Happy Birthday und der letzte Tagesbericht

Datum: 23. April 2019
Position: 48°02,6’N, 009°55,5’W
Etmal: 134 sm
Wetter: Luft 14,°C, Wasser 12,6°C, Wind E, 3 Bft.
von Josephine

Alles Gute zum Geburtstag Mama! Ich wünsche dir einen wunderschönen Geburtstag in Hannover und dass du ihn genießen kannst. Du weißt, dass ich dich heute an dich denke und wie lieb ich dich habe! Bei jedem Kleidungsstück, auf dem mein Name draufgebügelt ist, muss ich an dich denken. Und wie oft bekomme ich bewundernde Blicke, wenn ich erzähle, dass auf jedem meiner Socken mein Name draufgebügelt ist. Danke für deine Unterstützung in allem! Gerade wenn man weit entfernt ist, merkt man deutlich, wie wichtig einem Dinge sind, die einem sonst normal oder selbstverständlich erscheinen. In weniger als 11 Tagen sehen wir uns alle wieder und ich hoffe, dass ihr beide einen kleinen Geschmack der Reise bekommt, wenn ich euch ein Essen aus Longo Mai serviere.

Auf dieser Reise ist so unendlich viel passiert, dass man einen ganzen Brockhaus damit füllen könnte, um alle Gefühle und Gedanken zu beschreiben. Bunt zusammengewürfelt wurden wir auf ein 36m langes Schiff gepackt und waren allem Neuen am Anfang völlig ausgeliefert. Erst Freundschaften, Pärchen und Gruppen bildeten sich, wir gewöhnten uns im Schiffsalltag ein und lernten dadurch auch das Leben an Land schätzen. Wir haben so viel gelernt und erlebt, viel mehr vermutlich, als wir zuvor mit anderen Menschen in einem halben Jahr gelernt haben. Für viele war es überhaupt das erste halbe Jahr ohne Eltern und Familie. Und so konnte man, wenn es einem mal nicht so gut ging, nicht wie gewohnt zu seinen Eltern laufen, sondern musste sich seinen Problemen selbst stellen.

Auch wir Mädchen mussten am Anfang erstmal Zusammenhalt und Durchsetzungsvermögen lernen, immerhin stellen wir nur ein Drittel der Besatzung. So kam es also selten vor, dass bei unseren Filmabstimmungen am Samstag Filme wie „Pretty Woman“ gezeigt wurden. Stattdessen reihten sich Filme wie „Hidden Figures“, „Interstellar“ und „Das Boot“ aneinander.

Ich denke, dass jeder hier an Bord auch Momente erfuhr, in denen er oder sie nicht weiter wusste und hinterher gemerkt hat, dass man an diesen Momenten umso mehr gewachsen ist. Erfahrungen machen, etwas erleben… das war es doch auch, was uns alle dazu bewogen hat, uns in dieses Abenteuer zu stürzen. Wenn ich mir jetzt Fotos aus Kuba oder aus Costa Rica anschaue, dann kann ich mir schon fast nicht mehr vorstellen, dass wir wirklich dort waren und ich wünsche mich wieder dorthin zurück. Ja tatsächlich, werde ich auf die Frage, wie unsere Reise denn war, keine Antwort geben können, die dieser Reise gerecht werden könnte: Wie soll man ein halbes Jahr beschreiben, in dem man im Schnee auf dem höchsten Berg Spaniens war, schwitzend auf einer Plantage in Costa Rica Zuckerrohr geerntet hat? Und neben all den „klassischen“ Programmpunkten hat sich ja noch so viel ereignet, was jeden individuell prägt. Und uns hat ein ganz bestimmtes Gefühl umgeben, eines, das mit der Dynamik der Gruppe zu tun hat und das man nur schwer beschreiben kann. Durch dick und dünn sind wir gegangen und auf viele verschiedene Charaktere mussten wir uns einlassen.

Einen großen Teil unserer Reise hat auch das Schaukeln ausgemacht: Jede Bewegung auf dem Schiff war von Wellengang begleitet, ob nun beim Toilettenbesuch, beim Duschen oder beim Essen. Gerade unsere Mahlzeiten haben wohl die Reflexe trainiert, durch das Auffangen von Schalen, Milchpaketen, Brotschalen oder Tassen. Ununterbrochen mit Menschen unterwegs zu sein, bedeutet auch, keine einzige Nacht alleine in einem Zimmer verbracht zu haben. Wie wird es sich wohl anfühlen, dann auf einmal wieder alleine in einem Zimmer zu sein? Hoffentlich werden wir uns dann nicht zu einsam fühlen und schnell in das alltägliche Leben zurückfinden (auch wenn viele von uns bestimmt auch Ideen für die Umgestaltung ihres Alltags mit nach Hause nehmen).

Ich glaube, hier auf dem Schiff haben wir einfach gelernt, noch mehr wir selbst zu sein. Und dass es gut so ist. Und ein wenig verändert haben wir uns sicherlich auch, denn das Aufeinandertreffen mit so vielen neuen Menschen, Eindrücken und Blickwinkeln hinterlässt sicherlich auch seine Spuren.

High Seas High School ist eine tolle Reise! Es ist schwer vorstellbar, dass andere Auslandsjahre uns das hätten bieten können, was wir hier alles erlebt haben. Doch zukünftigen Fahrern und Fahrerinnen sei auch gesagt: Man kann sich vorher schlecht vorstellen, was da auf einen zukommt. Wir können diese Reise nur weiterempfehlen. Doch es gab auch Momente, in denen man sich mal nachhause gewünscht hat und das Schiffsleben völlig satt hatte. Höhen und Tiefen lagen manchmal nah beieinander. Allen, die diese Reise einmal mitgemacht haben, zolle ich auf jeden Fall größten Respekt.

Nehmt euch auf jeden Fall eine Wärmflasche und eine Thermoskanne mit, damit ihr es schön warm in der Koje habt. Probiert euch aus, aber lasst euch zu nichts zwingen. Findet die Schülerbibel und schreibt eure Insider dort hinein.

Zuletzt möchte ich auch noch ganz herzlich meinen Eltern danken. Ihr habt mich unterstützt, bestärkt, begeistert und immer wieder motiviert. Meiner ganzen Familie, die immer hinter mir steht, sende ich vielen Dank! Für eure Liebe und dafür, dass ihre diese Reise auch finanziell ermöglicht habt. Auch meiner Tante Christine vielen vielen Dank dafür, dass sie diese Reise mit ermöglicht hat. Ihr seid toll! Happy Birthday Mama!

Sicherlich war es für alle Eltern nicht leicht, die eigenen Kinder gehen zu lassen und sie auf einem Segelschiff in fremde Länder segeln zu lassen, teilweise ohne Kontaktmöglichkeiten und mit der Aussicht auf eine lange Zeit, in der man sich nicht sehen kann. Nun bis wirklich bald, ich denke an euch und freue mich – auch auf alle meine Freunde zuhause! , eure
Josephine Nina