Abschiede und Neubeginn

Datum: 27. November 2018
Position: k. A.
Etmal: 120 sm
Wetter: Wasser 23.4°C, Luft: 20.9°C, Wind NE 1 Bft
von Linqi

Heute haben wir Abschied von Teneriffa genommen. Der Abschied von Teneriffa ist zugleich der Anfang einer neuen Etappe. Und wir haben nicht nur Teneriffa hinter uns gelassen: Seit etwa sechs Wochen sind wir nun unterwegs und haben eine Weile gebraucht, um uns an das Leben auf dem Meer zu gewöhnen, z.B an den Wachbetrieb, an die Verantwortlichkeiten der Backschaft, an den unregelmäßigen Tagesablauf und natürlich auch an die Menschen, mit denen wir zusammen arbeiten und Kammern teilen.

Heute also ist wieder der erste Tag auf See, an welchem uns neue Wachpartner zugeordnet wurden und ein neues Zeitgefühl beginnt. Beim All-Hands haben wir das erste Mal mit völlig neuen Wachpartner zusammengearbeitet. Beim Segelsetzen haben wir übrigens das Schonersegel in Ruhe gelassen und stattdessen ein Segel gesetzt, das wir vorher noch nicht gesetzt haben: den Halbwinder vorne am Schiffsbug. Dieses Segel ist das größte Segel, das wir haben.

Eine weitere Änderung, die es gibt, ist der Beginn der Unterrichtsetappe: Von nun an werden sich für uns Wach- und Unterrichtstage abwechseln. Während wir uns ja bislang nur auf die Wachen konzentriert haben, haben wir nun auch einiges an Schulpensum zu absolvieren. Nach dem Abendessen saßen heute erstmals also auch Schüler in der Messe, die mit Hausaufgaben beschäftigt waren. Oder Schüler, die sich von ihren Hausaufgaben abbringen ließen, um mit anderen Schülern Stadt, Land, Fluss zu spielen.

Bis jetzt sind alle wohlauf und ich habe den Eindruck, dass alle sich gut an den Atlantikrhythmus gewöhnt haben. Und im Grunde unterscheidet sich das Leben an Bord ja auch nicht in allem vom Leben an Land: Auch dort bleibt ja die Zeit nicht stehen. Ich wünsche uns, dass wir uns an alle weiteren neuen See- und Landetappen so gut gewöhnen werden, wie an diese. Unser nächstes Ziel heißt übrigens: Martinique. Herzliche Grüße,
Linqi

Der Atlantik ruft…

Datum: 26. November 2018
Position: 28° 17,5‘N, 016° 16.0‘ W
Etmal: 11 sm
Temperatur: 22,7 Grad
von Nathalie

…waren die Worte Norberts nach unserem stillen Frühstück heute Morgen. Die Müdigkeit der vergangenen Tage und die Anspannung vor dem, was kommen sollte, lagen in der Luft. Auch heute, trotz großer Abfahrt, startete der Tag ganz normal: Es galt den „Grünen Plan“ zu erledigen, die Wäsche von der Reling zu nehmen, die Gangway einzuholen, kurzum: das Schiff seeklar zu machen. Auch wenn wir das in den vergangenen Wochen schon häufiger gemacht hatten und die Handgriffe langsam routinierter werden, hatte dieser Aufbruch heute Morgen einen aufregenden Beigeschmack.
Am Sonntag wurden die letzten Telefonate geführt, am Strand geturnt, Räder geschlagen und Handstand gemacht, Frisbee, Fußball und Volleyball gespielt… alles Dinge, von denen wir sicher sind, dass wir sie bei unserer Fahrt über den Atlantik nicht werden machen können. Auch heute Morgen gingen einige nochmal an die Pier, um ein letztes Mal zu sprinten, zu laufen und Sprünge zu machen.

Und dann warteten wir, bis Norbert – wie jedes Mal vorm Auslaufen – vom Hafenmeister wiederkam, um uns auszuklarieren. Währenddessen war die Backschaft in der Kombüse dabei, die Reste des Frühstücks zu beseitigen und sich langsam auf das Mittagessen vorzubereiten: Flo, Doreen und Max S. haben heute für uns Pizza gebacken. Auch wenn seit sechs Wochen jeden Tag gekocht und gebacken wird, ist eine Backschaft auf See, was für den größten Teil der heutigen Mittagessenszubereitung der Fall war, doch immer wieder eine Herausforderung. Diese Herausforderung haben die drei bravourös gemeistert – die Pizza war wahnsinnig lecker und zum Nachtisch gab es landfrisches Obst!

Als Norbert dann wiederkam, ging doch alles sehr schnell: Pepe, ein langjähriger Freund des Kapitäns, half uns, die Leinen loszuschmeißen und schon manövrierten wir uns langsam aus dem Hafen. Norbert gab Kommandos und Max R. stand am Steuer. Kaum sind wir einige Meter gefahren, horchten wir auf: Auf der anderen Hafenseite stand Pepe mit seinem Auto und hupte und winkte uns zur Verabschiedung. Norbert antwortete mit Hupen und während das wunderbare Hupkonzert unsere Abfahrt begleitete, verließen wir Santa Cruz de Teneriffe und starteten in unsere zweite Etappe.

An dieser Stelle ein Riesendankeschön an Pepe: Verabschiedet zu werden ist etwas tolles und hat uns allen auf der Johnny deutlich gemacht: Jetzt beginnt wieder etwas Großes! Schon waren wir auf See und der ganz normale Seealltag beginnt nun. Die Wache bezieht ihre Posten, alle anderen suchen sich ihre Plätzchen: einige schlafen, andere sitzen in der Messe und lesen oder spielen, die Backschaft ist am Backschaften und alles nimmt so seinen Lauf. Bis auf eine kleine große Änderung: Der Unterricht beginnt!

Der letzte Schulunterricht ist für die meisten über sechs Wochen her und wie genau der Unterricht an Bord stattfinden soll, war für viele – einschließlich uns Lehrkräften – bis heute Nachmittag wohl auch noch ein Rätsel. Aber dann passierte es doch: Claudia startete um 14:00 Uhr mit ihrem Deutschunterricht, danach hat Alex den Kids die Zeit mit Mathematik versüßt und mit Hausaufgaben auch noch den Abend, danach machte Michi weiter mit Biologie und schließlich habe ich mit den Kids eine Stunde verbringen dürfen. In dieser Stunde ging es vor allem um Gruppendynamik. Nach sechs Wochen ist auch den letzten hautnah klargeworden: Sieben Monate mit 36 Menschen unterschiedlichen Alters auf einem Schiff zu verbringen, sich Kammern mit bis zu 11 anderen Menschen zu teilen, Verantwortung zu übernehmen für Dinge, von denen die meisten bis vor sechs Wochen noch nicht einmal wussten, dass es sie gibt… das ist eine Herausforderung! Und so ist es klar, dass es an der einen oder anderen Stelle mal kracht und knirscht, dass manche Konflikte sich nicht vermeiden lassen und dass auch noch so viel Schokoladen- und Obstproviant nicht jede schlechte Laune vertreiben lässt.

Und so verging unser erster Tag der Atlantiküberquerung, der trotz großem Abenteuer doch herrlich normal endete. Es gab Brot und Aufschnitt zum Abendbrot, die erste Wache des Abends bezog ihre Posten und steuerte uns sicher durch die Nacht, in der Messe wurde eine Partie Stadt-Land-Fluss gespielt, die Backschaft des nächsten Tages überlegte, was sie morgen kochen könnte und auch ein Tagesbericht wollte noch geschrieben werden. Und das Beste sollte noch kommen: Endlich wieder zum sanften Schaukeln des fahrenden Schiffes einschlafen.
Nathalie