Stimmungsschwankungen

Datum: 17. April 2018
Position: 52°45,9’N, 004°16,9’W
Etmal: 123 NM
Wetter: Wasser 7,5°C, Luft 11°C, Windstärke 5
von Ly

Als ich das erste Mal von High Seas gehört habe, war ich interessiert, aufgeregt und neugierig. Als ich mich dann mehr damit beschäftigte, wurde mein Interesse größer und meine Begeisterung auch. Es entstand der Wunsch, ein Teil dieses Projektes zu werden. Nachdem die Entscheidung, dass ich mitfahren möchte, getroffen und die Bewerbung losgeschickt worden war, war ich aufgeregt und hoffnungsvoll. Ich wusste nicht wirklich, auf was ich mich eingelassen hatte, aber bei was weiß man das denn schon auch wirklich… Die Zeit des Wartens war schrecklich (werde ich genommen oder nicht?), aber um so schöner war der Moment, als die Nachricht kam: Du bist dabei!! Ich war so glücklich und, auch wenn ich mich quasi darauf vorbereitet hatte, konnte es nicht glauben. In ein paar Monaten werde ich einfach in der Karibik sein, dachte ich mir, mit Menschen, die mir jetzt noch fremd sind, auf einem Schiff, das ich noch nie gesehen habe, ein Leben leben, das ich mir nicht vorstellen kann.

Auf dem Probetörn kam ganz viel auf einmal auf mich zu. Er war vor allem spannend und aufregend: Was sind das für Leute? Wie ist das Schiff so? Was werden wir machen? Gefällt es mir? Ist es so, wie ich es mir vorgestellt habe? Was habe ich mir eigentlich vorgestellt?… Es war auf jeden Fall viel los und alles war neu und toll. Diese eine Woche hat noch einmal bestätigt, High Seas ist wirklich was für mich! Die Zeit vom Probetörn bis zum großen Törn verging sehr schnell und war vollgepackt mit E-Mails, Plänen, Besorgungen, ganz viel Vorfreude und mindestens 10.000 Fragen zur Reise von Freunden und Familie. Je näher die Abreise kam, desto unwirklicher kam mir alles vor. Und als es dann endlich losging, konnte ich es gar nicht realisieren (wenn ich ehrlich bin, habe ich das Gefühl, immer noch nicht richtig realisiert zu haben, was ich hier eigentlich mache). Auch wenn ich die meisten der Mitfahrenden schon einmal gesehen hatte, waren es doch Fremde und alles was ich kannte, war plötzlich weg.

Manchmal fühlte ich mich ein bisschen verloren, aber weil jeder für jeden und alles für alle neu war, ging das schnell vorbei. Langsam aber sicher gewöhnte ich mich an alles, lernte alle kennen, fand Freunde und fühlte mich immer mehr zu Hause. Das Leben war ein einziges Abenteuer! Jeden Tag verstand ich das Schiff ein bisschen mehr, lernte jemand anderen besser kennen, machte neue Erfahrungen. Ich habe mich sehr schnell an das Bordleben gewöhnt und mich sehr wohl gefühlt. Das Gefühl von „Zuhause und Familie“ wurde immer stärker und schon bald konnte ich mir ein Leben ohne das alles gar nicht mehr vorstellen. Es gab natürlich auch Tage, an denen ich Heimweh hatte und lieber zu Hause gewesen wäre. Am stärksten an Weihnachten und Silvester. Aber alles in allem war die Zeit einfach super. An Land war es manchmal schwer, das „High-Seas-Leben“ mit dem „Zuhause-Leben“ zu kombinieren, vor allem weil es seltsam war, von allem zu erzählen und zu wissen, dass die Leute, die für uns eine zweite Familie geworden sind, unserer „anderen“ Familie fremd sind.

Die Zeit verging so schnell, plötzlich war die Hälfte der Zeit schon um und auf einmal waren es nur noch 3 Monate und es wurde wieder kälter. Mit dem immer schlechter werdenden Wetter und den Stürmen kam das Heimweh auch wieder und das warme traute Heim wurde von allen herbeigesehnt. Zwischen diesen Gedanken wurde mir aber langsam klar, dass die Reise wirklich bald zu Ende sein wird. Und plötzlich hab ich mich nicht mehr sooo… auf Deutschland gefreut, sondern hatte eher Angst vor dem Ende. All das entwickelte sich zu einem großen Zwiespalt, von dem ja schon öfters berichtet wurde. Das größte Problem an der Sache ist, dass wir gerade erst hier angekommen sind, also so richtig und noch lange nicht bereit sind für einen erneuten Wechsel. Tja, diesen Wechsel kann man aber nicht verhindern, also versuchen wir, die Zeit noch zu genießen und uns auf „das Ende“ vorzubereiten.

Wie man sieht, hatten wir die ganze Reise über und auch davor gemischte Gefühle in Bezug auf all das, was wir so erlebt haben. Ich bin mir sicher, dass sich diese Gefühle und damit auch die Perspektive auf diese Reise auch im Laufe der nächsten Wochen, Monate, Jahre, ja sogar unser ganzes Leben hindurch weiterhin verändern werden. High Seas aber wird, egal wie ich im Moment oder irgendwann dazu stehe, immer ein wichtiger Teil meines Lebens bleiben und mich für immer begleiten.
Ly

Tu es!

Datum: 16. April 2018
Position: 51°26,6’N, 001°50,5’W
Etmal: 96 NM
Wetter: Wasser 8°C, Luft 13°C, Windstärke 5
von Isa

Meine letzte Tagesmeldung, puh! Ich könnte jetzt mal wieder ewig über die Zeit philosophieren und mir überlegen, wie es wird, wenn wir wieder zurück sind oder euch versuchen, in irgendeiner Form zu erklären, wie wir uns gerade fühlen, aber das schaffe ich eh nicht. Ich habe also darüber nachgedacht, welches Thema eigentlich noch nicht Reflexionsgegenstand der unzähligen Tagesmeldungen war – und bin zu dem Schluss gekommen, dass ich gerne ein paar Worte an die folgenden Törns richten würde. Ein Großteil der Leser sind wahrscheinlich Jugendliche, genau wie wir letztes Jahr, die sich neugierig unsere Texte durchlesen und versuchen, sich vorzustellen, wie es hier ist und ob es auch für sie das Richtige sein könnte, sich auf diese Reise einzulassen.

Ich kann euch nur sagen, dass – und da spreche ich definitiv für alle – sich diese Reise in wirklich jeder Hinsicht lohnt! Und wenn ihr Bock darauf habt, ihr unbedingt eure Eltern, Lehrer oder wen auch immer überreden solltet mitzufahren! Zwar werdet ihr auf der Reise auf viele Hindernisse treffen und euch – im Gegensatz zu zu Hause – auf so manche Sachen einlassen und an vielen Stellen beschränken müssen. Ihr werdet viele Dinge von zu Hause vermissen, die kleinen Dinge, aber auch eure Freunde, eure Familie und alltägliche Gewohnheiten. Ihr werdet euch an manchen Tagen so sehnlichst wünschen, in eurem Bett daheim zu liegen, das nicht schwankt – ohne den Gedanken in ein paar Stunden zur Wache aufstehen zu müssen. Ihr werdet Konflikte mit den Leuten haben und euch einfach nur Zeit für euch ganz alleine an einem ruhigen Ort wünschen.

Und vor allem werdet ihr in einem ständigen „Knoten im Kopf“ stecken und euch erstens fragen: Was ihr hier macht? Zweitens werdet ihr bis zum letzten Tag noch nicht realisiert haben, dass es überhaupt losgegangen ist. Und drittens werdet ihr, vor allem am Ende, in dem größten Zwiespalt eures Lebens stecken zwischen: Ich freue mich unglaublich auf zu Hause – und – Ich will hier nicht weg.

ABER ihr werdet auch die unglaublichsten Landschaften sehen, an ganz vielen mega schönen Orten sein. Ihr werdet 6 Monate lang ein „Achterbahnleben“ führen, zwar mit Höhen und Tiefen, aber in dem wirklich jeder Tag irgendetwas Besonderes mit sich bringt und ihr so viel Verrücktes erlebt, dass man gar nicht einordnen kann. Ihr müsst euch einmal überlegen, ihr segelt 2 Mal über den Atlantik. Habt ein halbes Jahr Schule in eurem Esszimmer auf einem Schiff. Das ist schon verdammt cool. Ihr werdet Erfahrungen sammeln, die euch um einiges weiterbringen werden. Ihr werdet auf euch selber aufpassen müssen und Aufgaben übernehmen müssen, die euch viel verantwortungsvoller machen werden. Ihr werdet ganz weit weg von zu Hause Menschen kennenlernen, die ein ganz anderes Leben führen als wir Europäer – und merken, dass diese Menschen unglaublich interessant sind. Ihr werdet viele Stopps machen und könnt am Ende behaupten, dass ihr zu jedem dieser Länder SELBER hingesegelt seid. Und ihr werdet euch selbst kennenlernen, werdet merken, wo eure Grenzen sind, wie weit man gehen kann, was ihr an euch noch verbessern könnt, wo ihr Prioritäten setzt und was euch wirklich wichtig ist. Ihr werdet den Spaß eures Lebens haben und werdet euch an ganz vielen Stellen umschauen und euch fragen, wie aufregend euer Leben gerade ist.

Und nun kommen wir zum, meiner Meinung nach, wichtigsten Punkt des Ganzen. Ihr werdet die besten Freunde finden. Mit denen ihr wirklich über jeden Mist geredet habt, jeglichen Quatsch gemacht habt, mit denen ihr euch zwar gestritten habt, aber immer wieder zusammengefunden habt, weil es auf 50 Metern Schiff eben nicht anders geht. Freunde, die euch neu kennengelernt haben, fern von eurem Umfeld zu Hause und sie werden euch so ans Herz wachsen, dass ihr nicht wirklich wissen werdet, was ihr ohne sie machen sollt.
Also wenn ihr die Möglichkeit habt, lasst euch auf dieses Abenteuer ein, weil es einfach eine „Hammerzeit“ wird, die leider viel zu schnell vergeht.

Natürlich ist es für jeden anders, aber ich glaube oder besser … ich weiß, dass alle eine unglaubliche Zeit hatten und es noch niemand wirklich begriffen hat, dass es in 5 Tagen vorbei ist. Ich zum Beispiel hatte heute meine letzte Backschaft. Wie oft musste ich morgens um 5:45 Uhr aufstehen oder stand bis abends um 20:30 Uhr in der Kombüse und habe diesen Dienst so oft verflucht. Und trotzdem haben Arthur, Carlotta und ich heute fast geheult, als es um 12:30 Uhr hieß, dass unsere allerletzte Backschaft jetzt vorbei ist.

Ich werde diese Welt hier so unglaublich vermissen – auch die ganzen nervigen Sachen, wie zum Beispiel Reinschiff, gehören einfach dazu und ohne sie wäre High Seas nicht High Seas. Es wurden 30 Kinder wahllos aus ihren Welten „herausgerissen“ und auf dieses (verhältnismäßig) kleine Schiff „gesteckt“. Wir haben uns 6 Monate lang kennengelernt und jetzt plötzlich werden wir wieder zurück in unser normales Leben „geschickt“. Wie das gehen soll? Keine Ahnung, wir werden es herausfinden.
Wir wünschen euch, den nächsten Törns, unglaublich viel Spaß und sind gespannt auf eure Berichte!
Isa

P.S.:
1. Isa grüßt auf Wunsch nochmal Zoë, girl I miss you und beweg deinen Hintern so schnell wie es geht nach Berlin!! An alle anderen, noch 5 Tage dann ist“s vorbei mit für“s Abi lernen, dann wird gefeiert.
2. Leute, get ready. Ich komme nach Hause. So füllet den Kühlschrank und poliert die Gläser. Magen und Leber schreien. Liebe Grüße bis ganz bald! (Harry)
LG von A. an L.