Weg von Marinetraffic, aber immer noch am Leben

Datum: 5. Mai 2016
Position: 54°22,0’N, 010°06,8’E
Etmal: 43 NM
Wetter: Wasser 11°C, Luft 12°C, Wind 3 Bft.
von Stella

Es ist sieben Uhr, ich wurde geweckt und – verschlafe. Irgendetwas Schweres landete auf mir. Hannah, sie hatte Backschaft und war schon hellwach. Als ich die Augen aufschlug, war sie schon wieder weg, also stand ich auf, taperte zum Frühstück. Am heutigen Tage passierte nicht sehr viel, wir schleusten! Am Nachmittag gab Helge dann ein weiteres Mal seinen Erstehilfekurs : „Was habt ihr denn alles schon für Erfahrungen in dem Bereich?“ Wir antworteten der Reihe nach … Ich bin Schulsanitäter… ich hatte einen Erste-Hilfekurs vor High Seas … ja, als ICH dann an der Reihe war, konnte ich von meinen Erfahrungen sprechen von den Kursen, die jeder hier hatte.. aber glaubt mir, ich bin froh hier mit so einem Hochsicherheitstrupp unterwegs zu sein, denn es können lange noch nicht alle alles. „Was macht ihr, wenn ihr kein Pflaster mehr aufkleben und auch keinen Verband mehr umlegen könnt?“ – „amputieren“, meinte Judicious (Judith) ganz nüchtern.

Doch möchte ich nun zu dem eigentlichen Sujet meiner Tagesmeldung kommen. Die blödesten Sachen, die so auf dem Blogg veröffentlicht wurden. „Ich erinnere mich gut daran, dass ich mich zeitweise über komplett nichtssagende Texte aufgeregt habe. Inzwischen kann ich es gut verstehen, wie so etwas zustande kommt .“ (Jakob Helfmeier , 09.12.2015 in „Es kommt auf den Standpunkt an„) Es sind nicht viele, aber dennoch ein wenig amüsant: „Die Gordinge sind achtern des Fockfalls, weiter achtern davon das Unter-Mars Fall und die Gordinge, dann die Ober-Mars Fall und Gordinge, und schließlich geht es weiter mit den Gordingen und Fallen der Bram und Royal, ist ja eigentlich ganz einfach, oder?!“ – Falsche Aussagen sind immer einfach zu händeln, Jona!

„Nach unserer Wache und vor allem dem gegessenen Frühstück, das wie immer super schmeckt, (…)“ (Josha Paschke, 13.10.2015 in „Das anstrengende Wachsystem„) Ja, ja, unsere berühmt, berüchtigten Brotbackkünste. Joshi, du alter Schleimer, wie war das noch mal mit Benji? Ein Paket Backpulver (auf der Roald gibt es nur Kilopakete) muss in den Kuchen, oder wenn man mal Salz, Hefe, … vergisst und das „Brot“ dann nur aus Mehl und Wasser besteht. Da fällt mir auch der Brötchenteig mit Zitronensäure anstatt Salz ein… sieht ja gleich aus. Obwohl, der saure Teig war gar nicht unsere Schuld, wir haben ihn danach nur eingefärbt 😉

Und jetzt kommt mein Favorit: „Wie duscht man aber richtig? Die Türe ist ja normalerweise offen und mit einem Haken gegen den Seegang gesichert. Wenn du duschen möchtest, musst du zuerst den Haken lösen, um die Tür hinter dir schließen zu können.“ (Yuansu Bai, 25.10.2015 in „Wie man richtig duscht„) Oh Sushi, was würde ich bloß ohne dich tun? An alle hier Zitierten, all der Senf, den ich dazu gegeben habe, ist nicht bös“ gemeint und im liebevollen Sinne zu betrachten. Liebe Grüße,
Stella

Bootsmann ab Oostende…

Datum: 4. Mai 2016
Position: 53°52,6’N, 008°43,9’E
Etmal: 117 nm
Wetter: Wasser 11°C, Luft 11°C, Wind 3 Bft.
von Helge

Was habe ich mir alles für Gedanken gemacht, als ich im Zug auf dem Weg nach Oostende saß. wie werden die Schüler mich aufnehmen? Schon wieder ein Crewwechsel? Was will der neue da von uns? Werden sie mich in dieser eingeschworenen Gemeinschaft, die sich nach sieben Monaten Seefahrt gebildet hat überhaupt akzeptieren? Wie wird die Stimmung sein? So auf den letzten Metern? Kann das überhaupt ein schöner Törn werden, so voller Emotionen? Werden sie überhaupt in der Lage sein, „normal“ zu funktionieren, oder sind sie total durch den Wind, hin und her gerissen zwischen Fernweh und Heimweh, zwischen „nicht enden wollen“ und „endlich runter von diesem Kahn“?

Was soll ich sagen, ich bin begeistert! Ich wurde so freundlich empfangen, so selbstverständlich und routiniert. Ich war völlig baff. Überhaupt, diese fantastischen jungen Menschen führen das Leben auf See mit einer legeren Normalität die mich umhaut. Ich bin schon viele kurze Schülertörns auf der Roald gefahren. Da war das immer völlig anders. Hier kommt man morgens um halb sieben auf dem Weg aus der Koje zum Kaffee an der Kombüse vorbei und hört, wie sich die drei 15-jährigen Backschafter verständigen, dass „natürlich“ zuerst das alte Obst aufgebraucht wird, bevor das neugekaufte angebrochen wird. Da werden ganz selbstverständlich alle Bereiche des Bordlebens von den Schülern organisiert. Die Kombüse ist da nur das kleinste. Wenn man eine Ankerwachen braucht, ist die längst eingeteilt. Wenn ein Einkaufszettel für den Großeinkauf geschrieben werden soll, hat das Proviantteam diesen garantiert schon längst geschrieben. Vom Segeln ganz zu schweigen. Die Crew (ohne Stamm-) führt komplett selbstständig sämtliche Segelmanöver professionell aus. Als wäre es das normalste der Welt, bei 6 Beaufort Wind dreißig Meter über dem Wasser ein Segel hafenfein zu packen. Ach ja, gar keine Frage, sie packen immer hafenfein. Wir vom Stamm stehen nur noch daneben und passen auf, dass sich aus lauter Routine keine Fehler einschleichen.

Und für mich als Bootsmann ist es geradezu traumhaft. Wenn ich labsalen möchte, wende ich mich vertrauensvoll ans Bootsmannsteam. 10 Minuten später hab ich mindestens vier Leute, die motiviert Eimerchen und Pinsel nehmen und drei Stunden durch die Toppen toben um Schiffserhalt zu machen. Wenn ich vorsichtig frage, ob ich ihnen bekleeden nochmal erklären soll, schauen sie mich entgeistert an und sagen Dinge wie: „Nee, ist alles klar, hab ich schon oft gemacht.“ Damit ich mich hier nicht im Überschwange verliere: Es sind ganz normale junge Menschen, die alle ihre Eigenheiten und Macken haben. Es gibt das gesamte Spektrum der Charaktere, Schwierigkeiten und Krisen. Und sie sind 14-18 Jahre alt. Aber was mich wirklich begeistert hat, ist diese Selbstverständlichkeit mit der sie hier an Bord nach sieben Monaten in See auch unangenehme Aufgaben mit einem lockeren Spruch auf den Lippen erledigen. Die kloppen sich drum, wer das Klo putzen darf! Wirklich!

Ich bin sehr froh, liebe HSHS-Crew, dass ihr mich auf dem letzen Teil Eurer großen Reise in Eure Gemeinschaft aufgenommen habt. Ich bin sicher alle von Euch werden – jeder auf seine Art – von diesem außergewöhnlichen Abenteuer profitieren. Und ich freue mich darauf Euch irgendwann hier an Bord wieder zu treffen.
Euer Bootsmann Helge

Grüße:
Olivia grüßt alle, die uns auf dieser fantastischen Reise begleitet haben – egal ob von zuhause aus via Blog, Facebook, SMS etc. oder direkt hier an Bord als Smut / Maschinist / Deckshand / Toppsgast / Steuermann oder Kapitän!!
Besonders an letztere noch einmal ein großes Dankschön! Ohne euch wäre vieles nicht möglich gewesen und ihr werdet für uns immer untrennbar mit unserem großen Abenteuer verbunden sein! Auf ein Wiedersehen auf der Roald! 🙂
Alexandra grüßt ihr LWF-Team von der Roald unter Segeln auf der Elbe.
Mike grüßt Karin, Cora und El Greco.
Ganz herzliche Grüße in die Mühlenstraße und nach Bad Saulgau von Mama
Der Seelöwe hat sich ausgetobt und schreibt doch nichts mehr. Es wird keinen letzten Teil B&R geben. Aber vielleicht… gibt“s ja doch was. Wer weiß, ich auf jeden Fall nicht. Zum Standort noch eine Info: Wir sind in der Schleuse zerquetscht worden. Oder so ähnlich. Stellt euch einfach vor, dass wir mit 40 Knoten um Dänemark herumkurven und für euch Eltern nicht erreichbar sind. Das dient dem Schutz der psychischen Integrität der Lebendware an Bord und soll vor Verfolgung schützen. So, zum 4. Mai sage ich nur noch: Möge die Wacht mit euch sein!