich aussagen wie: „Hast du noch irgendwo…?“ „… fehlen noch 10 kg.“. Nach und nach werden wir von der Pier alle in die Messe der Johann Smidt gebracht.

So nennen die das hier zumindest. Von da aus wieder in Kisten. Das scheint aber vorerst mein Platz zu bleiben. Wir sind so viele, dass die Schüler*innen gar nicht wissen wohin mit meinen Kollegen. Aber da die Kiste, in die ich gekommen bin, vorher leer war, sind sie doch erleichtert wieder Mehl zu haben. Bald merken die Schüler, dass wir gar nicht alle in die Kiste passen. Also heißt es wieder an Deck für mich. Erstmal wurde ich zur Seite gelegt. Jetzt bitte bloß nicht hier liegen bleiben. Ich vermisse die Kälte aus dem Laster. Auch die fleißigen Hände werden immer wärmer. Wasser wird verteilt und Sonnencreme benutzt. Immer wieder heißt es „Schlange bilden in die Messe…“, „Jetzt in den Proviantraum, Kühlschrank, Kombüse“, „Käse ist durch…“, „Wieso haben wir denn noch Sachen für die Kühlung? Das muss schnell weg, dass wird schlecht.“ Inzwischen ist sehr viel weg. Die Pier ist leer. Selbst die Berge an Müll scheinen weg zu sein. Aber irgendwas scheint nicht zu stimmen. Oben wird viel diskutiert. Scheinbar wurden einige Sachen nicht geliefert. Aber das Problem scheint jetzt auf morgen verlegt worden zu sein. Denn die Schüler gehen erstmal essen. Danach soll auch ich noch meinen Platz finden. Auch wenn immer wieder die Frage ist, wohin mit dem Kram? Ich bin jetzt in dem Boden unter der Kochkammer gelandet. Mit jeder Menge anderem Mehl.

Natürlich habe ich mich nicht in ein Mehl-Korn verwandelt. So schlimm war es dann doch noch nicht hier auf der Johnny.
„Wo sind denn die Lehrer?“
„Im Hafengebäude, Zähne putzen usw.“
„Geh die mal bitte holen, der Proviant kommt in 10 Minuten.“
(Gedächtnisprotokoll der Kommunikation heute morgen zwischen mir und Christian, unserem Steuermann.)

Denn heute morgen kam tatsächlich Proviant. Kaum zu glauben. Nachdem wir gestern den gesamten Tag gehofft und gewartet haben. Gestern hätten wir fast vergeblich gewartet. Irgendwann kam zwar ein Laster, aber leider so spät, dass wir den dann nicht mehr übernehmen (auf unser Schiff räumen und verstauen) konnten. Somit musste der Händler heute morgen wieder kommen. Mit den Händlern ist das hier auf Teneriffa wohl manchmal ein wenig interessant, weil nie jemand genau weiß, wann die kommen. Nachdem geklärt war, dass der Händler heute wieder kommt, um uns den Proviant zu bringen, durften wir gestern Abend unter den uns inzwischen sehr vertrauen Corona-Auflagen an Land. Denn wir durften uns auf Wunsch vieler Schüler selbst etwas zu Essen suchen und Abendessen an Bord fiel entsprechend aus. Es scheint übrigens jeder etwas gefunden zu haben. Zumindest wirkte keiner mehr hungrig und es wurde viel berichtet, was welche Gruppe gefunden hatte, auch wenn viele von uns doch im gleichen Restaurant gelandet sind.

Heute kam dann der Proviant. Und es gibt wieder Mehl an Bord!!! Denn in Zukunft können wir nicht so weiter machen wie jetzt. Aktuell gibt es gekauftes Brot, das ist aber auf dem Atlantik nicht dauerhaft möglich. Zur Belohnung für die oben beschriebenen Strapazen ging es für alle die wollten noch ein letztes Mal an den Strand. Heute, aufgrund von für uns doch eigentlich eher leichten Wind, inklusive Gratis-Peeling. Dadurch waren dann ohnehin schon alle sandig, was sehr zu einer sportlichen Einlage einlud. Diese haben wir mit Akrobatik und Gruppenspielen sehr lustig ausgenutzt.
Liebe Grüße Lana

P.S.: Liebe Grüße auch von mir mal an alle, die so fleißig unseren Blog verfolgen und vielen Dank an alle die mir/ uns das hier alles ermöglichen.
P.P.S.: Selma grüßt Andi: „Ich hoffe dir geht es gut und pass auf dass die drei (oder vier?!) mein Zimmer heile lassen, danke ;)!!“
P.P.P.S.: Anabel grüßt ihre Eltern, die sich weiterhin keine Sorgen um die blonde Strähne in meinen Haaren machen müssen, da man die nicht wirklich sieht und das, was man sieht, sieht nice aus! Hab euch lieb. Grüße an Nuki, mein Zimmer ist schon cool, ich weiß, aber zieh da jetzt endlich wieder aus!
P.P.P.P.S.: Nathalie grüßt ihre Lieben daheim – und freut sich, Carla in Hamburg und Jonathan in Wien neu in dieser Welt zu wissen: Schön, dass ihr geboren seid! Und den Eltern alles erdenklich Liebe! Und natürlich grüße ich die Fischsuppe der HSHS Crew 18/19, die „Lost in the Atlantic HSHS Crew 19/20“, das fantastische Landteam und meine Mama.


Neu: 4. Bildergalerie der HSHS – Auf Teneriffa

Die Sternengucker

Datum: 16. November 2020
Position: Santa Cruz de Tenerife
Wetter: warm
von Jan

Moin, am Sonntag waren wir in La Laguna und haben uns die Altstadt angeschaut, außerdem hatte ich Backschaft und musste deswegen schon sau früh aufstehen. Das erste, was uns Peter gesagt hatte, war, dass wir das Essen heute selber machen sollen und er heute nur im Notfall da ist. Also haben wir angefangen und es gab absolutes Chaos. Aber wir hatten alles pünktlich auf dem Tisch und da Sonntag war, gab es ein sehr ausgiebiges Frühstück. Es gab zum ersten Mal Joghurt. Dazu gab es dann noch Müsli, Nutella, Erdnussbutter und frisch aufgebackene Baguettes. Nach dem Frühstück haben wir direkt mit dem Mittagessen angefangen, da wir erst am Nachmittag nach La Laguna gefahren sind. Das Mittagessen war noch viel chaotischer, aber Anselm, Jonathan und ich haben das hinbekommen und pünktlich um 12:30 Uhr Essen auf den Tisch gestellt. Es gab Tomatenreis mit Hack und Zucchini sowie für die Veggies Tofu mit Zucchini. Als wir mit dem Abwasch fertig waren, konnten wir endlich nach La Laguna losfahren. Wir waren alle echt gespannt, weil wir freien Landgang – also so frei natürlich wie wir den unter Corona-Maßnahmen machen konnten (mit Maske, in keine Läden rein, etc.) – hatten und die Stadt auf eigene Faust erkunden durften.

Als wir angekommen waren, hatte uns Friedi etwas über die Stadt und die Geschichte von Teneriffa erzählt und wir haben besprochen, was wir in der Zeit machen werden, in der wir in La Laguna sind. Dann durften wir los in die Stadt, aber wir haben erst einen Zettel bekommen, auf dem Aufgaben für eine Stadt-Rallye standen. Endlich durften wir los und das erste, was wir gemacht haben, ist mit Stefan und Christian zu einem kleinen Bäcker zu gehen und uns Essen zu kaufen. Die hatten eine kleine Theke, sodass wir nicht in den Landen gehen mussten. Die Verkäufer waren so nett zu uns und haben mir einen Extra-Donut geschenkt. Wir sind langsam durch die Altstadt geschlendert und haben uns die ganzen vielen Info-Tafeln angeschaut, die an fast jedem Haus hingen und mit jeder Tafel habe ich mir gedacht: „Wie viel Geschichte kann in so einem kleinen Dorf sein?“. Auf jeden Fall mussten wir, während wir durch die Stadt liefen, Fotos für die Rallye machen. Wir hatten so viel Spaß damit!

Nachdem wir noch einen Eistee getrunken hatten und noch einmal bei dem Bäcker waren, war es Zeit für die Rückfahrt. Das hieß auch, dass wenn wir wieder da waren, ich direkt in die Backschaft musste, aber es war absolut lustig und wir haben ein bisschen in der Küche gezaubert und noch zu ganz normalem Essen einen großen Salat mit selbstgemachtem Salat-Dressing gemacht. Nachdem sich alle satt gegessen hatten, gab es noch eine Überraschung für uns: Die Ersten haben ihre Briefe bekommen, konnten anfangen diese zu lesen und hatten ein kleines bisschen Zuhause, was bei fast allen zu dem ein oder anderen Tränchen geführt hatte. Wir in der Küche hatten aber keine Freizeit, sondern mussten die Küche fertig machen, denn sobald wir fertig waren, haben die ersten 2 Gruppen ihre Bilder von der Stadt-Rallye vorgestellt. Das war sehr lustig und hat einige nach dem kleinen Heimwehe durch die Briefe wieder sehr aufgeheitert. Dann gab es die beste Ansage überhaupt und zwar, dass es so warm in der Nacht wird, dass wir draußen schlafen dürfen, was alle sehr sehr fröhlich gestimmt hat und sofort fast alle mit Iso/- und Hängematten ans Deck getrieben hat. Ich glaube, ich kann für alle sprechen, wenn ich sage, dass es echt schön war auf dem Vorschiff als große Gruppe zu schlafen. Wie angesagt war die Nacht viel viel wärmer als die letzten und gleichzeitig war der nachfolgende Tag auch noch wärmer, was uns aber egal war, da wir unseren zweiten Tag am Strand hatten.

Am Frühstückstisch waren alle zwar etwas angematscht, aber wir hatten alle Lust auf den Strand, da es selbst um kurz nach 7.00 Uhr schon fast 26°C warm war. Nachdem wir schnell die Küche, die Bäder und die Messe sauber gemacht hatten, sind wir um 10.00 Uhr mit Taxen an den Strand gefahren. Der Strand war zwar ein ganz kleines bisschen voller als beim ersten Mal, aber dafür hat dieses Mal ohne Unterbrechung die Sonne geschienen und wir konnten uns alle bräunen – naja alle bis auf mich, ich habe einfach wie immer Sonnenbrand bekommen, aber naja dafür war es schön warm. Nach dem Erholungstag am Strand stand um 17.00 Uhr unsere Rückkehr auf die Jonny an, aber das hieß auch, dass wir unseren individuellen Landgang in St. Cruz näherkommen, auf den alle Lust hatten und der sogar früher als geplant angefangen hat, da die Backschaft schnell fertig war. Dann durften wir wieder in kleinen Gruppen in die Stadt rein gehen. Zwar wie in La Laguna nur mit Maske und dass wir in keine Läden dürfen, es ist trotzdem ein sehr schöner Unterschied zum Schiffsalltag, naja egal. Manche hatten sich dann für später Pizza geholt, was echt schlau war, aber naja, man kann nicht alles haben.

Als wir alle wieder um 10.00 Uhr eingetrudelt waren, gab es noch eine lang ersehnte Überraschung, denn die Lehrer hatten unsere persönlichen Einkäufe gemacht und kamen mit Kartons voll mit Chips, Keksen, Schokolade usw. aufs Schiff. Dann haben die sich zwar erstmal „beschwert“, dass sie einkaufen mussten aber anscheinend hatten sie auch sehr viel Spaß so viel einzukaufen. Nachdem sich das alles gelegt hatte, ist der Abend langsam an Deck ausgeklungen, denn wir durften wieder draußen schlafen. Jetzt sitze ich hier in meiner Hängematte und versuche irgendwie alles, was in den letzten Tagen passiert ist, aufzuschreiben und begreife so langsam, warum Nathalie immer sagt, dass diese Reise etwas ist, was man nicht einfangen kann. Ich kann zwar lange erzählen, was wir gemacht haben, aber das Lachen, müde, gestresst, traurig oder was auch immer Sein hier und die ganze Dynamik der Gruppe ist etwas, was wir nie so erzählen werden können. Diese Fahrt ist so voller Erlebnisse, Gefühle und Eindrücke, dass man das niemals alles auffangen könnte. Deshalb will ich einfach nur an alle, die das hier lesen, einen schönen Morgen, Mittag oder Abend wünschen und sagen, dass dieses Projekt für alle eine große Herausforderung ist, aber etwas, an dem man so viel wächst und man Eindrücke bekommt die man niemals sonst bekommen würde.
LG, Jan

P.S.: Ich grüße Sabrina und hoffe das es dir gut geht. <3
P.P.S.: Mama, auf den nächsten Bildern werde ich blonde Haare haben also nicht erschrecken – wobei ich glaube, das tut ihr eh nicht mehr. Ich habe euch lieb. <3
P.P.P.S.: Anabel grüßt: Ihre Eltern, die sich keine Sorgen darum machen sollten, dass ich eventuell eine blonde Strähne in den Haaren haben werde. Hab euch ganz doll lieb und danke, dass ihr mir die Reise ermöglicht habt <3. Ihre Schwester, bitte zieh aus meinem Zimmer wieder aus, wenn deins fertig umgebaut ist!!!!! Adi, nicht zu viel feiern gehen bitte, weil ich hätte gerne noch nen Bruder mit einer Leber <3. Emma und Miriam, hab euch lieb. Ich Grüße Jan, der direkt neben mir sitzt, nur so aus Spaß. Ihre Großeltern, es war sehr schön mal wieder mit euch zu Telefonieren. Weiterhin Grüße an alle Pizza-Läden dieser Welt, weil Pizza ist beste.
P.P.P.P.S.: Selma grüßt Nando: “Wie ist die Lage bei euch so? Wenn ich wieder da bin, komme ich euch mal besuchen, wir sind viiiiiel zu selten bei euch! Grüß die andern vier ganz herzlich von mir!!“
P.P.P.P.P.S.: Lara grüßt Sabeth ,,hab dich ganz dolle lieb und sag Annie gute Besserung von mir!´´
P.P.P.P.P.S.: Julius grüßt Jan und hätte sein Fahrrad gerne heile zurück.
P.P.P.P.P.P.S.: Jonathan grüßt Papa. Ich hoffe dir geht es gut und der Hausbau geht gut voran:)
P.P.P.P.P.P.P.S.: Nico grüßt die Kassiererin aus dem Lidl, die das Opfer unseres gesunden Großeinkaufs wurde.