Wunderinsel

Datum: 25. Januar 2021
Position: St. Georges, Port Louis Marina
Wetter: dünne Mittagsbrise, wenige Wolken
von Caspar

„Letztes Shuttle“ sticht Siggis Stimme in die Luft wie eine scharfe Klinge. Neun Leute fahren aneinander gepresst in einem Beiboot auf türkisfarbenem Wasser an die Pier. Dort warten Mitschüler und Taxis. Durch das Fenster kann man verschiedene Landschaften vorbeiziehen sehen. Eine Frau, die ihre Kinder versammelt, Fischer, die zurückkommen, ihre Arme voll beladen mit Fisch, ein Hund isst mit zwei Bauern am Straßenrand. Poetische Szenen, die in die Insel verankert sind. Eine leere Schule, eine Holzbootfabrik, ein Friedhof, der im Meer liegt. Wir steigen immer höher die Hügel hinauf. Man kann am Gipfel Grenada hinter den Wolken sehen. Petite Martinique, St. Vincent und Petit St. Vincent ragen auch aus den Wolken heraus wie die Kronjuwelen von den kleinen Antillen. Sie schneiden den Ausblick und lassen nur schwarze Silhouetten unter der blendenden Sonne zu – ein weißer Kreis hoch am Himmel. Wie ein Schwamm nimmt sie die Farbtöne auf. Gegen 15.00 Uhr sitzt die Gruppe am Strand. Der helle Sand fließt überall unter unseren Füßen, um uns herum, er bleibt an den Beinen und Händen kleben. Ganz kleine tote Korallen finden wir und waren schon immer da. Vom Anfang bis zum Ende, vom Sonnenaufgang zum Sonnenuntergang.

Und wir stehen da, im Schatten der Wunder. Ein gelb gefärbtes Gesicht, durch die wachsenden Flammen des Lagerfeuers, haben aufgehört zu denken (man vergisst sich selbst in der Nacht) und genießt nur den Moment. Dieser bleibt eine Minute, eine Nacht oder ein ganzes Leben im Kopf. Im Hintergrund spielt auf einer akustischen Gitarre eine sehr passende Musik, etwas Typisches von der Insel. Wir feiern heute Abend „Bergfest“, weil die Hälfte der Reise erreicht wurde. Und schon zieht die Sonne ihr Beerdigungskleid an. Die Wellen, die nur noch ein ruhiges Geräusch sind, brechen sich langsam auf dem dünnen Sand. Sterne stehen fast schon ganz oben wie Beschützer von unseren Träumen und der Mond steht mit seinem Spiegelbild wie ein Fächer dieser Nacht. Ein gemischter Geruch von gegrilltem Fisch, Hütchen und Gemüse kitzelt in unseren Nasenlöchern. Der Wind nimmt zu. Am Horizont liegt ein Schiff, sogar zwei. Aber schnell verschwinden sie und sind jetzt nur noch ein kleiner Strahl am Horizont.

Es ist fünf Uhr morgens, als meine Augen wieder Licht erkennen. In der karibischen Nacht aktivieren sich 32 Seelen und beim Sonnenaufgang sind die Segel oben. Im Halbschlaf, halbblind, man fühlt und führt die verschiedenen Leinen. Hinter den Bergen steigen Wolken hinauf, deren Volumen sind Gold, aber sie verstecken Tränen in sich. Wenn man über das Schiff wandert, hört man nur den Wind und wie er die riesigen weißen Flächen vor sich herschiebt. Die Sonne ist nicht mehr zu sehen aber kleine blaue Himmelslichtungen. Die Wellen werden immer dunkler und plötzlich ein Tropfen, dann zwei, drei und das ganze Deck hat feuchte Pickel. Nach ein paar Stunden sieht man St. Georges unter einer dicken brennenden Schicht. „Mach fest die Vorspring“; „Hol durch“ schrien ein paar, als wir im Hafen einliefen. Am anderen Ende vom Schiff sehe ich Raphael der auf mich zu kommt. Er meint zu mir: „Caspar, du musst heute Blog schreiben“ „Na dann, auf geht’s…“.
Caspar

Grüße:
Vali grüßt Jule: Na, wie ist die Schule? ??
Jasmin grüßt sehr herzlich Lutz Scholz und Thomas aus dem 3. OG:)