Meeresbiologie zum Frühstück, Mittag und Abendessen

Datum: 5. Dezember 2018
Position: 19° 49,9’N, 032° 23,3‘W
Etmal: 140 sm
Wetter: Luft: 24,5°C, Wind NE Bft.
von Michael

Durch das allmorgendliche Geklimper von Besteck und Geschirr geweckt, begibt sich unser heutiger Protagonist schlaftrunken aus der – mehr oder weniger – Waagrechten in die – mehr oder weniger – Senkrechte. Langsam zieht er sich seine Schuhe an und wandert im Faultiertempo durch das Schiffsinnere, immer dem Tageslicht folgend. Oben an Deck angekommen erwartet ihn bereits eine Horde von Abenteurern, bestehend aus hektischen Wachgängern, aufgebrachten Steuerleuten und einem begeisterten Kapitän. Sogleich wird ihm ein silbrig-schillernder Körper mit riesigen weißen Flügeln vors Gesicht gehalten. Ein Engel?! Nach anfänglich großer Verwunderung ist schnell klar: Ein fliegender Fisch hat sich auf das Deck der Johnny verirrt und solch ein besonderer Gast will natürlich gebührend versorgt (= für die Sezierstunde vorbereitet) werden.

Plötzlich – Klingelingeling – dringt ein heller Ton an das Ohr der Abenteurer und sie werden – als ob es in ihrem ganzen Leben niemals anders gewesen wäre – von einem inneren Drang schnurstracks in die Messe getrieben, wo auf den Tischen bereits Spiegelei und frisch gebackenen Semmeln auf sie warten. Oh, Pawlow wäre so stolz!

Wenig später, pünktlich zu Unterrichtsbeginn, versammeln sich 26 müde Augen in der Messe. Als das Thema der heutigen Stunde verkündet wird, sieht man erste Funken durch die Augen der Abenteurer blitzen: Da die Wache der letzten Nacht auf der Seekarte Hinweise auf untermeerische Vulkane unter dem Rumpf der Johnny entdeckt hat, steht heute ein Ausflug unter die Wasseroberfläche auf dem Lehrplan. Als es ab in die Tiefe geht, bündeln sich die Funken zu Feuer. Nach so einem Tauchgang zum Meeresgrund auf fast 11.000m unter der Wasseroberfläche sind die Abenteurer verständlicherweise ausgezehrt und haben sich ein ordentliches Mittagessen verdient. Eine großartige Backschaft nimmt sich also den erschöpften Abenteurer an und bald sind die Energiereserven wieder vollständig aufgefüllt. Der Tag kann weitergehen.

Plötzlich erschallt ein schriller Ruf von Deck: „Delfiiiiiiiine!“. Also schnell nach oben und schnurstracks aufs Vordeck. Eine Gruppe von Großen Tümmlern hat beschlossen, uns ein Stückchen unseres Weges über den Atlantik zu begleiten und so beobachten wir gespannt ihren majestätischen Tanz unter unseren Füßen. Während die Delfine noch in der Bugwelle der Johnny spielen, lässt der Protagonist den Blick übers Meer schweifen. In einiger Entfernung erblickt er eine einsame Schildkröte, die sich mit der Strömung nach Westen treiben lässt und er weiß, in diesem Moment genau am richtigen Ort zu sein.

Als die Sonne gemächlich hinter dem Horizont verschwindet und die Nacht hereinbricht, kehrt auch an Deck langsam Ruhe ein. Der aufmerksame Beobachter bemerkt jedoch, dass hier und da blaue Blitze durchs Wasser zucken. Erst ganz vereinzelt, dann immer häufiger und plötzlich scheint es, als ob das ganze Schiff von einer Wolke aus blauem Licht durch die Nacht getragen wird. Wieder schweift der Blick in die Ferne und die blau-schimmernden Punkte im Wasser vermischen sich langsam mit den hellen Punkten am Firmament, die weit über den Köpfen der Abenteurer Bilder in den Nachthimmel malen und Geschichten aus vergangenen Zeiten erzählen.

Doch noch ist an Schlafen nicht zu denken, denn abermals kündigt sich mitten im Atlantik unerwarteter Besuch an. Zwei schwarze Punkte erscheinen auf den ansonsten weißen Segeln der Johnny und wandern langsam Richtung Deck. Was zunächst unentdeckt bleibt, fällt schon bald einigen aufmerksamen Abenteurern auf. Die ungeladenen Gäste sind zwei gefiederte Bewohner des offenen Ozeans, sogenannten Röhrennasen-Sturmvögel, die sich auf die Johnny verirrt haben. Noch ein Stück skurriler wird die Situation, als ein Botschafter der naheliegenden Kapverdischen Inseln, ein kleiner Schmetterling, auf der Brücke auftaucht. Als sich der nächtliche Besuch entschließt, unser schwankendes Zuhause wieder zu verlassen, begeben sich allmählich auch die Abenteurer wieder in ihre Kojen. Nur unser Protagonist in Kammer 5, Koje 23 liegt noch wach.

All diese Erfahrungen, die er gemeinsam mit dieser einzigartigen Gruppe von Abenteurern erleben darf, zaubern ihm ein breites Lächeln ins Gesicht. Glücklich und voller Hoffnung, an diesem Tag etwas Brennholz in das innere Feuer der Abenteurer gelegt zu haben, schläft jedoch auch er bald ein. So vergeht ein weiterer Tag auf dem Ozean, während sich das neue Zuhause langsam aber stetig über den Atlantik schiebt.
Michi