Gedanken am Ruder

Datum: 17. März 2019
Position: 28° 37,8′ N, 071° 12,1′ W
Etmal: k. A.
Wetter: Luft 25°C°, Wasser 24°C, Wind 3-4 Bft.,
von Josephine

Lieber Papa, diesen Tagesbericht widme ich dir, denn ich wünsche dir auf diesem Wege alles, alles Gute zu deinem Geburtstag! Auf dass dieser Tag wunderschön wird. Ich denke viel an dich und hab dich unendlich doll lieb. Du bist der Segelbegeisterte in unserer Familie und durch dich konnte auch ich das Segeln für mich entdecken. Danke dafür und für alles andere! In diesem Moment trägt uns der Wind gen Norden zu den Bermudas und ich weiß, dass es dir hier gefallen würde und die seglerischen Herausforderungen auch.

Jedes Mal, wenn ich am Ruder unserer Johnny stehe und mich auf den Kurs konzentriere, schießen mir viele Gedanken durch den Kopf. Fast so, als ob das Ruder magisch wäre. Aber warum erzähle ich euch das überhaupt? Weil die Gedanken, die einem dabei in den Sinn kommen, Erinnerungen an Momente sind, die einen auf irgendeine Art und Weise gefesselt haben. Und oft sind das eben auch Erinnerungen an zuhause… an Spaziergänge beim Schloss Lehrbach, an den Besuch des Staudamms mit Oma und Opa, an Autofahrten mit Hörbuch, an Essen, das man von daheim kennt. Am Ruder stehen bedeutet oft, in eigenen Erinnerungen zu schwelgen, fast so wie ein Fenster in eine andere Welt.

Ich glaube, dass viele von uns gerade die Erfahrung machen, dass die Gedanken zwischendurch gen Rückkehr wandern. Die verbleibende Zeit wird so schnell vorbeigehen und für jeden stellt es sicherlich eine ganz eigene Herausforderung dar, sich gedanklich mit dem baldigen Ende der Reise auseinanderzusetzen. Und so schlecht ist das vielleicht auch gar nicht, um unsere letzte gemeinsame Zeit noch einmal so richtig auskosten zu können, um kleinere Konflikte als im Grunde nebensächlich abstempeln und jeden Tag, den wir noch gemeinsam verbringen dürfen, gebührend genießen zu können.
Liebe Grüße, Josi

P.S.: Nate, Alex, Julia, Ella, Oma und Opa, ich denke auch an euch und hab euch unendlich dolle lieb. An meine Freunde und an alle anderen, die das lesen, sende ich auch liebe Grüße!

Kuba

Datum: 22. Februar 2019
Position: Cienfuegos, Kuba
Etmal: –
Wetter: sehr warm
Name: Josi

Wir liegen vor Cienfuegos vor Anker und haben heute zwei Schularbeiten geschrieben. Erst Spanisch und dann Englisch. Danach wartete dann unser wöchentliches Großreinschiff auf uns. Spaßig und aufregend klingt anders. Ich werde also in diesem Tagesbericht lieber einmal über Dinge schreiben, die uns fast jeden Tag begegnen und beschäftigen, aber trotzdem nie zum Thema gemacht werden. Zunächst einmal begleitet uns so wie euch ja täglich das Phänomen des Aufstehens. Hier auf dem Schiff wird man an Landtagen meistens – je nach weckender Person sanft oder unsanft – um 07:00 Uhr geweckt. Die meisten bleiben dann noch bis etwa 07:15 Uhr liegen und springen dann schnell aus der Koje, um noch pünktlich zum Frühstück zu kommen und hierbei nicht wie ein Staubwedel auszusehen.

Vor dem Essen erwartet uns dann unsere „Stille Minute“. Diese wird vor jedem Essen mit einer Glocke eingeläutet. Es folgt eine kostbare Minute, in welcher das ganze Schiff schweigt. Manchmal kann es allerdings passieren, dass man die drei Backschafter – die zu diesem Zeitpunkt in der Kombüse sind – singen hört oder dass jemand zu spät in die Messe kommt und erst beim Reden bemerkt, dass er oder sie in die stille Minute hineingeplatzt ist. Ich bin mir sicher, dass wir alle die stille Minute als etwas sehr kostbares empfinden. Denn im normalen Bordgeschehen fällt es nicht immer leicht, Ruhe zu finden. Und so ist es ganz normal, dass in dieser Minute, in der das dampfende Essen vor einem steht, viele einfach die Augen schließen und den ruhigen Moment genießen.

Die Person jedoch, welche die stille Minute mit der Glocke eingeläutet hat und die Uhr im Blick behält, fühlt sich in diesem Moment meistens beobachtet. Denn die Blicke derer, die sich langweilen, landen meistens bei dieser Person. Und manchmal ist die stille Minute auch eine extreme witzige Situation, denn wann ist es schöner zu lachen, als wenn es verboten ist? Auch erwähnenswert ist die schöne Abendstimmung auf der Johnny! Die interessantesten Gespräche werden geführt, man kann im Mondlicht aufs Wasser schauen und alles ist sehr entspannt. Die favorisierten Plätze sind dann das Vorschiff, die Segelsäcke, der Fuß des Großmastes oder das Brückendach.

Und wo auch immer wir uns an an Bord befinden, sind wir in der Regel von der Außenwelt abgeschnitten. Und es vergisst sich leicht, dass es noch so viele andere Menschen auf dieser Welt gibt. Und dass es völlig normal ist, dass man sich vielleicht nicht immer mit allen 24 anderen Schülern, Steuerleuten und Lehrern versteht. Und dass man deshalb auch einmal seine eigene Meinung äußern und gleichzeitig füreinander da sein muss. Denn wenn wir in unserem Mikrokosmos nicht füreinander da wären, wer wäre es sonst? Auf 36m Länge kann sich nicht aus dem Weg gehen und auch nicht den Problemen und Herausforderungen, die sich einem stellen. Man ist gewissermaßen dazu gezwungen, die Leute so zu nehmen und zu verstehen zu versuchen, wie sie sind. Und man lernt außerdem, dass eine dicke Portion Humor das Leben gleich viel schöner machen kann. Liebe Grüße an meine ganze Familie und an alle, die an uns denken!
Josi

P.S.: Mama, Papa, Oma, Opa, Alex, Renate, Julia, Ella, Carina, Paula, Luna, Pauline, Jonas und alle anderen. Ich denke an Euch und habe euch unendlich lieb.

P.P.S.: Johanna sagt: Balck und Spreckels, uiuiuiui. Noch genau 1nen Monat und 1ne Woche! Ich besorg das Brot und das Salz! Man sieht sich :))