Es kommt auf den Standpunkt an

Datum: 9. Dezember 2015
Position: 16° 51,7″ N, 052° 05,9″ W
Etmal: 119,5 nm
Wetter: Wasser 26,5 C, Luft 30,5 C, Windstärke 5
von Jakob

Als ich mich vor etlichen Monaten für High Seas High School zu interessieren begann, las ich im Rahmen meiner Recherchen zum Projekt auch einige Tagesmeldungen vergangener Reisen. Ich erinnere mich gut daran, dass ich mich zeitweise sehr über komplett nichts sagende Texte aufgeregt habe. Inzwischen kann ich gut verstehen, wie so etwas zustande kommt. Nach drei Wochen Atlantik gibt es einfach nichts mehr, worüber man schreiben kann, weil einfach rein gar nichts passiert und sonstige Themen bereits einige Male durchgekaut wurden. Dennoch mag es den einen oder anderen vielleicht interessieren, dass ich heute das große Glück (oder Unglück, je nach Standpunkt) hatte, dem Unterricht beiwohnen zu müssen. Es begann mit zwei Stunden Spanisch und einer Englisch, nahm mit dem täglichen Schiffserhalt und anschließenden zwei Stunden Mathe seinen Lauf und endete mit einer Stunde Politik. Spannend, oder?

Beim Schiffserhalt bestand meine erste Aufgabe darin, die Nockzeiser (Bändsel an den Enden (Nocken) der Rahen, um die Segel festzubinden) an diversen Vorsegeln zu ersetzen, da sie entweder zu kurz oder zu lang waren. Die Länge aller Zeiser an den Rahen ist entscheidend, da man mit ihnen gut das Segel zusammenpacken können soll, sie aber bei Sturm immer noch gut im Griff haben muss. Vitus half mir, dieses außerordentlich schwierige Stück Kletter- und Knotarbeit zu bewältigen, welches wir gleichzeitig zum Anlass nahmen, eine längere Pause an Deck einzulegen (böse Zungen behaupteten, wir seien faul und sollten sofort weiterarbeiten – wie gesagt, es kommt auf den Standpunkt an). Später fettete ich noch einige aus Tauwerk bestehende Pfropfen, welche in kurze Rohre am Schanzkleid und an den Treppen gesteckt werden, um diese am Rosten zu hindern. Trotz mehrerer Waschdurchgänge sind meine Hände immer noch fettig, was mir die nachfolgenden Benutzer des Bord-PCs verzeihen mögen – wenigstens werden die Rohre nicht rosten.

Irgendwann im Laufe des Nachmittags sichteten die stehende Wache und einige Freiwächter neben den inzwischen uninteressant gewordenen fliegenden Fischen einige Delfine – die ersten seit Teneriffa. Ansonsten beginnt an Bord schon eine gewisse Vorfreude auf die Ankunft auf Martinique, die erdrückende Hitze unter Deck ist trotz Installation einiger Ventilatoren immer noch erdrückend, die vorgestrige Zeitumstellung bringt meinen Schlafrhythmus durcheinander (ich wache immer eine Stunde zu früh auf) und die Vorräte an frischem Obst und Gemüse, Ketchup und Cornflakes schwinden beständig. In diesem Sinne grüße ich meine Familie ganz lieb und wünsche dem Rest der Blog-Leser eine gute Ruh.
Jakob

Grüße: Ella grüßt alle, insbesondere Anna, dass wir Delfine immer so cool fanden ist völlig begründet. Und liebe Christa, dir wünsche ich verspätet alles Gute zum Geburtstag.