Ein bisschen Moral, Evolution und von allem etwas

Datum: 3. März 2021
Position: vor der Südküste von Haiti, Höhe von Cap Jacmel
Wetter: Wind, hohe Dünung, sehr viel Sonne
von Helene

Guten Morgen ihr „…..Bratzen“ (war Merles Idee, Anselms, oder doch meine, wer weiß das schon?)! Ich glaube, jeder Blog beginnt damit, aber es sind leider nicht gaaaanz so ultra mega spannende Dinge passiert, da wir hier immer noch mit 3-4 Knoten vor Haiti rumdümpeln (für die Landratten unter euch, das ist ungefähr doppelt so schnell wie ein Fußgänger). Aber da wir hier ja alles chronologisch angehen, fang ich erstmal mit gestern an.

02.03.21: Alllsooo, gestern fing für die Backbordgruppe (also auch für mich) der Tag mit Unterricht an. Als erstes stand auf dem Stundenplan Englisch bei Ronja an, in dieser Stunde sollten wir unsere Filmscripte (die Johannes im letzten Beitrag hier auf dem Blog erwähnt hat) vergleichen und eins zum Filmen aussuchen. Eigentlich sollten wir auch schon anfangen, einige Szenen zu verfilmen, aber es könnte sein, dass wir das nicht so ganz geschafft haben, weil es ebenfalls sein könnte, dass wir manche Dinge etwas spannender fanden. Nach unserer produktiven Englischstunde, hatten wir Geo beim Grüner. Da wurden wir mental auf unsere Klausurersatzleitung vorbereitet. Die besteht aus einem Brief an die Deutschen Krone, in dem steht, wann, wie und warum es sinnvoll ist, über den Atlantik zu segeln. Wir sollen hierbei davon ausgehen, dass wir uns in der Zeit von Kolumbus Reise (1492) befinden. Nach Geo folgte Spanisch, und dann Bio.

Achtung, ganz wichtige Nebeninfo: Die gute Merle hat gestern das Klüvernetz neu betakelt. Hierbei dreht es sich um ein kleines Fangnetz, welches direkt unter dem Klüver und zugleich unter dem Bugspriet an zwei Stahlseilen aufgehängt ist und uns eine größere Standfläche bietet, wenn wir ganz vorn am Vorstag bzw. dem Klüver arbeiten müssen. Das Netz musste am Stahlseil an einigen Stellen wieder mit dünnem Tauwerk befestigt werden (es war ihr ein großes Anliegen, dass ich das hier erwähne).

In Bio haben wir uns die Evolution vorgenommen. Hier ist eine Theorie von einer Schülerin (ich sag mal nicht von wem, das könnte für mich sonst peinlich werden): Es war einmal ein Einzeller, dann kam der Zauberer Miraculix, fuchtelte ein bisschen mit dem Zauberstab rum, und rief abra, kadabra, und pling, plötzlich schwamm da ein Wal!!! Leider war das nicht ganz richtig, das war nämlich so: Es war tatsächlich mal ein Einzeller, aus dem wurde dann ein Mehrzeller und aus diesem ein schwimmendes Etwas, aus welchem dann wiederum ein reptilienähnliches Etwas wurde. Dann folgte ein an Land lebendes Säugetier, welches dann wieder ins Wasser „ging“ und zum Wal mutierte. (Das ist natürlich nur eine gaaaanz grobe Version). Ungefähr um diese Zeit sind wir auch durch eine Meeresenge gekreuzt, zwischen einer wunderschönen Miniinsel und Haiti durch. Da wir hier besonders nahe an Land waren, hat man viele kleine, einheimische Segler gesehen. Die Bötchen waren bunt bemalt, hatten eine Fock und ein kleines Segel, das unserem Schoner ähnelte. Mit dem Fernglas standen wir alle am Bugkorb und haben den Einheimischen zugewunken. Es ist zwar sehr schade an Land vorbei zu segeln und es nicht betreten zu dürfen, aber das werden wir bestimmt verkraften.

Wir Schüler*innen haben auch eine „neue“ Beschäftigung gefunden. Man sieht seit den letzten Tagen, egal, wo man hinkommt, alle beim Lesen… (zur Freude unserer größten Leseratten Selma und Anabel) Ganz beliebte Bücher sind hier: After the Fire; Unter Leuten; Der Fremde; Im Meer schwimmen Krokodile; The hate u give; Der alte Mann und das Meer. Einer der häufigsten Sätze an Bord ist gerade: „Kann ich das nach dir lesen?“

Der Tag endete dann mit einer sehr guten Doku über die Arbeitsverhältnisse in Nähereien und Gerbereien in Bangladesch. Diese Doku lohnt sich wirklich, falls ihr euch die anschauen wollt, die heißt: „Wie Primark, H&M, Adidas, Kik und co. an der Ausbeutung der Textilarbeiterinnen in Bangladesch verdienen“ und ist von ZDF. In dieser Doku werden Näherinnen, allein geflohene Kinder, welche 6 Stunden lang auf einem Zugdach mitgefahren sind und Firmenchefs zum Thema Arbeitsverhältnisse und Lohn (12-17 ct die Stunde!!!) interviewt und dazu meiner Meinung nach sehr erschreckende Aufnahmen gezeigt. Deshalb hier eine kurze Moralpredigt: Achtet, darauf was für Klamotten ihr kauft, und wo diese herkommen, und am besten, ob es „FairTrade“ ist (das kann man meistens an den kleinen Schildchen in den Kleidungsstücken ernennen, wenn diese FairTrade sind, tragen sie ein Logo, das ihr bestimmt kennt!)! Manche Menschen müssen leiden, nur weil wir günstige Klamotten wollen, das ist nicht fair! Ach, und nur weil etwas teuer ist, ist es nicht gleich gut. Teilweise lassen sich teure Marken von den gleichen Fabriken beliefern wie billige Discounter. Ein Tipp: Kauft einfach Secondhand, damit helft ihr der Umwelt und unterstützt keine Menschen ausbeutenden Konzerne. Wir haben hier an Bord ein großes Talent auf dem schnellsten Wege Secondhandläden ausfindig zu machen!!! Fragt mal Friedi.

Aber nun endlich zum heutigen Tag: Ich wurde heute seeeehr liebevoll von Jasmin geweckt, danke an dieser Stelle ?? Nach dem Frühstück bin ich dann zur Wache. Da der Wind nicht ganz aus der Richtung kam, aus der wir ihn am liebsten hätten, haben wir erst nur den Schoner geborgen und die Baumfock sowie das Groß stehen lassen (zur Stabilität). Am Ende haben wir dann aber doch noch das Groß und die Baumfock geborgen und haben den Motor angeschmissen. Das können wir uns jetzt auch leisten, denn heute beim Mittagessen wurde bekannt gegeben, dass wir einen kurzen Zwischenstopp in Santo Domingo (Dominikanische Republik) machen werden. Dort wollen wir Brennstoff und ein bisschen frisches Obst und Gemüse bunkern. Brennstoff konnten wir auf Kuba leider nicht tanken, da wir keinen Platz an der Pier abbekommen haben und weil wir der Qualität nicht ganz trauen. Wir hatten gehofft, dass der Bestehende noch bis Martinique reicht, aber da der Wind nicht so will, wie wir, müssen wir jetzt leider improvisieren.

Nach Santo Domingo geht es hoffentlich etwas schneller und mit besserem Wind nach Martinique. Auf Martinique freuen wir uns alle sehr. Zum einen hoffen wir sehr auf Landgang, um auch den französischen Teil der Karibik zu erkunden, aber wir freuen uns natürlich auch aufs europäische Netz, damit wir endlich wieder unsere Familien anrufen können. Leider hatten viele von uns auf Kuba nicht die Möglichkeit anzurufen, da es fast nirgendwo Internet gab, und wenn es welches gab, waren die WLAN-Karten, die man auf Kuba für öffentlich verfügbares Internet erwerben muss, ausverkauft. Der heutige Tag endete mit einem wunderschönen Sonnenuntergang und dem grünen Blitz…der erscheint Millisekunden bevor die Sonne untergeht, ist aber eher ein neongrüner Punkt.
Helene

P.S.:
Ich grüße meine Familie, Sabine, die Lautens, die Berghoffs, die Schneiders, Doris und Peter, Catherine und Großvater und alle anderen aus meiner Familie.
Friedi grüßt Fritzi Bru, der jetzt wieder zu Hause ist ?? Grüß mir die Heimat und die Liebsten!
Raphael grüßt alle LZR-Mitarbeiter (ganz besonders natürlich das Abigruppenleitungsteam ??) und die Männers und Frauen in der Fa. Fleck!